Hamburger Hafen © Pixabay/KarstenBergmann

Deutsche Unternehmen werden Gewinner der Globalisierung

Deutschland ist Spitzenreiter in Sachen Globalisierung, pflegt enge Verflechtungen mit den wichtigsten Volkswirtschaften der Welt. Das könnte sich in den kommenden Jahrzehnten noch stärker auszahlen. Mit Investitionen in Schwellenländern, einer engen Verzahnung mit hochspezialisierten, internationalen Unternehmen und hohen Investitionen in die Forschung stellt die deutsche Industrie die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft.

Wir sind Globalisierungssieger – und ja, das darf man ruhig im doppelten Sinne verstehen. Nicht nur ist die deutsche Wirtschaft stärker mit anderen Volkswirtschaften vernetzt als etwa die USA (Platz 3) oder Hongkong (Platz 2). Sie profitiert davon auch im besonderen Maße. Noch hinken die technischen und vor allem politischen Rahmenbedingungen der Leistungsfähigkeit der deutschen Unternehmen in Sachen internationaler Vernetzung hinterher. Doch sobald die Entwicklung auf diesen Feldern nachzieht, könnte die Industrie von ihrer Aktivität auf den Weltmärkten in den letzten Jahren noch stärker als bisher profitieren.

Aktive Kooperationen mit anderen Ländern

Ein fiktives Beispiel: Da gibt es einen Betrieb, der Systeme zur Gewinnung, Speicherung und zum Transport von erneuerbarer Energie entwickelt. Weil die natürlichen Möglichkeiten in Deutschland begrenzt sind, testet er seine Systeme auch in Afrika und Asien. Dort hat er inzwischen ein Netzwerk aus Spezialisten, Zulieferern, Arbeitern, Forschern und Investoren aufgebaut, die aus Deutschland, aber auch aus vielen anderen Ländern der Welt kommen.

Teilweise setzt das Unternehmen auf Kooperationen, teilweise investiert es in eigene Anteile an ausländischen Firmen (deutsche Unternehmen hielten 2012 Beteiligungen in Höhe von 290 Milliarden Euro). Das Unternehmen nutzt diese Kooperationen und Beteiligungen, um seine Produkte weiterzuentwickeln – und kommt so deutlich schneller voran. Warum? Weil er vorhandenes Wissen nutzen kann und es nicht mühsam und zeitintensiv im eigenen Unternehmen aufbauen muss. Zugleich reduziert es Kosten, weil nicht jede Entwicklungssparte im eigenen Unternehmen etabliert werden muss. Und beinahe nebenbei werden neue Märkte mit interessanten Kunden erschlossen, denn viele Partner kommen aus Ländern, in denen Systeme zur Nutzung von Sonnen- oder Windenergie sehr viel effektiver eingesetzt werden können als in Deutschland.

So wie unser Beispielunternehmen machen sich zahlreiche deutsche Industrieunternehmen seit vielen Jahren das Know-how internationaler Partner zunutze und etablieren sich zugleich auf fremden Märkten.

Und das wird sich in Zukunft als mehrheitlich kluge Investition erweisen. Um das Wachstum der deutschen Wirtschaft stabil zu halten oder zu steigern, werden die Betriebe weniger als bisher auf die Faktoren Arbeitskraft und Kapital setzen können. Die Bevölkerung wird älter und schrumpft, womit auch der Anteil der Erwerbsfähigen stetig sinkt. Um weiter zu wachsen und international wettbewerbsfähig zu bleiben, wird es in Zukunft deshalb stärker auf technischen Fortschritt ankommen. Und der ist wesentlich abhängig vom vorhandenen Wissen in den Unternehmen. Indem sie schon jetzt Netzwerke aufbauen, die aktuellstes und hochspezialisiertes Wissen bündeln, stellen die Unternehmen die Weichen für eine erfolgreiche internationale Zukunft.

Investitionen in die Forschung

Und dabei fahren sie mehrgleisig. Neben dem Aufbau der internationalen Netzwerke investiert die deutsche Wirtschaft massiv in Forschung und Wissenschaft und verhindert so unter anderem, abgehängt zu werden, falls ausländische Netzwerke temporär oder regional zusammenbrechen.
Nehmen wir an, die heutigen Schwellenländer schafften den Sprung zu Industrienationen – etwa jene, mit denen unser Beispielunternehmer arbeitet. Sie würden die Kooperationen mit unserem Energieunternehmen unter Umständen aufkündigen, um die Ressourcen an Wissen und Arbeitskraft selbst zu nutzen – und um in direkte Konkurrenz zu treten. Unserem Energieunternehmen erleichtert das zwar die Arbeit nicht, es führt aber auch nicht in den Bankrott, denn wie viele große Industriebetriebe investiert auch das Unternehmen aus unserem Beispiel in die Forschung – und zwar in Größenordnungen, die Deutschland auch in diesem Bereich weltweit einen Spitzenplatz sichert (in den großen Branchen setzen die Unternehmen zwischen 40 und 60 Prozent der Bruttoausrüstungsinvestitionen für die Forschung und Entwicklung ein). Das passiert in den Unternehmen selbst, aber auch durch Kooperationen mit Großforschungseinrichtungen oder Institutionen der angewandten Forschung. So bleibt die deutsche Industrie innovativ und erhält sich die notwendige Wettbewerbsfähigkeit.

Vernetzung auf allen Ebenen

Doch unser Beispielunternehmer beobachtet sehr genau die politischen und technischen Entwicklungen. Er weiß: In Zukunft werden sich vor allem wissensintensive und hochkomplexe Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Um die gewinnbringend anzubieten, braucht es Handlungs- und Handelsfreiräume. Vom aktuell verhandelten Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) verspricht er sich viel. Zum einen profitiert er ganz direkt, wenn der Handel mit amerikanischen Unternehmen weniger Auflagen – auch finanzieller Natur – unterläge. Zum anderen weiß er, dass sich die in TTIP verhandelten Standards auch in folgenden Freihandelsabkommen mit anderen Weltregionen durchsetzen könnten. Das spart Kosten und erleichtert den Markteintritt. Weil der Energieunternehmer für die Erschließung neuer Märkte nicht neue Produkte und Produktionsprozesse entwickeln muss.

Voraussetzung dafür: eine noch größere Geschlossenheit auf europäischer Ebene.

Technisch sind die Industrieunternehmen längst in der Lage, ihre Produktionsstätten und Maschinen über Ländergrenzen hinweg zu vernetzen und damit Produktivität und Effektivität gleichermaßen zu steigern. Allein die politischen und technologischen Rahmenbedingungen fehlen bisweilen noch – oder sind in den verschiedenen Ländern so unterschiedlich, dass sie schlicht inkompatibel sind.

Der Energieunternehmer aus unserem Beispiel jedenfalls steht in den Startlöchern. Mit einer reibungslosen Vernetzung könnte er seine Systeme zur Gewinnung, Speicherung und zum Transport erneuerbarer Energie zunächst digital testen, könnte verschiedene Standorte und Witterungsbedingungen durchspielen. Danach würden für die Testreihen Echtzeitdaten zu den klimatischen, geografischen, technischen und politischen Bedingungen in den jeweiligen Staaten erhoben und so das Produkt innerhalb kürzester Zeit nicht nur für ein Land, sondern für viele potenzielle Kunden hochindividualisiert zur Marktreife gebracht.
Die Weichen sind gestellt, Innovationsfreude und Investitionsbereitschaft sind in der deutschen Industrie hoch. Beste Voraussetzungen also, um von der eigenen Spitzenposition in der globalisierten Wirtschaft in Zukunft noch stärker zu profitieren.