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Industrie braucht mehr Schiene – mehr Schiene braucht Politik

Laut und von überall her tönt der Ruf: „Mehr Güter auf die Schiene!“. In der Industrie hat die Schiene schon lange Konjunktur. Die deutsche Wirtschaft ist nicht nur auf die Schiene angewiesen, sondern wird dies in Zukunft noch mehr sein: Welthandel und Transportmengen werden weiterwachsen und die Logistikketten müssen zunehmend CO2-neutral sein.

In Politik und Öffentlichkeit werden jedoch zwei Dinge häufig unterschätzt: Erstens, die hohe Bedeutung, die der Schienengüterverkehr für die industrielle Wertschöpfung in Deutschland hat. Zweitens, wie unglaublich groß die Herausforderungen sind, die es zu meistern gilt, wenn die Schiene bis 2030 einen Anteil von 25 Prozent des Güterverkehrs stemmen soll.

Für zahlreiche Transportaufgaben ist die Schiene schon heute die erste Wahl:

  • Sie ist konkurrenzlos effizient, um große Mengen und schwere Güter über lange Strecken zu transportieren.
  • Ihre Stärken ausspielen kann sie auch im landseitigen Transport der Abermillionen Container, die die europäischen Seehäfen jedes Jahr per Schiff im Import erreichen und im Export verlassen.
  • Das flächige System des Einzelwagenverkehrs ist das Rückgrat vieler deutscher Schlüsselindustrien und ein Alleinstellungsmerkmal unseres Industriestandorts; der Einzelwagenverkehr ermöglicht es den Kunden, nicht nur komplette Züge, sondern auch einzelne Wagen befördern zu lassen.
  • Für Gefahrgüter ist die Schiene aufgrund ihres hohen Sicherheitsniveaus attraktiv.
  • Der Schienentransport ist klimafreundlich und ermöglicht es, große Mengen an CO2 in Logistikprozessen einzusparen.

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Größtes Wachstumspotential im gebrochenem Verkehr

Eine besondere und stark wachsende Form des Schienengüterverkehrs findet im Rahmen so genannter „gebrochener“ bzw. „intermodaler“ Verkehre statt. Es handelt sich dabei um Transportketten, bei denen von der Schiene auf den Lkw umgeladen werden muss, weil entweder der Versender, der Empfänger oder beide über keinen eigenen Gleisanschluss verfügen. Wie viele Versender und Empfänger dies betrifft, macht die Anzahl der Zugangspunkte zum deutschen Schienennetz deutlich: Zugänge zum Schienennetz gibt es rund 2.000 bei gleichzeitig aber bundesweit mehr als 700.000 Unternehmen des produzierenden Gewerbes.

Das Umladen der Güter vom einen auf den anderen Verkehrsträger kostet allerdings Zeit, Personal und Effizienz, bindet Ressourcen und macht den Transport insgesamt anfälliger für Störungen. Gegenüber reinen Straßentransporten sind Flexibilität, Planbarkeit und Transportgeschwindigkeit bei der Schiene in der Regel deutlich geringer ausgeprägt. All dies zusammen macht gebrochene Verkehre heute noch für sehr viele Transportaufgaben unattraktiv. Gleichzeitig liegt aber das größte Wachstumspotential im Bereich Schiene ausgerechnet im Bereich gebrochener Verkehre – genauer gesagt im Segment „Kombinierter Verkehr“, welcher sich durch den Einsatz mindestens zweier unterschiedlicher Verkehrsträger definiert.

Was muss Politik tun?

Um den Gütertransport auf der Schiene voranzutreiben, muss die Politik die notwendigen Rahmenbedingen schaffen. Ziel muss es sein, dass der Eisenbahnsektor in die Lage versetzt wird…

  • die Stärken der Schiene besser zu nutzen,
  • mit Qualität und Verlässlichkeit zu punkten und
  • sein Fähigkeiten-Portfolio (in Bezug auf mehr Flexibilität und in Richtung zeitsensibler, leichter Waren und Güter) auszubauen.

Hierfür erforderlich sind massive öffentliche Investitionen insbesondere in den Ausbau und die Modernisierung des Netzes einschließlich der Terminalinfrastruktur. Die Kapazitäten im System müssen ausgebaut, Innovationen zur Marktreife gebracht, Kundenorientierung und Digitalisierung vorangetrieben sowie Effizienzpotentiale zum Beispiel bei der Be-, Um- und Endladung gehoben werden. Die Abläufe im Kombinierten Verkehr müssen gegenüber dem reinen Lkw-Verkehr deutlich wettbewerbsfähiger werden. Den Einzelwagenverkehr gilt es, zu sichern und zu stärken. Auch müssen die administrativen Verfahren für die Errichtung von Gleisanschlüssen vereinfacht werde

Die Herausforderungen sind gewaltig und vielfältig. Wie es gelingen kann, sie zu meistern, haben Bundesregierung, Eisenbahnsektor und verladende Industrie in den 2017 und 2021 erarbeiteten Masterplänen gemeinsam aufgeschrieben. Der BDI hat hieran mitgewirkt.

Zufriedene Kunden sind ein Aushängeschild für den Verkehrsträger Schiene

Die größte Herausforderung der kommenden Dekade wird es sein, Ausbau und Modernisierung des Netzes so aufzusetzen, dass sie Hand in Hand mit einem möglichst reibungslosen und verlässlichen Betrieb gehen. Der Schienengüterverkehr darf nicht durch Baustellen-bedingte Einschränkungen ausgebremst werden. Nichts schmälert die Attraktivität der Schiene für potenzielle neue Kunden mehr als enttäuschte Bestandskunden. Dafür muss die Mammutaufgabe Infrastrukturausbau eng mit dem Eisenbahnsektor und den verladenden Unternehmen abgestimmt werden.

Die Verlagerung auf die Schiene klappt nur dann, wenn das System Schiene an Attraktivität gewinnt und die Kunden einen Anreiz haben, umzusteigen. Schließlich sind die Unternehmen auf Qualität, Verlässlichkeit und Effizienz in logistischen Prozessen angewiesen.