Erstes Gesetz zur Umsetzung von BEPS in nationales Recht

Der deutsche Gesetzgeber macht den ersten Schritt hin zur Umsetzung der G20/OECD-Empfehlungen zur Bekämpfung von Gewinnverlagerungen und -verkürzungen (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS). Im Vordergrund des sogenannten BEPS 1-Gesetzes steht die Stärkung der Transparenz. Dabei sollen das Country-by-Country-Reporting und der automatische Austausch über sogenannte Tax Rulings in nationales Recht implementiert werden. Darüber hinaus enthält der Referentenentwurf Gesetzesverschärfungen, die klare Nichtanwendungsvorschriften über ergangene BFH-Entscheidungen darstellen und keinen BEPS-Bezug haben. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren soll nach der Sommerpause beginnen und bis Ende des Jahres abgeschlossen werden.

Am 1. Juni veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Referentenentwurf zum „Gesetz zur Umsetzung der der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnehmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“. Einen wesentlichen Schwerpunkt stellt dabei die Umsetzung der neuen Vorgaben zur dreiteiligen Verrechnungspreisdokumentation (Master Files, Local Files und länderbezogener Bericht bzw. Country-by-Country-Reportings (CbCR). Die Reform der EU-Amtshilferichtlinie (DAC IV) zur Umsetzung des CbCR gemäß OECD-Empfehlung (BEPS-Aktionspunkt 13) in Europa wurde in der Sitzung des ECOFIN-Rates am 25. Mai 2016 gebilligt. Der Austausch des CbCR mit Drittstaaten basiert auf der Mehrseitigen Vereinbarung (MCAA) vom 27. Januar 2016. Bisher haben 39 Staaten weltweit, davon u. a. 22 EU-Staaten sowie China, Indien, Mexiko, Kanada, Australien, Japan, die MCAA unterzeichnet. Des Weiteren sollen die vom 8. Dezember 2015 beschlossenen Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie (DAC III) und damit der automatische Austausch innerhalb der EU über grenzüberschreitende steuerliche Vorabbescheide und Vorabverständigungen über Verrechnungspreise (APAs) zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Tax Rulings“) in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (BEPS-Aktionspunkt 5 – schädlicher Steuerwettbewerb).

Umsetzung des Country-by-Country-Reportings (BEPS-AP 13)

Die neuen Vorgaben zu den Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten multinationaler Unternehmen sollen zukünftig in § 90 Abs. 3 AO-E (Erstellung eines Master Files und Local Files) und in einer neuen Vorschrift, § 138a AO-E, zum automatischen Austausch der länderbezogenen Berichte (CbCR) geregelt werden. Ziel ist es dabei, inhaltlich den Vorgaben des OECD-Abschlussberichts zum BEPS-Aktionspunkt 13 zu folgen. Insbesondere im Hinblick auf den Austausch der länderbezogenen Berichte ist es wichtig, dass die betroffenen Unternehmen ihre Berichtspflichten weltweit erfüllen können.

  • Stammdokumentation (Master File)
    Die Stammdokumentation soll einen Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe sowie über die angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung geben. Zur Erstellung des Master Files sollen Unternehmen verpflichtet sein, die im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen Umsatz von mindestens 100 Millionen Euro erzielt haben. Dieses Kriterium ist für jede einzelne Gesellschaft (nicht den Konzern) zu prüfen. Gemäß Gesetzesentwurf ist die Dokumentation auf Anfrage der Finanzbehörde innerhalb von 60 (bzw. 30) Tagen nach Anforderung vorzulegen.

  • Länderspezifische, unternehmensbezogene Dokumentation (Local File)
    Der Inhalt des Local Files gliedert sich in eine Sachverhaltsdokumentation (Darstellung der Geschäftsvorfälle) und eine Angemessenheitsdokumentation (Auswahl und Anwendung der verwendeten Verrechnungspreismethoden sowie Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung). Die Dokumentationen sind auch auf Anfrage der Finanzbehörde innerhalb von 60 (bzw. 30) Tagen nach Anforderung vorzulegen. Genauere Angaben zum Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen für den Master File und Local File werden jedoch erst durch eine Anpassung der GAufzV weiter konkretisiert. Einen Entwurf dazu hat das BMF noch nicht vorgelegt.

  • Länderbezogener Bericht (CbCR)
    Berichtspflichtig sind multinationale Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland, die mindestens eine ausländische Gesellschaft oder Betriebsstätte haben und deren konsolidierte Umsatzerlöse im vorangegangenen Wirtschaftsjahr laut Konzernabschluss mindestens 750 Mio. EUR betragen. Darüber hinaus soll ein Sekundärmechanismus für Tochtergesellschaften greifen, sofern Deutschland keinen länderbezogenen Bericht der ausländischen Konzernmuttergesellschaft erhalten hat. Bisher sieht der Entwurf vor, dass lediglich konsolidierte Gesellschaften bei der Erstellung des CbCR berücksichtigt werden müssen (auf Basis des Konzernabschlusses). In Bezug auf Inhalt und Umfang entsprechen die Anforderungen den Mindeststandards des OECD-Abschlussberichts und den Vorgaben der EU-Amtshilferichtlinie (DAC IV).

Das CbCR soll erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen, erstellt werden (Ausnahme beim Sekundärmechanismus nach dem 31. Dezember 2016). In der Steuererklärung ist anzugeben, welche Gesellschaft des Konzerns die Berichte erstellt und einreicht. Der länderbezogene Bericht ist bis spätestens zwölf Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln. Anschließend soll der automatische Austausch mit den Finanzbehörden der anderen Länder erfolgen.

Obwohl das BMF bisher von weitgehenden Strafen bei Nichtabgabe des CbCR absehen wollte, orientierte man sich nun an der Vorgehensweise auf EU-Ebene. Falls ein CbCR trotz bestehender Verpflichtung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt und übermittelt wird, soll diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 5.000 EUR geahndet werden (§ 379 AO). Vergleicht man die OECD-Empfehlungen zur BEPS-Maßnahme 13, die EU-Richtlinie (DAC IV) sowie den Referentenentwurf zum § 138a AO-E, ist festzustellen, dass nicht alle Begrifflichkeiten vollumfänglich deckungsgleich verwendet werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten daher die nationalen Anforderungen ausdrücklich mit den G20/OECD-Empfehlungen übereinstimmen.

Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die an den deutschen Fiskus gelieferten Daten von anderen Staaten nicht als Erfüllung der CbC-Reporting-Anforderungen angesehen werden und die betroffenen Unternehmen erneut und umfassender an Drittstaaten liefern müssen (ggf. auch Strafzahlungen ausgesetzt sind). Lediglich in den Bereichen, in denen auch der OECD-Bericht verschiedene Möglichkeiten bzw. Auslegungen zulässt, ist Raum für nationale Interpretationen und Erleichterungen. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren soll nach der Sommerpause beginnen und bis Ende des Jahres abgeschlossen werden.

Automatischer Austausch von sogenannten Tax Rulings

Die nationale Umsetzung zum automatischen Austausch über grenzüberschreitende Vorabbescheide und Vorabverständigungen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Tax Rulings“) wird durch Änderung des EU-Amtshilfegesetzes erfolgen. Darunter zählen Vereinbarungen, Mitteilungen und andere Instrumente und Vereinbarungen mit ähnlicher Wirkung. Nach der Gesetzesbegründung fallen darunter u. a. Auskünfte nach § 89 AO und Vorabverständigungsverfahren nach § 178a Abs. 1 AO. Dabei werden die folgenden Informationen zwischen den Finanzverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht:

  • Angaben zur Person und ggf. Personengruppe, ­
  • Zusammenfassung zum Inhalt mit Beschreibung der relevanten Geschäftstätigkeiten oder Transaktionen (soweit dies nicht Geschäfts- und Berufsgeheimnisse verletzt), ­
  • Datum der Erteilung, Art und Geltungsdauer des Tax Rulings, ­
  • Betrag, ­
  • Verrechnungspreisermittlung (Kriterien, Verfahren etc.).

Zu beachten ist, dass auch alte Tax Rulings betroffen sind, die in einem Zeitraum von fünf Jahren vor dem 1. Januar 2017 erteilt, getroffen, geändert oder erneuert wurden. Rulings aus 2012 und 2013 sind nur dann zu übermitteln, wenn diese am 1. Januar 2014 noch gültig waren, spätere Rulings aus den Jahren 2014-2016 unterliegen unabhängig von ihrer Gültigkeit der Übermittlungspflicht. Eine Ausnahme besteht bei Tax Rulings vor 2016 für Personen/Personengruppen, deren gruppenweiter Jahresnettoumsatz im Vorjahr < 40 Millionen Euro war und die nicht hauptsächlich Finanz- und Investitionstätigkeiten ausüben.

Zahlreiche Nichtanwendungsvorschriften

Weiterhin enthält der Referentenentwurf vier gesetzliche (Neu-)Regelungen nach ergangenen BFH-Entscheidungen, die keinen unmittelbaren Bezug zum BEPS-Projekt aufzeigen:

  • Die Rückfallklausel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode soll nunmehr nach § 50d Abs. 9 EStG-E auch dann greifen, „soweit“ (nicht mehr „wenn“) bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dies betrifft freigestellte Einkünfte aus Qualifikationskonflikten, die im anderen Staat einer Nicht- oder Niedrigbesteuerung unterliegen.
  • Der Inhalt des Fremdvergleichsgrundsatzes, der in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthalten ist, soll sich zukünftig ausschließlich nach den Regeln des § 1 Abs. 1 Satz 5 AStG-E richten (Wirkung eines „Treaty Override“).
  • Der Hinzurechnungsbetrag gemäß AStG soll Teil des Gewerbeertrages einer inländischen Betriebsstätte sein (§ 7 Satz 7-9 GewStG-E).
  • Nach § 7a GewStG-E soll die Gewinnerhöhung nach § 8b Abs. 5 KStG (5 Prozent nicht abziehbare Betriebsausgabe) bei der Gewerbeertragsermittlung des Organträgers auch auf Dividendenerträge der Organgesellschaft vorgenommen werden.

In den Entscheidungen ist jeweils zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden worden. Die Urteile durch eine Gesetzesänderung bzw. Gesetzesverschärfung zu überschreiben, sind abzulehnen. Insbesondere die isolierte Änderung im Gewerbesteuergesetz ohne eine Reform der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG greift zu kurz. Die Grenze der Niedrigbesteuerung von 25 Prozent ist im Hinblick auf zunehmend geringere Körperschaftsteuersätze in Europa längst nicht mehr angemessen und sollte dringend im AStG angepasst werden.

Schließlich finden mit den vier materiell-rechtlichen Steuerverschärfungen neue Regelungen Eingang in den Referentenentwurf, die in keinem Zusammenhang mit dem BEPS-Umsetzungsprozess stehen. Diese ursprünglich vom BDI geäußerten Befürchtungen, dass mit dem BEPS-Umsetzungsprozess auch weitere Steuererhöhungsvorschläge verbunden werden, sind – trotz aller gegenteiliger Beteuerungen von Politik und Finanzverwaltung – bedauerlicher Weise gleich beim ersten Aufschlag des Bundesfinanzministeriums zur BEPS-Umsetzung eingetreten. Dabei sind die weitere Gesetzesverschärfungen, die keinen unmittelbaren Bezug zu den BEPS-Maßnahmen haben oder darüber hinausgehen, in diesem Gesetzgebungsverfahren weder zielführend noch ermöglichen sie ein „Level-playing-field“ für Deutschland und die Unternehmen.

Zu begrüßen ist jedoch die zügige Umsetzung der OECD- und EU-Vorgaben im Hinblick auf das BEPS-Projekt in nationales Recht, um für die Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei sollten jedoch die bürokratischen und administrativen Mehrbelastungen für die Unternehmen auf ein Mindestmaß begrenzt bleiben.