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EU-Handelsabkommen mit Kanada bekräftigt Regulierungshoheit der Staaten

Am 29. Februar 2016 haben EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und ihre kanadische Amtskollegin Chrystia Freeland die rechtliche Überprüfung des CETA abgeschlossen und den finalen Vertragstext vorgelegt. Er enthält auch ein überarbeitetes Investitionskapitel. Der BDI hat eine Kurzbewertung vorgenommen.

Mit dem Vertragstext stellen die EU und Kanada einen modernen Mechanismus zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor. Die Ausgestaltung sieht die Einrichtung eines stehenden Investitionsgerichtshofes vor, wie ihn die Europäische Kommission auch für TTIP vorgeschlagen hat.

Materielle Schutzstandards

Das right to regulate der Staaten wird in CETA deutlich bekräftigt (etwa in Artikel 8.9). Dabei wird insbesondere klargestellt, dass entgangener Profit oder die Enttäuschung einer Profiterwartung alleine keinen Verstoß gegen das Investitionsschutzkapitel darstellen. CETA schützt speziell auch die Möglichkeit, Subventionen zu zahlen oder zu entziehen (etwa Artikel 8.9 Abs. 4). CETA gewährt ausländischen Investoren Inländerbehandlung (Artikel 8.6) und Meistbegünstigung (Artikel 8.7) allerdings nicht bezüglich prozeduraler Regeln (ISDS). Auch wird gerechte und billige Behandlung garantiert (Artikel 8.10). Allerdings zählt eine Liste auf, was genau eine unfaire beziehungsweise eine unbillige Behandlung sein müsste, um ein Klagegrund darzustellen. Das Investitionskapitel enthält keine Schirmklausel (umbrella clause). Allerdings kann es bei der Feststellung des Vorliegens ungerechter beziehungsweise unbilliger Behandlung eine Rolle spielen, ob der Staat durch den Bruch von Zusagen Erwartungen des Investors verletzt hat (Artikel 8.10 Abs. 4).

Insgesamt entspricht das Schutzniveau in etwa dem Standard, der auch im TTIP-Vorschlag der Europäischen Kommission verankert ist. Der BDI begrüßt moderne Schutzstandards, die im Vergleich zu älteren IFV die Schutzrechte präziser definieren. Viele Formulierungen in CETA sind positiv zu bewerten, allerdings gibt es auch Grund zur Sorge. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer ungerechten beziehungsweise unbilligen Behandlung sind sehr hoch gesteckt. Was Formulierungen wie manifest arbitrary in der Praxis bedeuten beziehungsweise wie ein solcher Tatbestand nachgewiesen werden kann, lässt sich noch nicht abschätzen.

Schiedsverfahren

Wie schon beim TTIP-Vorschlag der Europäischen Kommission soll es ein ständiges Tribunal geben, das vom ICSID-Sekretariat unterstützt werden soll. Dieses Tribunal soll grundsätzlich aus 15 Richtern bestehen, von denen fünf aus der EU, fünf aus Kanada und fünf aus Drittländern kommen soll. Das CETA Joint Committee soll die Richter für eine fünfjährige Amtszeit ernennen und kann die Gesamtzahl der Richter erhöhen. Jeder Fall wird von drei Richtern entschieden (je einer aus EU, Kanada und einem Drittland). An die Schiedsrichter werden hohe ethische Anforderungen gestellt (Artikel 8.30). Wie auch der TTIP-Vorschlag der EU-Kommission sieht CETA außerdem einen Berufungsmechanismus vor (Artikel 8.28). Dieser soll mit In-krafttreten des Abkommens eingerichtet werden. Neben dem ständigen Tribunal ist dies die wichtigste Neuerung im Vergleich zu dem ursprünglichen Vertragstext, der 2014 vorgelegt worden war. Es sind hohe Transparenzstandards vorgesehen, die sich an den UNCITRAL-Transparenz-Regeln orientieren (Artikel 8.36). CETA nennt explizit das Ziel, gemeinsam mit anderen Handelspartnern einen multilateralen Investitionsgerichtshof einzurichten (Artikel 8.29). Es wird klargestellt, dass der Investitionsgerichtshof keine bindende Auslegung nationalen Rechts vornehmen kann (Artikel 8.31). CETA hält fest, dass Urteile, die im Rahmen des Investitionskapitels ergehen, Urteile im Sinne der New York Convention sind (Artikel 8.41). Wenn diese Urteile als derartige Urteile anerkannt werden, wären sie weltweit in allen Unterzeichnerstaaten dieser Konvention vollstreckbar. Die Verfahrenskosten sollen unter CETA von der unterlegenen Partei getragen werden (Artikel 8.39 Abs. 5). Diese loser pays-Regel kann vor ungerechtfertigten Klagen schützen.

Grundsätzlich steht der BDI der Einrichtung eines reformierten Schiedsverfahrens in Form eines stehenden Investitionsgerichtshofs offen gegenüber. Allerdings sind auch hier noch einige Fragen ungeklärt. Problematisch ist, dass Unternehmen nicht bei der Auswahl von Schiedsrichtern einbezogen werden. Außerdem dürfte eine vorgeschlagene Liste von 15 Schiedsrichtern nicht ausreichen, um genügend qualifizierte Richter für verschiedenste Fälle zur Auswahl zu haben. Ob die Urteile der neuen Institution international vollstreckbar sein werden, bleibt noch offen. Offen ist außerdem, wie der Weg hin zu einem multilateralen Investitionsgerichtshofs weitergehen kann. CETA wird nun in alle EU-Amtssprachen übersetzt und anschließend dem Rat der EU zur Entscheidung vorgelegt. Nach der Zustimmung des Rates wird das Abkommen dem Europäischen Parlament übermittelt. Wenn das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmt und die Ratifizierung auf kanadischer Seite abgeschlossen ist, kann CETA vorläufig in Kraft treten. Die formelle Entscheidung, ob es sich bei CETA um ein „gemischtes Abkommen” handelt und damit auch die Ratifizierung in den EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, steht noch aus. Die EU-Kommission hat sich zuversichtlich gezeigt, dass das Abkommen noch 2016 unterzeichnet werden kann und 2017 in Kraft treten wird.