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Welche Rolle spielen Daten in der Medizin?

Die datengetriebene Medizin – die Nutzung von Big Data in der Medizin und Gesundheitsindustrie – verspricht sowohl bessere Diagnosen und schnellere Herstellung neuer Medikamente als auch passgenaue Therapien und maßgeschneiderte Behandlungen. Auch während der Pandemie haben Patientinnen und Patienten massiv von datengetriebenen Innovationen profitiert. Die Daten stammten allerdings nicht aus Europa, sondern aus dem Ausland. Ein Zustand, der nicht nachhaltig ist und zudem Abhängigkeiten schafft.

Medizin ist, wie andere Industrien auch, datengetrieben. Immer mehr Menschen nutzen aktiv eigene Gesundheitsdaten für die Optimierung ihrer Gesundheit oder für die eigene medizinische Behandlung, angefangen von personalisierten Gesundheitsprofilen aus den Daten von Fitness- und Aktivitäts-Trackern bis zur Genomsequenzierung (d.h. Sequenzierung des Erbguts; dazu gehören Chromosomen, DNA und RNA).  

Paradigmenwechsel in der Medizin 

Die rasante Entwicklung der datengetriebenen Medizin hat unlängst ihren Niederschlag im industriellen Wettbewerb gefunden. Amerikanische Unternehmen, die sich bspw. der Genomsequenzierung widmen, versuchen Datensätze unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Struktur miteinander zu verbinden und für den Markt nutzbar zu machen.  So werden Repositorien, verwalteter Speicherort für digitale Objekte, mit elektronischen Gesundheitsakten gekoppelt, um die Genomforschung voranzutreiben, und elektronische Gesundheitsakten werden mit Biomarker-Datenbanken gekoppelt, um anhand der Biomarker Krankheitszusammenhänge zu identifizieren. 

Für die deutsche Industrie zeigt sich unverkennbar auf: Daten sind Rohstoff und Innovationstreiber des 21. Jahrhunderts und die zentrale Währung der digitalen Transformation – auch in der Medizin. Die Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten aus der Versorgung hat lebensrettendes Potenzial und ist essenziell für eine zukunftsfähige industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland und Europa.  Deutschland ist bisher kein Standort für datengetriebene Medizin. Datengestützte Gesundheitslösungen “Made in Germany” werden aktuell mit Daten aus dem Ausland entwickelt. Langfristig bildet sich damit ein Abhängigkeitsverhältnis der deutschen Industrie hinsichtlich medizintechnischer Innovationen aus dem Ausland, vorwiegend der USA und China.  

Datenschutz als Hürde der Zukunft 

Wie es möglich ist, an der globalisierten, datengetriebenen Medizinforschung teilzunehmen und trotzdem langfristig ein hohes Datenschutzniveau aufrechtzuerhalten, ist Gegenstand aktueller Debatten auf europäischer Ebene. Datenschutz und Datennutzung müssen jedoch nicht in Widerspruch zueinanderstehen. Mit Blick auf den Patientenschutz sind punktuelle Anpassungen der DSGVO erforderlich. So sollten EU-Bürger ihre Daten einfacher zu Forschungszwecken bereitstellen können.  

Die Projektgruppe Health Data Space der BDI-Initiative Gesundheit digital setzt sich aus diesem Grund für einen geregelten Europäischen Gesundheitsdatenraum ein. Dafür braucht es neben dem Aufbau einer technischen, kollaborativen Infrastruktur für den Datenaustausch in der Gesundheitswirtschaft auch eine ökonomische Infrastruktur, die einen fairen und breiten Datenzugang zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen schafft. Wichtig ist, den Ausbau funktionierender Schnittstellen auf multilateraler Ebene voranzutreiben, um strukturierte qualitativ hochwertige Datensätze zu verknüpfen. Dabei wird sich an schon bestehenden Datenräumen anderer Industrien orientiert (Bsp: CatenaX, Datenraum Mobilität) und politisch gewollte Projektvorhaben wie die europäische Cloud-Initiative GaiaX besonders berücksichtigt.