Vernetzte Technologien wandeln die Landwirtschaft:

Ein Gespräch mit Henrik Imholze

Mensch und Natur arbeiten dank vernetzter IT enger zusammen denn je – Precision Farming macht es möglich.
In schnurgeraden Linien zieht sich die Saat über das Feld. Der Boden ist digital erfasst, lässt die Traktoren automatisch über den Acker fahren. Fast nebenbei sammeln sie Daten über die Beschaffenheit des Bodens, seine Qualität und schließlich die Ernte. IT-unterstützte Präzision hält Einzug in die Landwirtschaft. Mit der wachsenden Digitalisierung wandelt sich auch das Berufsbild des Landwirts – hin zu einem modernen Unternehmer, der hochspezialisiert ist, immense Datenmengen verwaltet und auf die Balance zwischen Ertragssteigerung und nachhaltigem Ackerbau achtet. Die moderne Technik bringt neue Chancen in der Nachhaltigkeit, sagt Familienunternehmer Henrik Imholze von der Kutzleben GbR in Thüringen.
BDI: Landwirtschaftliche Betriebe werden immer größer, investieren in enorme Technik und müssen sich mit ihren Erzeugnissen am Weltmarkt beweisen. Wie agiert man da als verantwortungsbewusster Familienunternehmer wie Sie?
Henrik Imholze: Wir bewirtschaften 1.400 Hektar Land, beschäftigen 12 Mitarbeiter und haben zeitweise bis zu 650 Saisonarbeiter im Betrieb. Denen fühlen wir uns natürlich verpflichtet, genauso wie den Verbrauchern. Wir tragen aber auch eine ökologische Verantwortung für Grund und Boden, das ist schließlich unser Kapital. Wir leben von der Natur und mit der Natur, und wenn wir sie zerstören, fällt uns das auf die Füße. Als Landwirt bewege ich mich heute in einem permanenten Spannungsfeld: Auf der einen Seite soll ich möglichst schonend und nachhaltig produzieren, auf der anderen hohe Erträge und hohe Qualität einfahren.
Wie löst man diesen Widerspruch auf?
Wir müssen langfristig produzieren, ernten und arbeiten. Wir müssen in Stoffkreisläufen denken. Von meinen Hopfenpflanzen zum Beispiel verwerte ich letztendlich ja nur einen geringen Teil des Pflanzenmaterials. Der Rest wird als Humus wieder auf die Felder gebracht. Das ist ein Teil. Der andere ist, sich ständig mit den technischen Neuerungen auseinander zu setzen und den Anschluss nicht zu verlieren. Da bewegt sich viel.
Wo sehen Sie die großen einschneidenden Veränderungen im Ackerbau?
Die Betriebsflächen werden immer größer, aber auch die Maschinen, gleichzeitig sinkt die Zahl der Beschäftigten. Wir haben inzwischen Sämaschinen mit acht bis zehn Metern Arbeitsbreite und GPS-System. Die gesamte Landtechnik ist nicht nur viel komplexer, sondern auch viel teurer geworden. Ein Mähdrescher kostet heute rund eine halbe Million Euro, ist aber nur drei Wochen im Jahr im Einsatz. Das ist ein sehr teurer Arbeitsplatz.
Teuer, aber eben auch hochtechnisiert – welche Potentiale bietet die Digitalisierung in der Landwirtschaft?
Das ist auf jeden Fall mehr als nur ein Spielplatz für technikaffine Menschen! Wir arbeiten effizienter und wir sparen Kosten. Ich schätze mal, dass wir unsere Leistung durch den Einsatz digitaler Technik sicher um mehr als 10 Prozent gesteigert haben. Zudem entlastet die Automatisierung die Fahrer auf dem Feld auch körperlich. Ich bin Landwirt in der 3. Generation. Wenn man die Arbeitsrealitäten vergleicht, liegen dazwischen Welten.

Was ist Precision Farming?

Precision Farming, zu deutsch „teilflächenspezifische Bewirtschaftung“, gewinnt vor allem in technologisch hochentwickelten Ländern wie Nordamerika oder Europa an Bedeutung. Man versteht darunter die ortsdifferenzierte Bewirtschaftung von Feldern mit Hilfe der Datenerfassung. Unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten auf einem Flurstück werden bereits während der Bearbeitung digital analysiert, so dass Saat, Pflanzenschutz und Düngung gezielt darauf abgestimmt werden können.

In der Regel kommen Navigationssysteme mit GPS-Steuerung zum Einsatz, über die die Landmaschine präzise ferngesteuert wird. Einstellungen und Kontrolle sind vom Hof-PC aus und über einen Terminal im Traktor möglich. Der lückenlose Datenaustausch zwischen Schlepper, Anhänger und Betriebscomputer schließlich erfolgt über eine spezielle Schnittstelle, den „Isobus“. Die verschiedenen Landmaschinen sowie die Software müssen allerdings untereinander kompatibel sein.

Precision Farming führt zu ökologischer Entlastung und Einsparungen im landwirtschaftlichen Betrieb, lohnt sich aufgrund der hohen Investitionskosten aber erst ab einer Betriebsgröße von 300 – 400 ha. In Deutschland arbeiten momentan rund 8 % der Betriebe mit digitaler Technologie, vor allem in den neuen Bundesländern. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei ca. 1000 ha.

Wie und wo macht sich die Digitalisierung denn im Alltag bemerkbar?
Eigentlich überall. Es fängt damit an, dass ich morgens übers Smartphone informiert werde, ob es regnen wird. Davon hängt schon mal meine Tagesplanung ab. Dann geht es ins Büro. Da beobachte ich die Preise für meine Ernte am Markt und entscheide, wann ich sie verkaufe. Kein landwirtschaftlicher Betrieb kommt heute mehr ohne Hof-PC aus. Hier laufen alle Daten zusammen. Heutzutage ist ja in fast jeder landwirtschaftlichen Maschine Computertechnik eingebaut. In jeder Sämaschine, selbst in einem Mineraldüngerstreuer, steckt Elektronik. Meistens leuchten in jedem Cockpit – das ist schon das richtige Wort mittlerweile – mehrere Bildschirme. Meine Hand umfasst da nicht das Lenkrad, sondern einen Joystick. Man lässt sich fahren – die Maschine lenkt auf dem Feld autonom.
...durch die GPS-Steuerung. Was kann die denn besser als der erfahrene Landwirt?
Sie ist wesentlich exakter. Ich ziehe mir auf dem Bildschirm eine Linie von A nach B, entlang derer mein Mähdrescher oder meine Sämaschine fährt – ohne in jeder Reihe zu überlappen, was selbst der beste Fahrer nicht verhindern kann. Durch diese satellitengestützte Steuerung verhindern wir auch, dass doppelt gedüngt oder doppelt Pflanzenschutz eingebracht wird. Das schont nicht nur meine Arbeitszeit und Kosten, sondern vor allem den Boden.
Also eine Effizienzsteigerung und Entlastung?
Ja, aber das ist nicht alles. Wir analysieren den Boden in Echtzeit: Wie viel wird auf dem Acker geerntet? Und wo ist der Ertrag besonders gut oder schlecht? Wenn ich weiß, dass der Boden an bestimmten Stellen aufgrund seiner unterschiedlichen Beschaffenheit nicht besonders ertragreich ist, das ist hier einfach so. Da kann ich mir auch die Düngung sparen, was wiederum ökologisch sinnvoll ist. Daraus lassen sich während der Beackerung Ernte- oder Düngekarten mit Hochertrags- oder Niedrigertragszonen generieren, die mir der Rechner dann ausspuckt. Man kann diesen Prozess ziemlich weit treiben, wenn man bereit ist, das gesamte Datenvolumen auch auszuwerten. Das ist momentan noch eine große Herausforderung. Also versuche ich meine Datenmengen überschaubar zu halten.
Kommt man an der Digitalisierung als Landwirt überhaupt noch vorbei?
Ab einer bestimmten Betriebsgröße nicht. Es gibt natürlich in der technischen Aufrüstung nach oben hin keine Grenzen und da muss ich mich als Unternehmer dann auch immer fragen: Rechnet sich das? Brauche ich das wirklich?
Brauchen wir mehr gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft?
Ich setze eher auf die Selbstverpflichtung. Ich bin ja nicht nur Landwirt, sondern auch Naturfreund und Naturschützer. Denn die Natur ist meine Produktionsgrundlage. Und ich erwarte eigentlich von jedem fachlich guten Landwirt, dass er nachhaltig agiert. Ökologische Vorrangflächen, wie sie die Gesetze uns Landwirten inzwischen vorschreiben, schaffen wir schon seit 15 Jahren freiwillig, weil sie einfach das Artenreichtum wirksam fördern.
Was kann denn die moderne Landmaschine nicht leisten, wo dann doch die Kernkompetenzen des Landwirtes gefragt sind?
Keine moderne Technik kann mir abnehmen, bestimmte Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen. Wenn ich meine Böden nicht kenne, wenn ich nicht weiß, wie ich eine Kultur in den Boden bringe und sie richtig pflege und ernte, kann ich auch nicht erfolgreich wirtschaften. Das wird sich auch nicht ändern. Aber das Bild des Landwirtes hat sich gewandelt. Wir stapfen eben nicht mehr den ganzen Tag in Gummistiefeln und mit Mistgabeln über den Hof, sondern sind halbe Computerspezialisten. Das macht ja auch den Reiz des Berufs aus. Ich habe ein Faible für Technik, aber für mich gibt es nichts Schöneres als den Geruch eines frisch umgepflügten Feldes.