COVID-19 und Netzentgelte: Verordnung in Kraft getreten

Die COVID-19-Pandemie stellt die deutsche Industrie, Europa und die Welt weiterhin vor große Herausforderungen. Neben dem Erhalt der Versorgungssicherheit ist der Erhalt der Wertschöpfungsketten von besonderer Bedeutung. Die Gewährung von individuellen Netzentgelten trägt maßgeblich dazu bei, Wertschöpfungsketten in Deutschland zu erhalten. 

Individuelle Netzentgelte werden gemäß Stromnetzentgeltverordnung (§ 19 Abs. 2 S. 1 und 2 StromNEV – atypische und stromintensive Netznutzung) nur dann gewährt, wenn eine bestimmte Strommenge (7.000h-Kriterium) abgenommen wird. Die Abnahme einer bestimmten Strommenge wird pandemiebedingt zunehmend schwieriger bis unmöglich. Denn es wird aufgrund der Coronakrise viel weniger produziert und damit auch weniger Strom abgenommen. Die Unternehmen sind wie zuletzt während der Weltwirtschaftskrise 2008 gezwungen, ihre Produktion zu drosseln und erreichen aufgrund des unterjährig rückläufigen Strombedarfs das 7.000h-Kriterium meist nicht mehr. In Folge drohen den Unternehmen Netzkosten in 2-stelliger Millionenhöhe. Die Unternehmensexistenz ist meist existenziell gefährdet. Erfreulicherweise wurde von Seiten des Gesetzgebers nunmehr weitgehend Abhilfe geschaffen.

Ein konkretes Beispiel aus der Industrie: Aluminiumindustrie – Zulieferindustrie – Automobilindustrie

Wenn der weitgehende Shutdown der Automobilindustrie noch länger anhält, wird es zwangsläufig dazu kommen, dass der Absatz nachhaltig einbricht. Dann müsste die Produktion in der Aluminiumindustrie noch weiter gedrosselt werden. 

Eine Drosselung der Produktion würde in Abstimmung und auch zum Schutz ihrer Abnehmer – im wesentlichen Zulieferer der Automobilhersteller – erfolgen. Sofern die Unternehmen der Aluminiumindustrie beispielsweise auf Vertragserfüllung und damit auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Menge bestehen würden, würden sie ihre Kunden (Zulieferindustrie) in die Insolvenz zwingen. Tatsache ist, dass die Kunden der Aluminiumindustrie die Materialien zurzeit nicht bzw. zumindest nicht im gleichen Umfang zu Auto-Zulieferteilen verarbeiten und an die Automobilindustrie weiterverkaufen können.

Wichtigste Forderung des BDI wurde berücksichtigt     

Der BDI ist zeitnah tätig geworden und hat bereits im April 2020 mit seinen Mitgliedsverbänden und deren Unternehmen einen Formulierungsvorschlag erarbeitet. Der BDI-Formulierungsvorschlag enthält folgende drei Kernpunkte: 

  1. Die durch die Pandemie in 2020 bereits entstandenen und noch entstehenden Nachteile sollten ausgeglichen werden. Diese könnten durch eine ersatzweise Verwendung der Parameter wie Lastverlauf, Jahresbenutzungsstunden und Jahresstromverbrauch an den betreffenden Abnahmestellen aus dem Kalenderjahr 2019 für die von der COVID-19-Pandemie beeinträchtigten Kalenderjahre (teilweise) erfolgen.
  2. Unter Nachweis besonderer Umstände, die in Einzelfällen dazu geführt haben, dass der Nachweis der tatsächlichen Erfüllung der Voraussetzungen ((§ 19 Absatz 2 Satz 1 bis 4 StromNEV) für das Kalenderjahr 2019 ausnahmsweise nicht erbracht werde konnte (z. B. Großrevisionen), sollte der Nachweis ersatzweise für das Kalenderjahr 2018 ermöglicht werden.
  3. Für Abnahmestellen, für die im Jahr 2020 erstmals ein individuelles Netzentgelt vereinbart und angezeigt wird, sollte vorübergehend der Nachweis der Erfüllung der materiellen Voraussetzungen nachträglich ermöglicht werden.

Verabschiedung im Bundesrat im Oktober 2020 erfolgt

Der Bundesrat hat den Verordnungsentwurf Anfang Oktober 2020 verabschiedet. Zuvor hatte das Bundeskabinett dem Entwurf im August zugestimmt. Erfreulich ist, dass es nunmehr künftig möglich sein wird, auf das Referenzjahr 2019 zurückzugreifen (Kernpunkt 1).

Zu weiteren vom BDI geäußerten Punkten (Kernpunkte 2 und 3) stehen der BDI mit dem Bundeswirtschaftsministerium weiterhin im Kontakt. Darüber hinaus wird es nunmehr auch erforderlich sein, die Regelung auch (anteilig) auf das Jahr 2021 zu erstrecken.

Laut Bundeswirtschaftsministerium war eine beihilferechtliche Notifizierung der Übergangsregelung (§ 32 Abs. 10 S. 1 und 2 Stromnetzentgeltverordnung) in Absprache mit der Europäischen Kommission nicht erforderlich und ist daher nicht erfolgt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat hierzu von der Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel ein Schreiben (sogenannten Comfort Letter) erhalten. Auch dies ein guter Erfolg und für die energieintensive Industrie von großer Bedeutung. Die Verordnung ist Anfang November 2020 in Kraft getreten.