Joe Biden © Wikimedia Gage Skidmore/Flickr
Abschied von „America First“? Handelspolitik unter Joe Biden
Nach der Devise „America First” begriff Donald Trump den internationalen Handel als Nullsummenspiel. Für ihn bedeutete eine negative Handelsbilanz, dass die jeweiligen Handelspartner die geltenden Regeln des Handelssystems nicht respektierten. Ganz oben auf der Agenda der letzten vier Jahre stand China, jedoch war der Präsident ebenso kritisch gegenüber der Handelspolitik enger Partner wie der der Europäischen Union (EU) und Japans. Die Trump-Administration stellte außerdem nationale Sicherheitsinteressen in den Vordergrund ihrer Handelspolitik. Mit dem Argument der nationalen Sicherheit begründete sie beispielsweise die Zölle auf Stahl und Aluminium und drohte mit Zöllen auf Autos und mobile Kräne.
Build Back Better – Joe Bidens handelspolitische Agenda
Joe Bidens handelspolitisches Team ist seit März im Amt, weshalb sich nur erste Schlüsse zu dessen Handelspolitik ziehen lassen. Gina M. Raimondo wurde Anfang März 2021 zur Wirtschaftsministerin vereidigt. Das von ihr geleitete Department of Commerce (DOC) ist für die Untersuchungen nach Abschnitt 232 des Trade Expansion Act of 1962 und somit die derzeit gültigen Zusatzzölle auf Stahl und Aluminium zuständig. Das Amt der US-Handelsbeauftragten (USTR) übernahm Mitte März 2021 Katherine Tai. Im Aufgabenbereich des USTR liegen unter anderem die 301-Untersuchungen, die die Begründung für die US-Strafzölle gegen China geliefert haben, sowie der Streitfall um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Welche Handelspolitik wird die neue US-Regierung verfolgen? Anfang März 2021 gab der USTR die Trade Policy Agenda der Biden-Administration für das laufende Jahr bekannt.
Die „Trade Policy Agenda 2021”
Die handelspolitische Agenda 2021 nennt neun Schwerpunkte:
- Überwindung der Pandemie und wirtschaftliche Erholung;
- Der „American Worker” im Zentrum der Handelspolitik: Hierfür soll verstärkt mit Gewerkschaften und Vertretern marginalisierter Gruppen zusammengearbeitet werden;
- Klima- und Umweltpolitik im Mittelpunkt: Gemeinsam mit ihren Verbündeten wollen die Vereinigten Staaten marktbezogene und regulatorische klimapolitische Initiativen entwickeln;
- Förderung sozialer Gerechtigkeit: Die Handelsagenda soll Initiativen in den Mittelpunkt stellen, die wirtschaftliche Chancengleichheit fördern und soziale und wirtschaftliche Barrieren abbauen;
- Unfaire Handelspraktiken Chinas durch umfassende Strategie und Einsatz aller zur Verfügung stehender Instrumente angehen: Die Biden-Administration verurteilt Chinas „nötigende” und „unfaire” Handelspraktiken, die laut Trade Policy Agenda US-Arbeitnehmern schaden, den technologischen Vorsprung bedrohen, die Versorgungsicherheit gefährden und nationale Interessen untergraben;
- Wiederaufbau von Partnerschaften und Allianzen zur Rückkehr zu multilateraler Handelspolitik unter US-Führung;
- Unterstützung für US-Landwirte, Viehzüchter, Lebensmittelhersteller und Fischer durch bessere Marktchancen und Durchsetzung globaler Regeln für den Agrarhandel;
- Förderung eines gerechten Wirtschaftswachstums weltweit: Die Biden-Administration wolle eine Überprüfung existierender US-Handelsprogramme einleiten und verstärkt Unternehmensverantwortung und -nachhaltigkeit in die Handelspolitik einbinden;
- Umfassende Durchsetzung von Handelsregeln.
Die Umwelt- und Klimapolitik stellt einen besonderen Schwerpunkt dar. Katherine Tai will die Handelspolitik aktiv nutzen, um die USA und ihre Handelspartner umweltfreundlicher zu machen und unter anderem gegen Überfischung, Abholzung des Regenwaldes und den Klimawandel vorzugehen. Damit schlägt sie deutliche und neue Töne an.
Wo stehen wir bei den transatlantischen Handelskonflikten?
Im Hinblick auf die transatlantischen Handelsstreitigkeiten, die unter der Trump-Administration aufkamen, ist das Bild gemischt. Im WTO-Streit um die Subventionen für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing hat die Biden-Administration dem EU-Vorschlag eines Zollmoratoriums zugestimmt. Dieses gilt aktuell bis zum 11. Juli 2021. Während dieser Zeit soll eine Verhandlungslösung gefunden werden. Die gegenseitigen Zölle sind zwar WTO-konform, belasten jedoch Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks deutlich.
Die US-Zölle auf Stahl und Aluminium sowie die EU-Retorsionszölle sind dagegen nach wie vor in Kraft. Die EU pocht zu Recht darauf, dass die USA die EU nicht mehr als „national security threat” bezeichnen und die Zölle zurücknehmen. Jüngst kam es zu einer Annäherung: Am 17. Mai 2021 verkündeten die EU und die USA, gemeinsam das Problem der weltweiten Überkapazitäten bei Stahl und Aluminium angehen und vor Ende des Jahres Lösungen finden zu wollen. Die EU verzichtet zudem vorerst auf eine Ausweitung ihrer Ausgleichszölle. Mögliche 232-Zölle auf Automobilimporte scheinen unter der Biden-Administration endgültig vom Tisch zu sein.
Konfliktpotenzial mit US-Handelspartnern birgt die geplante Verschärfung der „Buy American”-Vorgaben. Biden hat das Federal Acquisition Regulation (FAR) Council, eine Abteilung des Department of Defence, per Executive Order angewiesen, bis zum 25. Juli 2021 die bestehenden Regelungen des Buy American Act zu überarbeiten und zu verschärfen.
Mehr transatlantische Zusammenarbeit könnte es künftig beim Thema Lieferketten geben. Eine erst vor kurzem veröffentlichte Untersuchung des Weißen Hauses hat Handlungsbedarf im Bereich der Herstellung von Mikrochips und Batterien, in der Lieferkette von Arzneimittel und Impfstoffen sowie bei der Beschaffung von seltenen Erden aufgezeigt. Biden wünscht sich eine enge Zusammenarbeit mit Verbündeten und Partnern, um widerstandsfähige Lieferketten zu etablieren. Ebenso strebt die EU-Kommission laut der neuen Industriestrategie an, kritische Lieferkettenabhängigkeiten in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu reduzieren.
Fazit
Präsident Trump wollte Arbeitsplätze zurück in die USA holen. Mit seiner Handelspolitik schadete er jedoch auch der eigenen Wirtschaft – beispielsweise durch Zölle und Gegenzölle – und stieß Verbündete vor den Kopf. Mit Joe Biden werden die vergangenen vier Jahre nicht ausradiert werden. Es werden sich auch nicht alle handelspolitischen Konflikte von heute auf morgen lösen lassen. Auch Joe Biden wird US-Arbeitsplätze konsequent verteidigen, und auch seine Handelspolitik wird protektionistische Elemente beinhalten, wie beispielsweise „Buy American”-Verschärfungen. Solche Elemente schaden der Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Unternehmen.
Einige Ziele in der handelspolitischen Agenda sind neu und wären unter der Trump-Administration undenkbar gewesen, wie der starke Fokus auf Umwelt- und Klimapolitik oder auch die Förderung sozialer Gerechtigkeit als ein Ziel der US-Handelspolitik. Andere knüpfen an die Vorgängeradministration an. So steht ganz oben auf der Agenda weiterhin China. Auch Biden sieht China als Systemrivalen an, der eine Bedrohung für die nationale Sicherheit und US-Arbeitsplätze darstellt. Neben handelspolitischen Aspekten kritisiert die Biden-Administration den rapiden chinesischen Expansionismus im Indo-Pazifischen Raum, die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und das zunehmende autoritäre Durchgreifen Chinas in Hongkong und Taiwan. Doch wird er im Einsatz von Zöllen vorsichtiger sein und im Umgang mit China wieder den Schulterschluss mit Partnern wie der EU suchen.
Vergebens sucht man in Bidens bisheriger Handelspolitik das Ziel, neue Handelsabkommen verhandeln zu wollen. Die aktuelle Trade Promotion Authority (TPA), unter der sich nach US-Recht Handelsabkommen schneller und einfacher ratifizieren lassen, ist am 1. Juni 2021 ausgelaufen. Es sind bisher keinerlei Anzeichen der Administration erkennbar, die TPA zu verlängern. Die Schwerpunkte von Bidens Handelspolitik scheinen zunächst in anderen Bereichen zu liegen.