Regierungspapier zur Neuregelung des Investitionsschutzes innerhalb der EU

Rund die Hälfte der deutschen Auslandsinvestitionen liegt in EU-Mitgliedsländern. Viele dieser Investitionen genießen den Schutz durch Investitionsförder- und -schutzverträge (IFV). Die EU-Kommission beabsichtigt, diese Intra-EU-IFV zu kündigen. Im Mai wurden Pläne mehrerer EU-Staaten zur Neuregelung des Investitionsschutzes bekannt. Das Papier weist in die richtige Richtung.

Wie am 18. Mai öffentlich bekannt wurde, hat eine Gruppe von fünf EU-Staaten Vorschläge zur Ausgestaltung einer Ersatzregelung für die voraussichtlich wegfallenden Investitionsschutzverträge zwischen EU-Staaten (Intra-EU-Investitionsförder- und -schutzverträge/Intra-EU-IFV) ausgearbeitet. Die Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Österreichs und Finnlands haben ein entsprechendes „Non-Paper“ erstellt.

Etwa die Hälfte der deutschen Auslandsinvestitionen liegt in den Mitgliedsländern der Europäischen Union. Deutschland hat 14 Intra-EU-IFV abgeschlossen. In den Vertragsstaaten innerhalb der EU genießen deutsche Investoren einen besonderen Rechtsschutz. EU-weit bestehen 190 solcher Intra-EU-IFV. 37 Prozent der im vergangenen Jahr weltweit eingereichten Investor-Staat-Schiedsklagen richten sich von Investoren aus EU-Mitgliedsländern gegen EU-Staaten. Die Europäische Kommission hält die Intra-EU-IFV allerdings für unvereinbar mit Europarecht und hat die Mitgliedstaaten am 18. Juni 2015 schriftlich dazu aufgefordert, diese IFV zu kündigen. Auch beim Wegfall der Intra-EU-IFV darf das Schutzniveau für deutsche Investoren im EU-Ausland nicht sinken.

Das nun öffentlich gewordene Non-Paper entstand auf der Grundlage eines Treffens von Regierungsvertretern der fünf EU-Staaten am 1. Oktober 2015. Darin werden sowohl Vorschläge zum Auslaufen der bestehenden Intra-EU-IFV als auch für die Etablierung eines multilateralen Instruments zum Schutz grenzüberschreitender Investitionen innerhalb der EU unterbreitet.

Um die Terminierung der bestehenden Intra-EU-IFV koordiniert gestalten zu können, sei nach Einschätzung der fünf Regierungen das parallele Errichten eines multilateralen Schutzinstruments hilfreich. Auch aus BDI-Sicht sollten Schutzlücken vermieden werden. Ein reibungsloser Übergang des Schutzes deutscher Investitionen durch deutsche IFV auf den Schutz durch einen multilateralen Vertrag wäre wünschenswert. Ebenso wünschenswert ist die Forderung der fünf Staaten, dass bereits eingeleitete Verfahren von dem Übergang möglichst nicht betroffen sein sollen.

Für die Ausgestaltung des Investitionsschutzes nach der Kündigung der bestehenden Intra-EU-IFV fordert das Non-Paper ein angemessenes Schutzniveau in materieller und in prozeduraler Hinsicht. Negativ im Hinblick auf das materielle Schutzniveau ist der Wunsch, dass die einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer parlamentarischen Entscheidungsverfahren auf den nachwirkenden Schutz der gekündigten IFV im Rahmen der Nachwirkungsfristen verzichten sollen. Diese Nachwirkungsfrist ist in den bestehenden Intra-EU-IFV vorgesehen und war daher ein Element des Rechtsrahmens, innerhalb dessen deutsche Auslandsinvestitionen erfolgten. Je nach konkreter Ausgestaltung des neuen Schutzinstruments könnte durch den Wegfall der Nachwirkungsfrist das Schutzniveau für bereits getätigte Investitionen abrupt absinken. Der Vertrauensschutz für bereits getätigte Investitionen muss gewahrt bleiben. Als Argumente für einen alternativen Investitionsschutz nennt das Papier etwa die Vermeidung von Diskriminierungen von Investoren aus verschiedenen EU-Staaten sowie die Möglichkeit, im Zuge der Einführung eines neuen Schutzinstruments moderne Standards im Investitionsschutz auch zwischen den EU-Staaten etablieren zu können. Positiv ist die Feststellung der fünf Staaten, dass im Lichte einer ersatzlosen Terminierung der Intra-EU-IFV seitens der EU die öffentliche Argumentation für ein gutes Investitionsschutzkapitel in TTIP schwer fallen dürfte. Bezüglich der materiellen Rechte fordert das Papier den Schutz gegenüber unfairer Behandlung und vor kompensationsloser Enteignung, wobei die Formulierungen so präzise sein sollen wie etwa im Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Investitionsschutzkapitel in TTIP. Ein mit dem TTIP-Vorschlag vergleichbarer materieller Schutz wäre grundsätzlich im Interesse der deutschen Industrie, wobei einige Korrekturen vorgenommen werden müssten.

Im Hinblick auf die prozeduralen Regelungen eines Instruments zum Schutz deutscher Investitionen im EU-Ausland schlagen die Staaten den grundsätzlichen Vorrang innerstaatlicher Rechtsprechung vor. Hierbei sollte aber aus Sicht der Industrie bei der konkreten Ausgestaltung darauf geachtet werden, dass die Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs nicht verbindlich ist. Der Vorschlag zur Etablierung eines Mediationsverfahrens wird vom BDI begrüßt, in der konkreten Ausgestaltung sollte es allerdings ein freiwilliges Instrument sein. Das wird im Non-Paper allerdings auch angedeutet. Anstatt der im völkerrechtlichen Investitionsschutz traditionell üblichen Ad-hoc-Schiedsgerichte schlagen die fünf Staaten vor, die Beilegung konkreter Streitfälle an eine stehende Institution zu übertragen. Sie bringen drei Möglichkeiten ins Spiel. Die Übertragung dieser Aufgabe an den Europäischen Gerichtshof ist eine dieser Optionen, allerdings sei unsicher, ob dies im Rahmen der Europäischen Verträge möglich sei. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einbindung des Europäischen Patentgerichts. Diese Lösung halten die fünf Staaten zwar in technischer Hinsicht für die probateste Lösung, sie sei aber in einem angemessenen Zeitrahmen nicht zu realisieren. Am vorzugswürdigsten halten die Staaten die Beauftragung des Ständigen Schiedsgerichtshofs (PCA) in Den Haag, wobei sich dieser bei der Urteilsfindung eines Mechanismus bedienen soll, der dem TTIP-Vorschlag der Europäischen Kommission ähnelt. In einem Streitfall sollen die bereits von den Staaten bestellten Schiedsrichter des PCA mit der Urteilsfindung betraut werden. Der Einführung eines stehenden Investitionsgerichtshofs steht der BDI, wie auch beim TTIP-Vorschlag der Europäischen Kommission, grundsätzlich offen gegenüber. Allerdings sollten aus Sicht der Industrie bei der Ausgestaltung einige Rahmenbedingungen eingehalten werden. So sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, dass – wie bei Schiedsverfahren üblich – die Investoren Einfluss auf die Auswahl von mindestens einem Schiedsrichter einer dreiköpfigen Spruchkammer haben.

Insgesamt weist das Non-Paper der fünf Staaten in die richtige Richtung. Durch einen ersatzlosen Wegfall der Intra-EU-IFV würde der Schutz eines Großteils der deutschen Auslandsinvestitionen schlagartig sinken. Die fünf Staaten haben dieses Problem erkannt und Vorschläge zur Vermeidung dieser Gefahr formuliert. Jetzt kommt es darauf an, dass die Europäische Kommission diese Vorschläge aufgreift und im Dialog mit der Wirtschaft weiterentwickelt.