EU soll für Binnenmarktzugang Großbritanniens offen sein

In einem Gespräch mit der Financial Times warnt BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber die EU, Großbritannien in den kommenden Verhandlungen zu bestrafen und die wirtschaftlichen Beziehungen zu beschädigen.

„Wir sollten nicht darüber nachdenken, jemand abzustrafen, wenn wir nicht sicher sind, ob wir uns damit nicht selbst bestrafen. Wir sollten uns um unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen kümmern“, sagte Kerber. Die EU solle offen für einen Binnenmarktzugang Großbritanniens sein, ähnlich wie es auch bei Norwegen oder der Schweiz der Fall ist. „Ich bin gegen eine Option, in der Großbritannien einen Deal wie Norwegen oder die Schweiz sucht und die EU den Briten bewusst vor den Kopf stößt.“  

Der ehemalige Banker, der in den 90er Jahren in London tätig war, zeigte sich schockiert über den Ausgang des britischen Referendums. „Ich war überrascht. Ich dachte, der gesunde Menschenverstand würde sich durchsetzen.“ Er befürchte, dass die EU hart mit Großbritannien verhandeln werde, um einen Präzedenzfall zu schaffen.   

Kerber unterstützte die Haltung der Kanzlerin, dass es keine Vorverhandlungen für die Briten geben dürfe. Er sei ebenfalls dafür, den Briten Zeit zu geben, um das weitere Vorgehen abzustimmen. „Wir sollten auf Ereignisse, die ernste Auswirkungen auf die kommenden Jahrzehnte haben, mit Bedacht reagieren.“  

Unsicherheit nach dem Brexit herrsche zurzeit vor allem auf den Finanzmärkten. Darüber hinaus seien noch kaum Auswirkungen auf die Wirtschaft spürbar. Die Unternehmen machen vorerst weiter wie gewohnt. Der BDI-Hauptgeschäftsführer warnte davor, die Freizügigkeit einzuschränken. „Das ist wichtig für die Wirtschaft. Wenn wir keine Freizügigkeit haben, wird die Effizienz der Investitionen abnehmen.“  

Zum Ausgang des Referendums sagte Kerber, dass auch der Populismus der Brexit-Bewegung half. „Offene Gesellschaften, also der Westen, sind im Belagerungszustand – von innen und außen. Es gibt Selbstzweifel von innen und autoritäres Denken von außen.“ Aus diesem Grund brauche es einen ideologischen Kampf: „Nach 1989, das Ende des Kalten Krieges, sind wir dem Irrglauben aufgesessen, wir bräuchten keine Ideologien mehr. Aber das tun wir. Wir brauchen Leidenschaft in der Politik.“