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E-Privacy: Digitale Askese ist keine Lösung

Das Kommunikationsgeheimnis und der Schutz der Privatsphäre sind grundrechtlich geschützte Güter. Die Herausforderung unserer Zeit liegt darin, diese Güter weiterhin zu schützen und zugleich neue Innovationen nicht von vornherein zu verhindern.

Wir befinden uns in der Digitalwirtschaft an einem kritischen Punkt, denn nicht alles was technisch möglich ist entspricht auch unserem Rechtsverständnis. In verschiedenen Rechtsräumen, wie beispielsweise China, USA und der EU, werden Datenschutz und Staatsschutz unterschiedlich ausgelegt und gelebt. Im Kontext der E-Privacy-Diskussion geht es um die richtige Balance zwischen dem Schutz der Kommunikation und der individuellen Privatsphäre einerseits und der Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettstreit der Datenwirtschaften andererseits. Es ist an der Zeit, die Debatte im Umgang mit personenbezogenen Daten zu versachlichen. Die Frage, welche Daten jeder Einzelne freigibt, ist keine Frage von Schwarz oder Weiß, sondern eine Frage des fortwährenden Abwägens. Digitale Askese ist keine Lösung, weil sie jede Fortentwicklung und Innovation verhindert.

Forderungen nach noch schärferen Datenschutzregeln sind daher fehl am Platz. Die Implementierung der neuen Anforderungen der seit Mai 2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stellt gerade für viele kleine und mittlere Unternehmen eine große Herausforderung dar. Datenschutzrecht darf nicht zum Innovationshemmnis und Standortnachteil werden. Dies ist bei dem derzeit vorliegenden Vorschlag zur E-Privacy-Verordnung jedoch mehr als fraglich. Dieser stellt an vielen Stellen die mühsam gefundenen Kompromisse der DSGVO nun wieder in Frage. Überschneidungen mit der DSGVO müssen in der E-Privacy-Verordnung daher dringend geklärt werden. An der Schnittstelle zwischen den beiden Verordnungen bedarf es einer präzisen Definition des materiellen Anwendungsbereichs. 

E-Privacy darf digitales Innovationspotenzial nicht behindern

Durch den weiten Anwendungsbereich des E-Privacy-Verordnungsvorschlags wird ein Großteil digital vernetzter Geschäftsmodelle des Internets der Dinge, der Industrie 4.0 und der Künstlichen Intelligenz unter strengste Privatsphäreanforderungen gestellt. Anforderungen, die die bereits strengen Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung noch überbieten. Die Abgrenzung zwischen beiden Regimen ist aber nach wie vor nur schwer nachzuvollziehen. Es muss dringend mehr Kohärenz zwischen E-Privacy- und Datenschutzgrundverordnung hergestellt werden. 

Die derzeitige Ausgestaltung des Verordnungsvorschlags wird das Innovationspotenzial vieler Geschäftsmodelle bei Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge erheblich beeinträchtigen, da selbst die Signalübertragung im Rahmen der Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikation tangiert wäre. Dies würde zum Beispiel vernetzte Fahrzeuge, automatisierte Lieferketten oder Fuhrpark- und Verkehrslösungen, aber auch Innovationen im Handel wie die Kommunikation eines Kühlschranks mit einem Lebensmittelgeschäft, gleichermaßen betreffen. Auch ist für viele Unternehmen beispielsweise aus der Automobilbranche oder dem Energiesektor unklar, wer genau in den Anwendungsbereich des VO-Vorschlags fällt. Die Verunsicherung der Wirtschaft ist enorm. Es gilt den schwierigen Balanceakt zwischen Schutz der Kommunikation einerseits, und dem Erhalt der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Europas andererseits zu lösen.