Auswirkungen der US-Außenpolitik auf die europäische Sicherheitsarchitektur

Herr Günther, ist die NATO obsolet?

Von den derzeit 28 Bündnispartnern halten momentan lediglich fünf Länder das vereinbarte Ziel ein, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Die Forderung der USA nach einer fairen Lastenteilung in der NATO, also einer stärkeren europäischen Beteiligung an den Verteidigungskosten, ist weder neu noch unbegründet. Wir würden alle gut daran tun, den Begriff „obsolet“ nicht als überflüssig, sondern vielmehr als veraltet und reformbedürftig zu interpretieren. Letztendlich liegt es an uns, die geopolitische Bedeutung der NATO zu untermauern und damit die politische und militärische Dimension der europäischen Sicherheitsarchitektur zu stärken.

Brauchen wir ein stärkeres Europa in Sicherheits- und Verteidigungsfragen?

Europa muss mehr sicherheitspolitische und militärische Verantwortung übernehmen. Dazu gehört nicht nur die Erhöhung des Verteidigungsbudgets, sondern auch die Auseinandersetzung mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragestellungen auf EU-Ebene. Uns allen muss klar sein: Die EU ist nur so stark, wie ihre Mitglieder sie stark sein lassen. Dies ist nicht eine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Die sicherheitspolitischen Ankündigungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump sind für die Sicherheitsarchitektur Europas eine Herausforderung. Perspektivisch sind die Signale von der anderen Seite des Atlantiks aber auch eine Chance: Eine Chance für Europa, eine gemeinsame und ambitionierte Außen- und Sicherheitspolitik zu gestalten.

Claus Günther ist CEO der Diehl Defence GmbH & Co. KG und Vorsitzender des BDI-Ausschusses für Sicherheit.