Das Binnenmarkt-Informationstool – Richtiger Ansatz, falsches Instrument

Die EU-Kommission hat im Mai 2017 einen Verordnungsvorschlag für ein „Binnenmarkt-Informationstool“ als Bestandteil des sogenannten „Compliance Package“ vorgelegt. Dieser soll mit verschiedenen Initiativen zu einem besseren Funktionieren des Europäischen Binnenmarktes beitragen. Mit dem neuen Instrument soll für Fälle „schwerer Binnenmarktstörungen“ ein neuer, zwingend zu beachtender Datenerhebungs- bzw. Auskunftsanspruch der EU-Kommission direkt gegenüber Unternehmen und Unternehmensverbänden geschaffen werden.

Ziel des Kommissionsvorschlags ist die Gewinnung eines leichteren Zugangs zu Daten, wenn „ernste Schwierigkeiten“ bei der Anwendung der Binnenmarktvorschriften bestehen. Das soll durch einen Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen und Unternehmensverbänden erreicht werden, der auch höchst sensible Unternehmensdaten wie z. B. Kostenstruktur, Preispolitik, Gewinn, Arbeitsverträge und Lieferantenbeziehungen betreffen kann. Für den Auskunftsanspruch ist kein individuelles Fehlverhalten des betroffenen Unternehmens oder Verbands erforderlich.

Erwogene Auskunfts- bzw. Datenerhebungsansprüche wegen hoher Schutzbedürftigkeit der Daten unakzeptabel

Von den ermittelten Daten erhofft sich die EU-Kommission Informationen zur Überwindung von Binnenmarktstörungen. Für angemessene Gegenmaßnahmen fehle es der EU-Kommission oft an einer hinreichenden Datenbasis, weil die Daten in den Mitgliedstaaten nicht existierten oder weil sie von diesen nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt würden. Das direkte Auskunftsersuchen soll nur als letztes Mittel genutzt werden und schutzwürdige Daten sollten nach strengen Anforderungen hinsichtlich der Vertraulichkeit behandelt werden.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs sind allerdings viel zu vage geregelt. So soll ein Datenerhebungsanspruch schon dann bestehen, wenn eine „ernste Schwierigkeit bezüglich der Anwendung des EU-Rechts“ die Gefahr verursacht, dass die „Erreichung einer wichtigen Zielsetzung der EU-Politik gefährdet“ wird. Zwar sollen eine Reihe von Kriterien davor abhalten, das Auskunftsersuchen zu schnell auszulösen, z.B. nur dann, wenn die erforderlichen Informationen der EU-Kommission nicht in hinreichendem Umfang vorliegen oder nicht ausreichend oder angemessen sind. Ferner ist erforderlich, dass eine zügige Beschaffung dieser Informationen nicht möglich ist, weil sie nicht aus öffentlich zugänglichen Quellen erhoben werden können oder trotz Nachfrage der Kommission nicht zur Verfügung gestellt wurden. Regelungen zum Umgang mit vertraulichen Daten und die Hürde, dass ein Auskunftsersuchen nur nach Beschluss des Kommissarskollegiums ausgelöst werden darf, sollen vor umfassenden Zugriffsrechten auf Unternehmensinformationen schützen.

Erzwingbare Auskunfts- bzw. Datenerhebungsansprüche unvertretbar

Dennoch ist das Instrument insgesamt als unangemessen abzulehnen. Die Umsetzung und Durchführung von Binnenmarktrecht obliegt in erster Linie den Mitgliedstaaten. Soweit es nur allgemein um „schwere Binnenmarktstörungen“ geht und dem betroffenen Unternehmen nicht substantiiert ein eigener Verstoß gegen Binnenmarktvorschriften vorgeworfen werden kann, steht eine Auskunftspflicht über teilweise sehr sensible Unternehmensdaten dem grundrechtlich geschützten Anspruch auf Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen. Das wird noch dadurch verstärkt, dass der Kommissionsvorschlag sehr empfindliche Sanktionen vorsieht wenn das Unternehmen oder der Unternehmensverband dem Auskunftsersuchen nicht nachkommt.

Aspekte der besseren Rechtsetzung nicht beachtet

Der BDI hatte sich bereits im Vorfeld des Verordnungsvorschlag im Rahmen der dazu durchgeführten öffentlichen Konsultation und in Gesprächen mit EU-Kommission kritisch zu dem Instrument positioniert. Auch das „Regulatory Scrutiny Board“, ein kommissionsinternes Gremium, das die Entwürfe von Folgenabschätzungen prüft, hatte der Maßnahme zunächst eine Absage erteilt. Nach Auffassung des Ausschusses konnte weder der Nutzen, noch hinreichend die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachgewiesen werden. Zudem seien zu beachtende Vorgaben der Agenda für bessere Rechtsetzung nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Der BDI wird sich umfassend zu dem vorgelegten Rechtsakt positionieren. Den avisierten zwingenden direkten Datenerhebungsanspruch gegen Unternehmen bzw. Unternehmensverbände lehnt der BDI weiterhin nachdrücklich ab.