Wie das Ladekabel sprechen lernte

Innovationen made in Germany: Was deutsche Unternehmer am Markt für Elektromobilität bewegen – und damit auch internationale Standards setzen.

Malerisch schlängelt sich das Flüsschen Olpe durch das Bilsteiner Land, entlang an kleinen Dörfern und umgeben von Tannen- und Buchenwäldern. Die Luft ist kühl und frisch, alles ist noch ruhig morgens um halb acht im sauerländischen Kirchhundem. Aus der Ferne rollen die ersten Firmenwagen heran – Betriebsbeginn beim „Stecker-König“ Mennekes. Aber alles, was man beim Heranfahren hört, ist ein leises Rauschen. Denn die Wagen fahren elektrisch.

Inmitten dieser Idylle ist eine Weltfirma zu Hause, die mit Industriesteckvorrichtungen groß geworden ist und heute in dritter Generation den internationalen Markt beliefert. Bekannt wurde das Unternehmen vor allem als Pionier für Elektromobilitätslösungen: Mennekes hat das als Standard für Europa definierte Ladesteckvorrichtungs-System Typ 2 entwickelt, das die EU-Kommission im Jahr 2014 für alle elektrischen Neuzulassungen ab 2017 festgelegt hat. Das Ladesystem hinter dem Ladestecker ist ebenfalls europaweiter Standard – das von der Automobilindustrie entwickelte Combined Charging System CCS. Das System umfasst einen Typ-2-Stecker für Wechselstromladen, einen Combo2-DC-Stecker für Gleichstromladen, die entsprechende Anschlussdose und die notwendige Steuerung des Ladeprozesses und der Abrechnung. Daneben bieten die Kirchhundemer Ladekabel an sowie komplette Ladesysteme zum Tanken in der eigenen Garage oder im öffentlichen Parkraum bis hin zu weiteren Komponenten für Elektrofahrzeuge. Auch für Flotten-Manager ist der Energie-Nachschub stets ein zentrales Thema. „Wir bieten speziell für Flottenbetreiber intelligente Ladelösungen an, die eine hohe Verfügbarkeit und einfaches Handling garantieren. So können Autos unkompliziert und günstig am Parkplatz tanken, anstatt zur Tankstelle zu fahren“, erklärt Christopher Mennekes, Geschäftsführender Gesellschafter.

Neue Standards an der Ladesäule

Denn obwohl mit dem Combined Charging System CCS ein europaweiter Standard definiert und damit die notwendige Investitionssicherheit zur Ladetechnologie geschaffen ist, ist das Angebot an öffentlichen Ladepunkten aus Sicht der Kunden noch nicht ausreichend. Auch behindern teilweise Zugangs- und Abrechnungssysteme ein Laden ohne Voranmeldung, kritisiert der Verband der Automobilindustrie (VDA).

Dazu müssen auch die Ladestationen unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Wird an Wandladesäulen etwa in der eigenen Garage geladen, ist das „Tanken“ einfach: Das Energieunternehmen, das auch das Haus mit Elektrizität versorgt, liefert den Strom und rechnet diesen gegenüber dem Vertragsinhaber ab. Ähnliches gilt für Fuhrpark-Manager, die auf dem Firmengelände oder vor Bahnhöfen und Flughäfen eigene Ladesäulen aufstellen. Beide Ladebereiche werden nach Ansicht von Mennekes in naher Zukunft massiv zulegen.

Ebenfalls hohe Wachstumsraten erwartet die Elektrotechnik-Industrie für Standsäulen in Kooperation mit privatwirtschaftlichen Partnern, die in halböffentlichen Bereichen etwa vor Hotels und Einkaufszentren entstehen. Für den Einzelhändler bedeutet dies einen zusätzlichen Imagegewinn, wenn seine Kunden die Einkaufszeit zum Aufladen nutzen. Ein Energieversorger könnte von verlässlichen Abnahmemengen profitieren. Jedoch gibt erst die Möglichkeit zum Laden auf öffentlichen Parkflächen Fahrern von Elektrofahrzeugen die Sicherheit, jederzeit nachladen zu können. In öffentlichen und bewirtschafteten Parkzonen und Parkhäusern könnte die Umlage zum Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur und auch des entnommenen Stroms über die Parkgebühren erfolgen.

Auftanken an jeder Straßenlaterne

Fakt ist, die Tankgewohnheiten werden sich mit der Elektromobilität radikal ändern. Man lädt, wo man parkt. Eine möglicherweise bahnbrechende Innovation für das Tanken im öffentlichen Raum hat das Berliner Start-up Ubitricity entwickelt, mit einer Idee, die so simpel wie faszinierend ist: ein Zapfsystem, das unter Straßenlaternen passt. Benötigt werden dafür spezielle Systemsteckdosen („Simple Socket“), die in Lichtmasten oder in aufgeständerte Ladepunkte eingelassen oder auch auf Wänden als Aufputzdose angebracht werden können. Um laden zu können, muss der Kunde jedoch ein eigenes „SmartCable“ mit einem integrierten Zähler kaufen. Dieses Kabel identifiziert den Nutzer über eine mobile Internetverbindung und rechnet die entnommene Strommenge ab.

Im Vergleich zu stationären Ladepunkten sollen die Investitionen für die Ubitricity-Technologie geringer sein, ebenso wie die Kosten im laufenden Betrieb. Der Autofahrer nimmt seinen Mobilstromvertrag zum Ladepunkt mit und erhält eine Abrechnung für alle Ladevorgänge und Verbrauchsdaten auf dem Smartphone. Das Hantieren mit Abrechnungskarten oder anderen Zugangssystemen entfällt. „Mit unseren neuen Lösungen zum Laden und Abrechnen für E-Mobilität haben wir den Grundstein für die flächendeckend bezahlbare und nachhaltige Versorgung von Elektrofahrzeugen gelegt“, erklärt Ubitricity-Mitgründer und Geschäftsführer Dr. Frank Pawlitschek, der an diesem Tag gerade nach Iserlohn gereist ist, wo im Testbetrieb vorerst 17 Ladepunkte entstehen. Denn bis die innovative Systemsteckdose in die Straßenlaternen bundesweit Einzug halten kann, muss jede Kommune bei Ladepunkten im öffentlichen Raum entsprechende Sonderregelungen treffen.

Intelligente Ladekommunikation

Auch für Christopher Mennekes steht die intelligente Ladekommunikation fast noch am Anfang – in Anbetracht der vielen Möglichkeiten, die sich künftig bieten. Bereits heute sind die Ladesysteme des Sauerländer Unternehmens auf künftige Anforderungen ausgerichtet. Dazu gehört auch die noch nicht in Normen festgelegte bidirektionale Energieübertragung: Die Energie kann dann sowohl vom Stromnetz in die Fahrzeugbatterie übertragen als auch von der Elektrobatterie ins Stromnetz eingespeist werden. Möglich macht dies ein intelligentes Energiemanagement, das die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation sowie zwischen Ladestation und Energieversorger regelt. Jeder einzelne Ladepunkt kann dabei zentral kontrolliert werden, sodass eine kontinuierliche Überwachung der Netzbelastung möglich ist.

Viele wichtige Detailfragen etwa zur Zyklenfestigkeit der Batterien sind zwar noch nicht abschließend geklärt. Aber für den Anschluss an die Zukunft ist die Branche schon heute gewappnet, die sich mit guten Ideen und viel harter Arbeit dafür einsetzt, die Elektromobilität Wirklichkeit werden zu lassen.