Der steuerliche Brexit – viele offene Fragen

Die britischen Wähler haben sich für das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union entschieden. Die bevorstehenden Austrittsverhandlungen rufen auch im steuerlichen Bereich komplexe Fragen hervor. Für die Unternehmen sind erhebliche Mehrbelastungen im Bereich der Verkehrsteuern, der Gewinnbesteuerung, aber auch bei Unternehmensumstrukturierungen zu erwarten.

Im Falle eines Brexits sind grundlegende Änderungen für Unternehmen mit Warenlieferungen und Dienstleistungsverkehr aus und nach Großbritannien (GB) zu erwarten, da die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie keine Geltung mehr entfalten würde. Auch wenn die Union auf dem Gebiet der direkten Steuern keine Kompetenz besitzt und die direkten Steuern eine alleinige Angelegenheit der Mitgliedstaaten sind, stünden auch in diesem Bereich Veränderungen bevor.

Im Bereich der Ertragsteuern entfalten insbesondere die Fusionsrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie oder die Zins- und Lizenzrichtlinie Wirkung für Industrieunternehmen. Durch den Austritt verlieren diese Richtlinien ihre Gültigkeit, nicht jedoch die nationalen Umsetzungen im britischen Steuerrecht. Demnach wären in GB nach einem Austritt aus der EU Gesetzesinitiativen zu erwarten, die insbesondere Hinweise und Umsetzungen von EU-Richtlinien korrigieren. Fraglich bleibt, ob GB in diesem Bereich weiterhin einige Harmonisierungen beibehalten will. Ein Beispiel für einen solchen „Sonderstatus“ könnte die Schweiz darstellen. Grundsätzlich wird das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen eines EU-Staates und GB deutlich an Gewicht gewinnen und das Risiko einer Exit-Besteuerung deutlich erhöht. Der Wegfall der genannten Richtlinien hätte umfassend negative Auswirkungen für den Steuerpflichtigen, er wird insbesondere einer höheren Quellensteuerbelastung ausgesetzt. Im Fall des deutschen DBA mit GB würde die vereinbarte Freistellungsmethode zu einer potenziell finalen Mehrbelastung führen. Auch droht der Wegfall der Anwendung der Schiedsverfahrenskonvention.

Neben den EU-Richtlinien finden sich im Ertragsteuerecht weitere Erleichterungen, sofern ein EU-Staat beteiligt ist. Zu nennen sind hier mögliche (z. T. zinslose) Stundungsregelungen wie z. B. in § 6b Abs. 2a EStG oder § 6 Abs. 5 AStG, wobei die zinslose Stundung hier wohl widerrufen würde und die Wegzugsteuer fällig würde. Auch die Aktivitätsklausel des § 8 Abs. 2 AStG würde entfallen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da der Körperschaftsteuersatz in GB mittlerweile knapp unter 25 Prozent liegt und damit als Niedrigbesteuerung im Sinne des Außensteuergesetzes gilt. Auch konzerninterne Restrukturierungen würden erheblich erschwert, da § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG nur auf Rechtsträger eines Mitgliedstaates der Union und ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten abstellt. Das verbleibende Zeitfenster bis zum endgültigen Ausscheiden könnte hier für nötige Umstrukturierungen genutzt werden.

Fraglich ist nunmehr auch die nationale Umsetzung des OECD-Projekts BEPS in GB. Der ECOFIN-Rat hat am 21. Juni eine politische Einigung über die von der EU-Kommission erarbeitete ATAD (Anti Tax Avoidance Directive) erzielt. Durch das Ausscheiden der Briten scheint eine Umsetzung in Großbritannien sehr fraglich.

Erhebliche Auswirkungen sind auch im Bereich der Verkehrsteuern zu erwarten. Hier ist eingangs zu beachten, dass ab dem Tag des Austritts die Rechtsvorschriften für Drittstaaten gelten. Fraglich ist, ob erleichternde Übergangsregelungen, entgegen den EU-Erweiterungen in der Vergangenheit, zu erwarten sind.

Grundsätzlich gilt für Warenlieferungen, dass diese zukünftig nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Erwerbe, sondern vielmehr als Ausfuhrlieferungen bzw. Importe in Verbindung mit dem Drittlandsgebiet zu qualifizieren sind. Wie diese Vorgänge zukünftig in GB behandelt werden, ist dabei noch ungeklärt. Zusätzlich wären auch mögliche Zölle zu beachten. Darüber hinaus würden entfallen:

  • die vereinfachenden Vorschriften zum innergemeinschaftlichen Verbringen,
  • der Nachweis der Unternehmereigenschaft mittels der USt-ID Nummer,
  • das Vorsteuervergütungsverfahren sowie der (Unions-)Zollkodex.

All diese Beispiele stellen nur einen kleinen Ausschnitt der steuerpolitischen Herausforderungen im Falle eines BREXITs und skizzieren gleichwohl die Komplexität der steuerlichen Fragestellungen, die mit den bevorstehenden Austrittsverhandlungen einhergeht und zeigen auf, welche weitreichenden Änderungen insbesondere im britischen Steuerrecht zu erwarten sind.