„Europa ist ein einzigartiges Netzwerk zum gegenseitigen Vorteil“

Auf der Hannover-Messe warnte BDI-Präsident Dieter Kempf davor, die EU zum Sündenbock zu machen. Stattdessen müssten die Gefahren durch weltwirtschaftliche Unsicherheiten und Protektionismus in den Blick genommen werden.

Der BDI erwartet für das laufende Jahr einen moderaten Aufschwung, den jedoch weltwirtschaftliche Unsicherheiten gefährden. „Der BDI rechnet für 2017 mit einem Wachstum der realen Wirtschaftsleistung von 1,5 Prozent und 500.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Die Frage bleibt, ob der Aufschwung robust genug ist, um den vielfältigen Risiken zu trotzen, die unsere Exportnation bedrohen.“ Das sagte BDI-Präsident Dieter Kempf auf der Hannover-Messe 2017.  

Zu den Treibern des Wirtschaftswachstums zählt der BDI die rege Bau- und Forschungstätigkeit der Unternehmen sowie leicht anziehende Ausrüstungsinvestitionen der Wirtschaft. Dagegen wachsen die deutschen Ausfuhren nur verhalten: „Unterm Strich werden die deutschen Exporte von Waren und Dienstleistungen gegenüber dem Vorjahr zwar zulegen – jedoch nur leicht um real zwei Prozent“, erklärte Kempf. „Insgesamt sind wir von einer Rückkehr zu dynamischem Wachstum der deutschen Ausfuhren noch weit entfernt.“  

Der BDI-Präsident warnte vor der weltweiten Zunahme von Protektionismus als großem konjunkturellen Risiko für die deutsche Industrie. Es sei besonders beunruhigend, dass in der Handelspolitik versöhnliche Signale des wichtigsten Exportpartners USA – mit einem Anteil von zuletzt neun Prozent – weiterhin ausblieben.   Kempf wies die Drohungen von US-Präsident Trump nach einem harten Vorgehen mit Strafzöllen gegenüber Handelspartnern wie Deutschland zurück: „Damit vergrößert Trump die Unsicherheit, die Investoren abzuschrecken droht. Abschottung würde allen schaden – vor allem den USA selbst.“  

Der BDI-Präsident forderte von den Parteien im beginnenden Bundestagswahlkampf konkrete Konzepte, wie sich der deutsche Standort mit besseren Bedingungen für private Investitionen und eine kontinuierliche Stärkung der öffentlichen Investitionen voranbringen ließe. „Die Politik muss mehr Wirtschaft wagen. Eine Investitionsoffensive ist möglich – zum Beispiel mit der Einführung einer echten steuerlichen Forschungsförderung, durch einen zügigen weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur wie Breitband und 5G sowie durch die Belebung der energetischen Gebäudesanierung.“  

Kempf nannte Europa „ein einzigartiges Netzwerk zum gegenseitigen Vorteil“. Es sei grundfalsch, „wenn Politiker jeglicher Couleur aus den Mitgliedsstaaten Europa zum Sündenbock für selbst verursachte Probleme machen“. Es könne nur eine Devise geben: Europa zusammenzuhalten und den Wirtschaftsraum zu stärken. Es sei entscheidend, die Vorteile der EU für jeden Einzelnen herauszustellen: „Pluspunkte gibt es mit dem Ausbau eines digitalen Binnenmarkts und eines Energie-Binnenmarkts für preisgünstigere, nachhaltigere und sicherere Energieversorgung sowie durch eine harmonisierte Unternehmensteuer zur Bekämpfung von Steuerflucht.“  

Mit Blick auf das Messe-Partnerland Polen betonte Kempf, dass sich gerade die mittel- und osteuropäischen Wirtschaftspartner unter europäischen Vorzeichen sehr dynamisch entwickelten. „Allein auf unseren Messepartner entfällt mittlerweile ein Handelsvolumen von mehr als 100 Milliarden Euro.“ Das sei mehr, als Deutschland jeweils mit Österreich oder der Schweiz ex- und importiert. Im deutschen Export-Ranking liegt Polen auf Platz acht, bei den Importländern sogar auf Platz sechs.