2. Säule der OECD-Vorschläge: Globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen

Der zweite Vorschlag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) soll eine globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen sicherstellen. Hintergrund ist die Annahme, dass die Besonderheiten der digitalisierten Wirtschaft eine Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer ermöglichen und daher eine Begrenzung des Steuerwettbewerbs auf ein bestimmtes Mindestniveau rechtfertigen.

Die globale Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen, die zweite Säule der OECD-Vorschläge, soll entsprechend des sogenannten „GloBE“-Vorschlags durch zwei miteinander verbundene Maßnahmen sichergestellt werden:

  • eine Ausweitung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung („Income Inclusion Rule“) sowie
  • eine Begrenzung bzw. Verbot des Betriebsausgabenabzugs, wenn ein effektives Mindestbesteuerungsniveau unterschritten wird („Undertaxed Payments Rule“).

Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die einzelnen Staaten und die Steuerbelastung der Unternehmen werden signifikant davon abhängen, wie das effektive Steuerniveau vor der Einführung der neuen Regeln war und welches globale effektive Mindestbesteuerungsniveau angestrebt wird. Gleichzeitig soll die volle Souveränität von Staaten, Steuersätze festlegen zu können, erhalten bleiben.

„Income Inclusion Rule“ – Erweiterung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung

Die Income Inclusion Rule sieht vor niedrigbesteuerte Gewinne von Auslandstöchtern eines Unternehmens dem Gewinn der Muttergesellschaft hinzuzurechnen und hierzu die nationale Hinzurechnungsbesteuerung nach dem US-Vorbild der „GILTI“ (Global Intangible Low-Taxed Income) auszuweiten. Ob hierbei die hinzuzurechnenden Einkünfte auf das Steuerniveau des Sitzstaates der Muttergesellschaft hochgezogen oder auf einem niedrigeren Steuerniveau besteuert werden, ist noch offen. Auf die Art der Einkünfte soll es ebenso wenig ankommen wie auf die Aktivität und die Substanz. Dies soll durch eine Anpassung der jeweiligen nationalen Steuergesetze erfolgen, bedarf aber auch einer internationalen Harmonisierung. Innerhalb der europäischen Union wäre dies durch eine primärrechtskonforme EU-Richtlinie denkbar und im Verhältnis zu Drittstaaten durch eine bilaterale Einigung im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens.    

„Undertaxed Payments Rule“ – Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs

Als Zweites soll durch die Regelungen der „Undertaxed Payments Rule“ der Betriebsausgabenabzug für Zahlungen ins Ausland beschränkt werden. Nach dem Vorbild der im Rahmen der US-Steuerreform eingeführten „BEAT“ (Base Erosion and Anti-Abuse Tax) soll diese Maßnahme gewinnmindernde Zahlungen an ausländische (verbundene) Unternehmen erfassen, die zum Ziel haben, die inländische Steuerschuld zu verringern. Der Steuer soll so der Gewinn des Unternehmens vor dem Abzug der besagten schädlichen Zahlung unterliegen. Dies geht weit über den bei Lizenzen zu berücksichtigen Nexus-Ansatz hinaus und hat, da nicht gewinn- sondern ausgabenorientiert, erhebliche negative Auswirkungen mit überschießender Tendenz. Im Gegenzug dürften die entsprechenden Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegen. Darüber hinaus entspricht ein Ansatz, pauschal alle konzernverbundenen Aufwendungen nicht zum Abzug zuzulassen, nicht den Entwicklungen einer globalisierten Welt. Die Unternehmen wären ohne Konzernverbund nicht so erfolgreich wie im Konzern; ggf. wären grenzüberschreitende Zahlungen an fremde Dritte erforderlich.

BDI-Bewertung zur effektiven Mindestbesteuerung

Die deutsche Industrie steht den vorgeschlagenen Maßnahmen im Rahmen der zweiten Säule der OECD-Vorschläge angesichts der Komplexität der Maßnahmen und den damit einhergehenden Risiken kritisch gegenüber. Die steuerpolitische Begründung des Vorschlags überzeugt nicht, da nicht ausschließlich künstliche Gestaltungen zur Gewinnverschiebungen angegriffen werden. Vor der Umsetzung der im Rahmen der zweiten Säule sollten deshalb zuerst die umfangreichen BEPS-Maßnahmen evaluiert werden und im Rahmen des Inclusive Framework geprüft werden, ob einige BEPS-Maßnahmen ihr Ziel erreicht haben oder verbessert, ersetzt oder vereinfacht werden können. Sollte die Evaluation ergeben, dass die meisten schädlichen Steuerpraktiken beseitigt worden sind, sollte die zweite Säule nicht umgesetzt werden.

Sofern weitere Maßnahmen als notwendig erachtet werden, erfordert das Ziel, schädliche Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs durch ein globales Mindestbesteuerungsniveau zu verhindern, einen globalen Konsens der Staatengemeinschaft. Aus Sicht der Wirtschaft darf dieser Schritt zu mehr globaler Steuerharmonisierung nur unter den folgenden Voraussetzungen erfolgen, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht behindert wird:

Aufkommensverluste einzelner Staaten infolge der Neuverteilung von Besteuerungsrechten (Säule 1) dürfen nicht durch Erweiterung existierender Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung im Rahmen der Mindestbesteuerung (Säule 2) ausgeglichen werden. Eine weitere Verschärfung der ohnehin reformbedürftigen deutschen Regelungen würde zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen im Vergleich zu anderen Industriestaaten führen.

Das zu schaffende globale Mindestbesteuerungsniveau muss moderat sein, damit lediglich extrem niedrige Besteuerungsniveaus in einzelnen Staaten erfasst und angehoben werden. Darüber hinaus muss es souveränen Staaten auch künftig möglich sein, ihre Steuersätze selbst zu bestimmen, ohne durch Abwehrmaßnahmen anderer Staaten sanktioniert zu werden.

Der „GloBE“-Vorschlag sollte nur künstliche Gestaltungen angreifen. Insofern ist es zwingend notwendig, dass der sog. Substanztest erhalten bleibt, wonach Unternehmen im Falle des Nachweises einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit keiner Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen werden (Stichwort: „Substance over Form“). Zudem sollten neue Maßnahmen zur Sicherung einer effektiven Mindestbesteuerung nur für verbundene Unternehmen gelten (Konzerne).

Die Schaffung eines Mindestbesteuerungssockels muss mit der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland zu einem sinnvollen Gesamtpaket geschnürt werden. Hierdurch könnte für einen Ausgleich zwischen fiskalischen und unternehmerischen Interessen gesorgt werden, so dass das Besteuerungsgefälle und damit verbundene Gestaltungsanreize (Steuerarbitrage) spürbar gesenkt werden.

Die im Rahmen der globalen effektiven Mindestbesteuerung geplanten Maßnahmen – Ausweitung der Hinzurechnungsbesteuerung und Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs – dürfen nicht gleichzeitig angewendet werden und damit zu einer inakzeptablen Mehrfachbelastung führen. Die Kombination einer erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung mit einem steuerlichen Betriebsausgabenabzugsverbot kann zu einer deutlichen Höherbesteuerung führen, weshalb entsprechende Kollisionsregeln unverzichtbar sind.

Das Gleiche gilt auch im Verhältnis zu bereits verabschiedeten „BEPS“-Maßnahmen (Beispiele: Lizenz- und Zinsschranke, hybride Gestaltungen) oder auch zu nationalen Präferenzregimen (Beispiele: Patentbox, steuerliche Forschungsförderung), die mit den vorgeschlagenen Maßnahmen abgestimmt werden müssen. Im Übrigen müssten diese in den letzten Jahrzehnten zu einem kaum noch durchdringbaren Gestrüpp angewachsenen Missbrauchsregelungen stark beschnitten werden.

Daher soll eine der wesentlichen Voraussetzung für die Einführung der globalen effektiven Mindestbesteuerung auch eine proaktive Vermeidung von Doppelbesteuerungsrisiken sein. Verfahrensdauern sind hierbei möglichst gering zu halten. Zudem müssen neben ertragsteuerlichen Doppelbesteuerungsrisiken auch anderweitige Mehrfachbelastungen durch indirekte Steuern und Strafzinsen in die entsprechenden Mechanismen zur Streitvermeidung einfließen.

BDI zu globaler effektiver Mindestbesteuerung

  • Das Ziel, schädliche Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs durch ein globales Mindestbesteuerungsniveau zu verhindern, erfordert einen globalen Konsens der Staatengemeinschaft.
  • Voraussetzung ist, dass die konkrete Ausgestaltung einer globalen Mindestbesteuerung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich nicht verschlechtert.
  • Das globale Mindestbesteuerungsniveau muss moderat sein und darf nicht zu einer Verschärfung bisheriger Regelungen führen.
  • Das Ziel eines Mindestbesteuerungsniveaus muss mit der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland zu einem sinnvollen Gesamtpaket geschnürt werden, das fiskalische und wirtschaftliche Interessen miteinander in Ausgleich bringt.