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Die Idee einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“

Die Berliner Stiftung „Verantwortungseigentum“ hat Anfang 2021 einen Regelungsvorschlag für eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ entworfen, der Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Der Vorschlag beruht auf der Idee, einen rechtlichen Rahmen für Unternehmen mit einem treuhänderischen Unternehmensverständnis zu schaffen. Diese Rechtsform ist aus Sicht des BDI weder geeignet noch erforderlich für die Zielsetzung eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmertums.

Nach Vorstellung der Initiatoren soll es in der neuen Rechtsform keine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter geben, sondern die Gewinne und das Vermögen müssen im Unternehmen verbleiben („Asset-Lock“). Die Geschäftsanteile können nicht vererbt oder zum Marktpreis veräußert, sondern nur an Personen derselben „Fähigkeiten- und Wertefamilie“ zum Nennwert weitergegeben werden („Fähigkeiten- und Wertefamilie“). Beide Merkmale sollen unabdingbar sein und selbst durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss nicht geändert werden können („Unabdingbarkeit“).

Unterstützung findet die Idee insbesondere bei einigen Unternehmen aus der Gründerszene (Startups), bei einigen Unternehmen aus dem Mittelstand und bei verschiedenen Familienunternehmen, die sich erhoffen, durch die neue Rechtsform Nachfolgeprobleme zu lösen.

Eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ ist aus Sicht des BDI eine spannende und beeindruckende Initiative. Das wird schon an den zahlreichen Presseartikeln deutlich, die zu dieser Thematik in den letzten Monaten veröffentlicht worden sind. Aus unternehmerischer Sicht ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn verschiedene gesellschaftsrechtliche Unternehmensformen zur Verfügung stehen, die dem jeweiligen Unternehmenszweck dienen.

Kritikpunkte an der Initiative

  • Ordnungspolitische Bedenken: Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen führt aufgrund des Asset-Lock zu einer Anhäufung von immer mehr Gewinn und Vermögen. Sie unterläuft die Zerschlagungswirkung des Erbrechts. Das ist die Rückkehr zum mittelalterlichen Fideikommiss (unveräußerliches und unteilbares Vermögen). Die Stiftung bildet eine Ausnahme und steht unter Aufsicht.
  • Verstoß gegen Privatautonomie und Verbandsfreiheit: Durch die vorgeschlagene Rechtsform käme es zu einer Vermögensbindung innerhalb eines engen Kreises. Käufer und Nachfolger dieser Rechtsform wären auf natürliche Personen, andere Gesellschaften mit gebundenem Vermögen oder Stiftungen beschränkt. Nicht möglich wäre der Erwerb von Geschäftsanteilen durch andere Gesellschaftsformen. Diese Sperrwirkung des Vermögens für zukünftige Generationen dürfte gegen die Prinzipien der Privatautonomie und Verbandsfreiheit verstoßen.
  • Übernahmeschutz nicht wirksam: Die neue Rechtsform schützt nicht wirksam vor Übernahmen durch Dritte, da eigenkapitalähnliche Finanzierungen (z. B. stille Beteiligungen) möglich bleiben sollen.
  • Andere Finanzierungsformen als Venture Capital mit späterem Exit für Startups: Der Wunsch aus der Gründerszene, auch nach der Gründungsphase am Markt bestehen zu können, ist nachvollziehbar. Doch zum Einsatz von Venture Capital wird kein Unternehmen gezwungen. Ein finanzstarker Business-Partner, Crowdfunding oder staatliche Förderungen sind Finanzierungsformen, die keinen zwingenden späteren Exit zur Folge haben.
  • Image: Das Image von Unternehmen, die nicht als Gesellschaft mit gebundenem Vermögen organisiert sind, könnte durch die Schaffung einer neuen Unternehmensform, die das Verantwortungseigentum stärken soll, in der Öffentlichkeit beschädigt werden. Daran dürfte auch die Namensänderung durch den neuen Vorschlag nichts ändern. Denn Zielsetzung der neuen Unternehmensform soll es sein, im Wettbewerb nicht mit Geld, sondern durch eine höhere Vertrauenswürdigkeit Kunden zu werben. Dadurch wird fälschlicherweise suggeriert, dass Unternehmen in anderen Rechtsformen nicht zwingend vertrauenswürdig sind.
  • Finanzierungsdefizite: Spätestens in der Krise der Gesellschaft bestünden Finanzierungsdefizite. Wer möchte sich mit Eigenkapital an einer Gesellschaft beteiligen, wenn keine Aussicht auf eine Beteiligung am Gewinn und am Wertzuwachs des Unternehmens besteht? Als Alternative bleibt die Fremdfinanzierung, die in der Krise schwer zu erhalten sein dürfte.
  • Auswirkungen bei Misserfolg: Der Erfolg oder das Scheitern eines Unternehmens sind nicht nur die „Privatsache“ der Gesellschafter, denn an einem Unternehmen hängen in der Regel eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, Lieferanten- und Kundenbeziehungen sowie Interessen der öffentlichen Hand.
  • Steuerliche Gerechtigkeitslücken: Zwar sieht der Entwurf keine unmittelbare steuerliche Privilegierung vor. Die Gesellschaft in neuer Rechtsform kann sich aber die niedrige steuerliche Belastung thesaurierter Gewinne auf ewig zunutze machen, ohne dass es zum Ausgleich durch die nachgelagerte Besteuerung der später ausgeschütteten Gewinne auf Gesellschafterebene kommt. Das in der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen entstehende Vermögen wird zudem dauerhaft der Schenkungs- und Erbschaftssteuer entzogen, weil sich diese Steuer bei einem Anteilsübergang nur an der geleisteten Einlage orientiert. Diese Privilegien gelten bisher nur bei der gemeinnützigen Stiftung oder gemeinnützigen GmbH. Wenn man das auf eine erwerbswirtschaftlich tätige Körperschaft ausdehnt, wirft das Fragen der steuerlichen Veranlagungsgerechtigkeit auf („Das Beste aus allen Welten“).
  • Vorteile einer Stiftung: Im Vorteil bleiben aus Sicht der deutschen Wirtschaft weiterhin die gemeinnützige GmbH und Stiftungsmodelle. Sie erlauben steuerlich gemeinnützige, sonstige ideelle oder gemischte Zwecke von Gesellschaftern und werden durch eine Stiftungs- oder Finanzaufsicht überwacht.
  • Kein Bedarf wegen vieler anderer Möglichkeiten: Niemand hindert die Gesellschafter einer GmbH oder Personengesellschaft daran, sich auf eine ewige Thesaurierung der Gewinne zu verständigen. Wer vermeiden will, dass diese Verständigung künftig geändert werden kann, der kann ein Stiftung bürgerlichen Rechts errichten. Eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen wird dafür nicht gebraucht.
  • Reform des Stiftungsrecht: Sind die verschiedenen Stiftungsmodelle zu aufwändig, bürokratisch und unflexibel, sollte das Stiftungsrecht reformiert und keine neue Gesellschaftsform geschaffen werden.

Vorschlag: Zertifizierungsregime

Aus Sicht des BDI könnte die Ausrichtung einer Gesellschaft als besonders nachhaltig und gemeinwohlverträglich agierendes Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit durch ein Branding kenntlich gemacht werden. Das Branding würde jeder Rechtsform zur Verfügung stehen und nicht nur einzelnen Gesellschaftsformen und könnte als ein gesetzliches oder privatrechtliches Zertifizierungsregime ausgestaltet werden.