Beschlüsse bleiben hinter Erwartungen der Wirtschaft zurück

BDI-Präsident Siegfried Russwurm äußert sich zur aktuellen Corona-Entwicklung und zu den Ergebnissen des Bund-Länder-Treffens. Trotz aller angekündigten Kraftanstrengungen lösen diese Beschlüsse erneut nicht das Umsetzungsproblem des föderalen Flickenteppichs bei der Coronabekämpfung.

„Die Beschlüsse umfassen notwendige neue Maßnahmen für das Brechen der vierten Coronawelle – sie bleiben aber insgesamt hinter den Erwartungen der Wirtschaft an ein jetzt erforderliches Pandemiemanagement zurück. Angesichts der katastrophalen Infektionszahlen ist es zu wenig, sich unter den Ländern auf einen Maßnahmenkatalog mit groben Schwellenwerten zu verständigen. Trotz aller angekündigten Kraftanstrengungen lösen diese Beschlüsse erneut nicht das Umsetzungsproblem des föderalen Flickenteppichs bei der Coronabekämpfung.

Deutschland benötigt ein effizientes Krisenmanagement in Form eines bundeseinheitlichen Stufenplans mit klaren Maßnahmen und detaillierten Kriterien und Schwellenwerten für deren Anwendung. Ein verlässlicher Fahrplan würde Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen, sich gezielt auf eine sich verschärfende Krise vorzubereiten. Diese Chance haben Bund und Länder mit ihren Beschlüssen einmal mehr vertan.

Schon jetzt sind die Auswirkungen von Corona verheerend. Die Ankündigung war überfällig, die kostenlosen Test- und Impfkapazitäten, insbesondere für Auffrischungen, schnell und deutlich zu erweitern. Erst-, Zweit- und Auffrischimpfungen sind und bleiben das Gebot der Stunde gegen die aktuell riesige Impflücke. Der einzige Ausweg aus der fortwährenden Krise ist die breite Impfung der Bevölkerung. Die Botschaft der politisch Verantwortlichen an die Gesellschaft kann nicht deutlich genug ausfallen.

Im Sinne des Gemeinwohls ist Impfen die oberste Bürgerpflicht. Impfen steht nicht immer ausschließlich in der Entscheidung des Einzelnen, sondern ist ein wesentlicher Beitrag für ein funktionierendes Gemeinwesen und kann im Ernstfall gesetzlich vorgesehen werden. Es darf nicht sein, dass eine kleine Gruppe von Impfverweigerern eine ganze Gesellschaft mit mehrheitlich Geimpften lähmt. Das Beispiel Österreich zeigt, dass in einer so dramatischen Corona-Lage auch eine Impfpflicht als Ultima Ratio ein mögliches Szenario ist.

Die einheitliche Forderung der Länder zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht für die Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen, mobilen Pflegediensten, Krankenhäusern und Einrichtungen der Wiedereingliederungshilfe ist ein wichtiger Fortschritt für den Schutz vulnerabler Gruppen. Umso unverständlicher ist es, dass es keine Impfpflicht für Beschäftige in Schulen und Kitas geben soll. Einmal mehr werden ungeimpfte Kinder, Jugendliche und deren Familien unnötigen Risiken durch eine Coronainfektion und deren Langzeitfolgen ausgesetzt. Die geschäftsführende Bundesregierung und die Ampelkoalitionäre fordern wir auf, hier schnell nachzusteuern und einrichtungsbezogene Impfpflichten auch in Schulen und Kitas einzuführen.

Die vorgesehene Einführung von Infektionsschutzmaßnahmen auf 3G-Basis am Arbeitsplatz ist ein richtiger Schritt. Die Industrie appelliert an die zuständigen Regierungsstellen, die Umsetzung dieser Maßnahmen mit ausreichend Gestaltungsspielraum zu versehen, um bestehende Betriebsabläufe und Schutzkonzepte nicht unnötig mit bürokratischen Hürden zu belasten. Das gilt ebenso für die Angebotspflicht des Homeoffice.

Die Verlängerung der Überbrückungshilfe und der besonderen Regelungen des Kurzarbeitergeldes sind notwendig. Hilfsmaßnahmen auszuweiten ist in naher Zukunft erforderlich, sobald Verbraucherinnen und Verbraucher erneut pandemiebedingt zur Kaufzurückhaltung neigen.“