Karsten Möring © Deutscher Bundestag

Die neue Seveso-III-Richtlinie stellt keine Erfolgsbremse für Industrieprojekte dar

Interview mit dem Kölner CDU-Bundestagsabgeordneten Karsten Möring – Herr Möring ist Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit des Bundestages und Berichterstatter seiner Fraktion für die „Seveso-III“-Richtlinie.

Herr Möring, die „Seveso-III“-Richtlinie hat zu intensiven Diskussionen über die Auswirkungen des europäischen Störfallrechts auf Industriestandorte in Deutschland geführt. Die Regelungsentwürfe des Umweltministeriums zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht litten aus Sicht betroffener Unternehmen daran, dass erhebliche Unsicherheiten bei der Anwendung aufgetreten wären. Es bestand die Sorge, dass industrielle Tätigkeit und Weiterentwicklung an bestehenden Industriestandorten in Gemengelagen gefährdet sei. Nun ist im Bundestag die Entscheidung gefallen.

Können Sie Entwarnung geben, insbesondere was den Bestandsschutz von Industrieanlagen betrifft?

Wir haben uns darauf verständigt, und das ist ein schöner Erfolg, dass § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes das Abstandsgebot für die Planung regelt. Es wird also wie bisher auf das Bauplanungsrecht ankommen. Die ursprünglichen Regelungsvorschläge hätten vor allem für Betriebe in Gemengelagen bedeutet, dass eine Erweiterung oder Änderung des Betriebsbereiches unter Umständen nicht mehr möglich gewesen wäre. Nach intensiver Diskussion konnten wir festschreiben, dass ein neues störfallrechtliches Genehmigungsverfahren nur dann notwendig ist, wenn der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. Diese Grundlage für die neue Anwendungspraxis ist von großer Bedeutung, um bis zum Erlass einer „TA Abstand“ Planungs- und Rechtssicherheit für die Gemengelagen zu schaffen. Mit der gefundenen Regelung ist de facto Bestandsschutz erreicht. Die neue Seveso-III-Richtlinie stellt also dank unseres Einsatzes keine Erfolgsbremse für Industrieprojekte dar, sondern sichert zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten an den betroffenen Standorten.

Wie soll aus Sicht der Politik künftig der angemessene Abstand festgestellt werden?

Mir geht es darum, dass es darauf keine pauschale Antwort geben soll, sondern dass einerseits das Gefährdungspotenzial und andererseits die Art der potenziell gefährdeten Objekte bei der Ermittlung berücksichtigt werden. Diese komplexen Regelungen lassen sich in einem Gesetz schwerlich abbilden. Deshalb finde ich es richtig, dass diese Fragen in einer eigenen Verwaltungsvorschrift mit dem Arbeitstitel  „TA Abstand“ geregelt werden. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen und deswegen erst in der nächsten Legislaturperiode realisiert werden können.

Wie bewerten Sie die zusätzlichen Bürokratiekosten durch die Neuregelungen, insbesondere durch die Einführung des neuen Anzeigeverfahrens?

Das Problem zunehmender Bürokratiekosten ist mir sehr wohl bewusst und ich habe im ganzen Verfahren darauf gedrungen, den Aufwand möglichst gering zu halten. Mit dem neuen § 23a gehen wir in der Tat über die EU-Regelungen national hinaus und schreiben für bestimmte Veränderungen ein Anzeigeverfahren vor. Es leuchtet ein, dass die Betriebe bei der ihnen selbst obliegenden Gefährdungsbeurteilung zwar die betriebliche Seite genau kennen, meiner Ansicht nach nicht aber unbedingt die Situation außerhalb ihres Betriebsgeländes. Wir wollten verhindern, dass mit dem Anzeigeverfahren sozusagen ein Genehmigungsverfahren durch die Hintertür eingeführt wird. Deshalb haben wir der Verordnung einen Entschließungsantrag an die Seite gestellt, in dem wir von der Bundesregierung verlangen, die Bereitstellung von Informationen und den Bürokratieaufwand für den Vorhabenträger auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen.

Die Seveso-III-Richtlinie erweitert die Öffentlichkeitsbeteiligung. Wird der Schutz sensibler Daten im Gesetz sichergestellt?

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung müssen zukünftig Informationen elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Dabei habe ich darauf geachtet, dass schon aus Sicherheitsgründen keine detaillierten Informationen zu gefährlichen Stoffen und Standorten bekannt gemacht werden müssen. Die bestehenden materiellen Genehmigungsanforderungen werden dadurch nicht verändert. Im Übrigen ist eine ordentliche Öffentlichkeitsbeteiligung für die Akzeptanz des Betriebes und seiner Entwicklung von großer Bedeutung und sollte deshalb schon aus Eigeninteresse als Chance wahrgenommen werden.

Das alles stellt die Industrie vor große Herausforderungen – wie gehen Sie weiter damit um? Es bleiben ja noch offene Fragen, was müssen wir von der geplanten „TA Abstand“ erwarten?

Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, mit der Seveso-III-Umsetzung die Belange des Umweltschutzes mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten in eine ausgewogene Balance zu bringen. Von diesem Grundsatz wollen wir uns als Union auch in Zukunft leiten lassen. Die Herausforderungen werden in Zukunft mit Sicherheit nicht geringer, ich denke da als zuständiger Berichterstatter nur an die Novellierung der TA Luft oder an die Weiterentwicklung von REACH. Sie zu bewältigen wird nur mit gemeinsamer Anstrengung möglich sein.