Wirtschaft muss der Gesellschaft dienen

BDI-Präsident Ulrich Grillo sprach mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Mitte April über die Krisen in Politik und Wirtschaft, die Bedeutung von Vertrauen und den aktuellen Zustand der deutschen Wirtschaft. Wir dokumentieren das Interview in Auszügen.

„Aktuelle Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Menschen in Politik und Wirtschaft gesunken ist. Entwicklungen wie der Streit um die Boni bei VW oder die Veröffentlichung der Panama-Papers haben dafür gesorgt, dass Vertrauen verlorengegangen ist. Das beunruhigt mich. Nicht jede Briefkastenfirma ist illegal. Wenn sie aber zum Zweck der Vertuschung oder zur Steuerhinterziehung genutzt wird, dann muss man sie bekämpfen. Und Entscheidungen zu Boni sind Sache des jeweiligen Aufsichtsrates. Aber grundsätzlich sollte dabei natürlich auf Maß und Mitte geachtet werden – und wie Kunden und Mitarbeiter es bewerten. Ich will das nicht schönreden.

Aber mehr als 99 Prozent der Unternehmer, Manager und Angestellten machen einen anständigen Job. Sie verdienen Vertrauen. Klar ist: Möglichst viele sollten sagen, was sie tun. Und tun, was sie sagen. Die Wirtschaft sollte für Anständigkeit und Verantwortung stehen. Verantwortung, nicht nur Gewinne zu erzielen. Gewinne sind Hilfsmittel. Wir in der Wirtschaft dienen der Gesellschaft. Das steht schon im Grundgesetz: Eigentum verpflichtet.

Die Große Koalition sollte für große Taten stehen

Auch die schlechten Umfragewerte der Volksparteien sind ein Resultat mangelnden Vertrauens. Aber das ist nicht nur in Deutschland so. Schauen Sie sich den Vorwahlkampf in den Vereinigten Staaten an. Dieser ist auch ein Ausdruck von großer Unsicherheit. In Deutschland hat diese Unsicherheit dafür gesorgt, dass die AfD erfolgreich ist.

Die Politik, aber auch die Wirtschaft müssen besser erklären, wofür sie stehen. Eine kritische Debatte kann helfen, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wenn Streit jedoch alles lahmlegt, ist er kontraproduktiv. Die Große Koalition sollte für große Taten stehen – nicht für große Auseinandersetzung. Zum Beispiel bei der Digitalisierung könnten wir uns mehr Koordination innerhalb der Regierung gut vorstellen. Sie spielt auch eine wichtige Rolle für das Tempo von Informationen und die Transparenz. Vermeintliche Bedrohungen kommen unheimlich schnell auf einen zu. Die Reaktion, sich ins Schneckenhaus zurückzuziehen, ist nachvollziehbar. Aber sie ist keine Lösung.

Die Große Koalition tut zu wenig für die Wirtschaft

Auch weil wenig Vertrauen da ist, investiert die Wirtschaft weniger. Wir rechnen angesichts der Rahmenbedingungen für dieses Jahr mit einer Spanne von 1,5 bis knapp zwei Prozent Wirtschaftswachstum. Das ist bescheiden, und es ist noch dazu nur geliehen. Ist unsere Wirtschaft wirklich wetterfest? Ich fürchte, nein. Unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit wird nicht gefördert. Das wird uns auf die Füße fallen.

Die Erbschaftsteuer ist ein großes Thema, das viele Unternehmer verunsichert. Da liegt nun ein Vorschlag auf dem Tisch, der als Verhandlungsgrundlage ganz vernünftig klingt und steuerliche Bewertungsnachteile für Familienunternehmen zumindest teilweise ausgleicht. Die Energiepolitik ist nach wie vor eine große Baustelle. Auch wenn die Richtung beim Umbau der Förderung stimmt, sind nach wie vor viele Fragen offen, und die Energiekosten explodieren. Der Staat muss in bessere Rahmenbedingungen investieren. Bei Milliarden-Überschüssen sind Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur, ich nenne nur das Stichwort Breitband, ebenso möglich wie die Integration der Flüchtlinge. Wir verzeichnen Rekordsteuereinnahmen, deshalb haben wir Geld für beides – und wir müssen auch beides machen: investieren und integrieren.“