Herr Joschua Ritz steht vor einem Schaufenster. In diesem Schaufenster hängt ein Plakat. Auf diesem Plakat ist ein junges Mädchen zu sehen, dass ein blau-gelbes Kleid und eine blau gelbe Blumenkrone trägt. Auf diesem Plakat steht geschrieben: Du kannst jetzt Spenden. Sei solidarisch mit der Ukraine.

Joscha Ritz vor der BDI/ BDA Representation in Brüssel © BDI

Brüssel im Zeichen des Ukrainekriegs

Politische Geschlossenheit und wirtschaftliche Stärke sind Europas Trümpfe angesichts des russischen Angriffs auf die europäische Friedensordnung. In Brüssel wird europäische Solidarität erlebbar - schreibt Joscha Ritz, stellvertretender Abteilungsleiter in der BDI/BDA The German Business Representation

Als Vater dreier deutsch-estnischer Kinder erlebe ich den russischen Angriff auf die europäische Friedensordnung sehr intensiv. Im Gespräch mit meiner Familie in Estland spüre ich, wie sehr sich die Menschen in Europas postsowjetischen Staaten – nicht erst seit heute – von Russland bedroht fühlen und wie stark der Wille ist, Freiheit und Vaterland zu verteidigen. Mir geht es in diesen Tagen wie vielen Brüsselern, die im Umfeld der EU-Institutionen tätig sind: Wir alle haben Kollegen, Freunde, die sich sehr große Sorgen um ihre Heimat machen und wir rücken noch näher zusammen.

Der Ukrainekrieg prägt den Brüsseler Politikbetrieb. Kaum ein Tag vergeht, an dem die EU nicht immer neue humanitäre Hilfsmaßnahmen und Sanktionspakete auf den Weg bringt. Die ebenso weitreichenden wie hoch komplexen Rechtstexte stellen selbst langjährige Experten der EU-Sanktionspolitik vor große Herausforderungen.

Die schnelle und geschlossene Reaktion der Europäer auf den russischen Angriffskrieg hat auch mich überrascht und sehr erleichtert. Seither sind die ansonsten lautstarken Kritiker einer klaren EU-Kante gegen Putins Ukrainepolitik abgetaucht: Während im Dezember noch 69 Europaparlamentarier gegen eine Resolution zur Situation an der russisch-ukrainischen Grenze gestimmt hatten, fanden sich Anfang März nur noch 13 rechts- und linksextreme Abgeordnete, die gegen eine EP-Resolution zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs votierten – 637 stimmten dafür.

Jenseits der unmittelbaren Krisenreaktion hat in Brüssel längst eine Diskussion zu den Folgen des Ukrainekriegs für die politische Agenda der EU begonnen: Wie kann die EU die Auswirkungen sehr hoher Energiepreise abfedern und schnellstmöglich unabhängig von russischen Energielieferungen werden? Welche Maßnahmen sind notwendig, um Europas Verteidigungsfähigkeit zu stärken? Wie kann die EU ihre Abhängigkeit beispielsweise bei kritischen Rohstoffen abbauen? Welche internationalen Partnerschaften sollte die EU jetzt stärken? Zu all diesen und vielen weiteren Fragen engagieren sich Politiker und Interessenvertreter und tragen gute Argumente vor, warum ihre Anliegen in der aktuellen Lage wichtiger sind denn je.

Die Industrie in Europa hat sich klar hinter die EU-Sanktionspolitik gegen Russland gestellt.  Bei den vielen Krisengesprächen in unserem europäischen Dachverband BusinessEurope spüre ich eine hohe Bereitschaft der nationalen Industrievertreter, das große wirtschaftliche Gewicht Europas zur Verteidigung von Frieden, Freiheit und Demokratie einzubringen. In diesen Tagen wird europäische Solidarität sehr konkret: Unsere europäischen Partnerverbände – nicht nur in Mittel- und Osteuropa – haben konkrete Initiativen lanciert, um humanitäre Hilfe oder die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Und es herrscht großes Verständnis für die wechselseitigen Sorgen und Nöte – auch für die deutschen Sorgen angesichts möglicher sozialer und wirtschaftlicher Folgen eines sofortigen Stopps russischer Energieimporte.