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Bundesregierung berücksichtigt BDI-Vorschläge bei 17. AWV-Novelle
In den letzten Jahren hat die Bundesregierung ihre Befugnisse zur Prüfung und Untersagung ausländischer Investitionen in private inländische Unternehmen mehrfach erweitert. Ziel ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung effektiver schützen zu können, etwa bei ausländischen Beteiligungen an kritischer Infrastruktur in Deutschland. Die weitreichendste dieser Änderungen war die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) im Jahr 2020. Hier wurde der Prüfmaßstab derart ausgeweitet, dass die Bundesregierung ausländische Investitionen schon beim Vorliegen „voraussichtlicher Beeinträchtigungen” der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (bisher: „tatsächliche Gefährdung”) prüfen und verbieten kann. Gleichzeitig wurden im Rahmen der Novelle notwendige Anpassungen an das EU-Recht vorgenommen.
Im Zuge der 15. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) wurden dann im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die staatlichen Untersagungsbefugnisse auf Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ausgeweitet. In einer 16. AWV-Novelle im Oktober 2020 erfolgten dann noch notwendige Anpassungen an die zeitgleich wirksam gewordene Screening-Verordnung der Europäische Union (2019/452).
Sorgen der Industrie wurden berücksichtigt
Mit der 17. AWV-Novelle wurde nun ein weiterer Schritt unternommen, um die im EU-Recht und im AWG bereits vorgezeichneten Kompetenzerweiterungen auch auf Verordnungsebene umzusetzen. Die 17. AWV-Novelle wird zu einer erneuten Ausweitung staatlicher Investitionskontrollen beitragen. Bei der Ausgestaltung der Regelungen war die Bundesregierung jedoch um eine Vermeidung unnötiger Lasten für die Wirtschaft bemüht. Im Gegensatz zu vorigen Novellen ist sie auf die meisten Forderungen der deutschen Industrie bezüglich des ursprünglichen Regierungsentwurfs vom Januar 2021 eingegangen:
- Eine Reihe von Teilbranchen, die künftig von staatlichen Investitionsprüfungen erfasst werden sollen, wurde präziser definiert. Damit werden weniger Übernahmen von Investitionsprüfungen betroffen sein.
- Die Abgrenzung der Teilbranchen soll zyklisch einer Überprüfung unterzogen werden. Die nächste Überprüfung ist für 2022 vorgesehen.
- Es wurde eine Möglichkeit gefunden, nach einer erstmaligen positiven Prüfung einen späteren Hinzuerwerb weiterer Anteile zu vereinfachen.
- Für institutionelle Investoren bzw. Finanzinvestoren, die über keine Mitbestimmungs- und Informationsrechte verfügen (etwa bei Börsengeschäften), wurde eine Möglichkeit der Vereinfachung gefunden.
- Konzerninterne Umstrukturierungen zwischen 100%igen Töchtern eines deutschen Mutterkonzerns ohne Änderung der Rechtsordnung (beide Töchter haben ihren Sitz im gleichen Land), werden von der Investitionsprüfung freigestellt (§ 55 Abs. 1b AWV).
- Die Eingriffe bzw. Prüfungen sollen effizient und belastungsarm ausgestaltet werden. Dazu trägt die Schaffung von mindestens 30 neuen Verwaltungsstellen bei, durch die der zusätzliche Prüfaufwand abgewickelt werden soll.
Bundesregierung muss Investitionsklima im Blick behalten
Staatliche Investitionsprüfungen sind ein notwendiges Instrument, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten zu können. Doch das Verbot von Investitionen ist immer auch ein schwerwiegender Eingriff in Privateigentum und Vertragsfreiheit sowie eine Einschränkung der Offenheit des Investitionsstandortes Deutschland. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass die Bundesregierung ihre zusätzlich gewonnenen Kompetenzen verhältnismäßig und mit Augenmaß einsetzt. Das gilt auch vor dem Hintergrund des weltweit zunehmenden Investitionsprotektionismus. Deutschland sollte hier international nicht als treibende Kraft wahrgenommen werden, denn unsere Unternehmen sind in besonderem Maße auf offene Grenzen im Ausland angewiesen.
Darüber hinaus muss die Abgrenzung der industriellen Teilbranchen, die in der AWV als sicherheitsrelevant definiert wurden, im kommenden Jahr kritisch hinterfragt werden. Denn die möglichen Auswirkungen bestimmter Technologien auf unsere Sicherheit können sich im Zuge des ständigen technologischen Wandels rasch ändern. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn mit der 17. AWV-Novelle zumindest vorläufig ein Schlusspunkt für die Ausgestaltung der staatlichen Investitionsprüfungen in Deutschland erreicht wurde. Denn ein verlässlicher Rechtsrahmen ist wichtig für Unternehmen, Investoren und für das Investitionsklima in Deutschland.