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Der europäische Wiederaufbauplan nach der Corona-Pandemie

Die schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie veranlassten die politischen Entscheider der Europäischen Union zum Handeln. Auf eine deutsch-französische Initiative hin schlug die Europäische Kommission im Mai 2020 „NextGenerationEU“ (NGEU) vor, ein befristetes Programm im Umfang von 750 Milliarden Euro. Die finanziellen Mittel sollen die EU-Mitgliedsstaaten bei ihren Maßnahmen für einen nachhaltigen Aufschwung unterstützen.

Das Programm NGEU setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Mit 672,5 Milliarden Euro bildet die Aufbau- und Resilienzfazilität das Kernstück des Programms. Hiervon sind 312,5 Milliarden Euro als Zuschüsse verplant, die die Mitgliedstaaten nicht an die EU zurückzahlen müssen. Der Rest, 360 Milliarden Euro, kann als Darlehen verteilt werden. Die verbleibenden 77,5 der 750 Milliarden Euro werden anderen Programmen zugeordnet, bspw. dem Forschungsprogramm Horizon Europa, dem Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Funds) oder Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums.

Kurz- bis mittelfristige Mittelverwendung bei langfristigem Refinanzierungshorizont

Die Finanzierung des Programms erfolgt über die Europäische Kommission, die die benötigten Mittel ausschließlich am Kapitalmarkt aufnimmt. Dies ist ein Novum. Noch nie zuvor hat die Europäische Union sich Beträge in dieser Größenordnung von Investoren geliehen. Die aufgenommenen Gelder werden über künftige EU-Haushalte zurückbezahlt. Um die hierdurch entstehende finanzielle Belastung für zukünftige Generationen moderat zu halten, hat man sich auf ein Rückzahlungszeitraum von 30 Jahren verständigt, der jedoch erst mit dem Jahr 2028 beginnt. Alle ausstehenden finanziellen Verpflichtungen müssen demnach bis spätestens 2058 beglichen worden sein.

Die Verteilung der Zuschüsse und Darlehen an die Mitgliedsländer erfolgt nach einem festgelegten Schlüssel, der die Bevölkerungsgröße, die Wirtschaftskraft und die Situation am Arbeitsmarkt berücksichtigt. Die größten Empfängerländer von EU-Zuschüssen in absoluten Zahlen sind Spanien und Italien, gefolgt von Frankreich, Deutschland und Polen. Während 70 Prozent der Mittel für die Jahre 2021 und 2022 fest verplant werden müssen, sind die verbleibenden 30 Prozent in 2023 zu verankern. Dies bedeutet, dass entsprechende Beträge in den nationalen Haushalten für eben genannte Zeiträume einer bestimmten Aktivität fest zugeschrieben werden müssen. Auszahlungen sind noch bis in das Jahr 2026 möglich.

Auszahlungen nur bei Erreichen von Etappenzielen

Damit ein Mitgliedsland die ihm zustehenden Mittel auch erhält, musste der Europäischen Kommission bis Ende April 2021 ein Aufbau- und Resilienzplan vorgelegt werden, der gewissen Anforderungen nachkommt. So war es beispielweise Pflicht, mindestens 37 Prozent der geplanten Ausgaben für Reformen und Investitionen für den ökologischen und 20 Prozent für den digitalen Wandel zu veranschlagen. Zugleich müssen die Maßnahmen zur Stärkung des Wachstumspotenzials, zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Resilienz beitragen. Zu guter Letzt sind Reformvorschläge der Europäischen Kommission aus den Vorjahren zu beachten.

Die Pläne sind so konkret wie möglich auszuformulieren und müssen Etappenziele enthalten. Letztere sind maßgeblich für die Auszahlung der Mittel, die an die Erreichung jener Ziele geknüpft wird. Die Pläne wurden von der Europäischen Kommission geprüft und müssen vom Rat der Europäischen Union beschlossen werden. Die ersten Gelder sollen bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 ausgezahlt werden. Im Anschluss gilt es, ein wachsames Auge auf die Umsetzung der Pläne zu werfen. Denn damit steht und fällt der Erfolg des ersten großen europäischen Konjunkturprogramms.