Drei Startups, drei Gründergeschichten
Wie entstand die Idee zum Startup?
Sebastian Daus, Co-Founder & CEO, FixFirst:
„Schon vor dem Studium habe ich im Handwerksbetrieb meines Vaters im Bereich Elektro geholfen und einige Elektrogeräte mit repariert. Dabei sind mir in Bezug auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung vor allem drei Sachen aufgefallen: Zum einen denken viele Kundinnen und Kunden häufig, dass sich das Reparieren nicht lohnt und ein Neukauf energieeffizienter ist. Sie ziehen Reparaturen daher selten in Erwägung. Zum anderen stehen Unternehmen vor unterschiedlichen Herausforderungen: Fehlersuche, verschiedene Geräte und Anforderungen, Ersatzteile, Anfahrten, usw. Damit das alles funktioniert, braucht es manchmal schon ein Wunder.
So wie es heute läuft wird es nicht lange bleiben – wir sehen, dass sich in den nächsten drei Jahren mehr verändern wird als in den letzten 30! Damit war der Grundstein zur Gründung gelegt. In Zeiten des Klimawandels, Bevölkerungswachstums und Ressourcenknappheit müssen wir unsere Produkte einfach besser als je zuvor nutzen. Da hat uns die Idee und das Potenzial der Kreislaufwirtschaft gepackt – FixFirst als Lösung und Mindset ist unsere Antwort! Perspektivisch wollen wir mit unserer Softwarelösung als Industry Operating System für Wiederverwendungspotenziale und zirkuläres Produktdesign bis 2030 dazu beitragen, die Lebensdauer von über einer Milliarde Produkte zu verlängern. Dabei wollen wir mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 einzusparen – allein mit Elektronik, aber auch andere Industrien sind für uns spannend!"
David Oudsandji, Co-Founder & CFO, Voltfang GmbH:
„Die Gründer, also wir, besitzen einen gemeinsamen Camping-Van, dessen Camper-Batterie mit einem PV-Modul auf dem Dach betrieben wird. Da diese Batterie eine geringe Kapazität aufwies, wollten wir dafür einen Ersatz suchen. Dabei sind wir schnell auf gebrauchte Elektroauto-Batterien gestoßen. Nachdem wir herausgefunden haben, was derzeit unter Recycling von E-Autobatterien verstanden wird, wurde uns bewusst, wie problematisch und umweltschädlich die Produktion und die Entsorgung von Batterien noch ist. Denn oftmals ist das Recycling von Batterien sehr teuer und ineffizient, deshalb werden diese nur selten auch wirklich dem Recycling zugeführt. Die E-Auto-Batterien werden schon sehr früh aussortiert, obwohl sie für andere Anwendungsmöglichkeiten eine Restkapazität von rund 80 Prozent aufweisen. Deshalb wollten wir einer E-Auto-Batterie nach dem End-of-Life im Fahrzeug ein zweites Leben in unserem Van geben.
Für den Van sind die E-Auto-Batterien jedoch deutlich zu groß, deshalb hat uns das auf eine andere Idee gebracht und wir haben sie in einen stationären Batteriespeicher installiert, um die von einer PV-Anlage generierte Energie zu speichern. Die 2-nd Life Speicher sind ideal für gewisse Use Cases, wie beispielsweise Eigenverbrauchsoptimierung, Lastspitzenkappung oder Pufferspeicherung, welche häufig bei kleinen und mittleren Unternehmen auftauchen. Die Kunden sind andere, aber die nachhaltige Weiterverwendung von Batterien bleibt bestehen."
Benjamin Mandos, Co-Founder & CEO – GOT BAG GmbH:
„Seit Kindertagen war ich eng mit dem Meer verbunden und wollte aktiv etwas dagegen tun, dass mehr und mehr Plastik in die Ozeane gelangt. Symbolisch passt ein Rucksack als Lösung da natürlich gut. Er steht dafür, dass wir alle gemeinsam die große Aufgabe schultern müssen, die Wasserqualität für die Zukunft von Flora und Fauna zu sichern. Tatsächlich ergab sich die Idee zu einem Rucksack aus Meeresplastik jedoch eher zufällig, machte für mich aber vor allem Sinn, weil ein Rucksack im Idealfall ein besonders langlebiges, robustes und pflegeleichtes Produkt sein kann. Mittlerweile sind unser Team und die GOT BAG Kunden nicht nur von der ursprünglichen Idee überzeugt, sondern ebenso von den funktionalen Rucksäcken mit ihrem minimalistischen, zeitlosen Design. Der „ROLLTOP“ hat sich als idealer Allrounder etabliert.
Mit unserem „Clean-up-Programm“ in Demak (Nordküste von Java in Indonesien), sammeln wir mit einem Netzwerk von rund 2.300 Fischern, Plastik als Beifang aus dem Meer: Je nach Produkt benötigen wir davon 1,5 kg bis 5 kg – das sind mittlerweile bis zu 50 Tonnen pro Monat. Da unsere Produkte möglichst lange verwendet werden sollen, können Kundinnen und Kunden unseren Reparaturservice nutzen, falls die langlebigen Rucksäcke jemals abgenutzt oder beschädigt sein sollten. Wenn sie nicht mehr repariert werden können, wird das Material wieder unserer Produktion zugeführt."
Der Koalitionsvertrag wurde Ende November 2021 von der neuen Regierung vorgelegt. Was denken Sie, an welchen Stellschrauben muss die ‚Ampel‘ drehen, damit ‚Circular Startups' ihr Potenzial auch wirklich entfalten können?
Sebastian Daus, Co-Founder & CEO, FixFirst:
„Offen gestanden lesen sich die meisten Punkte aus dem Koalitionsvertrag für uns bei FixFirst sehr positiv: Sei es das Recht auf Reparatur, Produktpass, Zugang zu Ersatzteilen und Informationen sowie Langlebigkeit von Produkten, Nachhaltigkeit by Design oder die Einbindung der Hersteller und die Förderung der Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze. Jedoch wird es wie immer auf die Umsetzung ankommen. Deshalb werden wir dabei nicht zuschauen, sondern uns auch aktiv einbringen. Für Startups, speziell in dem Bereich der Circular Economy, braucht es einfachen und unbürokratischen Zugang zu Fördermitteln und vernünftige Gesetze. Diese neben einer gewissen Planbarkeit auch hohe Maßstäbe und Anreize für wettbewerbsfähige Lösungen setzen. Wenn wir hier zu langsam agieren oder zu flapsige Marktmechanismen fördern, werden die zukünftigen Technologien der Circular Economy woanders entstehen. Nur durch die Berücksichtigung dieser Perspektive und einer vorbildlichen Umsetzung politischer Rahmenbedingungen, können „Circular Startups“ ihr Potenzial wirklich entfalten."
David Oudsandji, Co-Founder & CFO, Voltfang GmbH:
„Für viele Menschen ist „Circular Startup“ noch kein Begriff. Dabei spielen sie eine wichtige Rolle in der nachhaltigen Entwicklung und Innovation unserer Gesellschaft. Es wäre wichtig, konkretere Aussagen in dem Bereich zu tätigen, um nicht nur Startups im allgemeinem zu unterstützen, sondern insbesondere jene mit Zukunftstechnologien in Bereichen wie nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft zu fördern. Von der Ampel erwarten wir, dass Gesetze verabschiedet werden, die nachhaltiges Produzieren und Circular Economy subventionieren – durch beispielsweise Förderung, ganz klare Recycling- und Weiterverwendungsquoten sowie strikte Einhaltung der Abfallhierarchie. Es gibt noch weitere Wege, nachhaltige Produktion und Kreislaufwirtschaft zu fördern. Grundsätzlich ist es wichtig, per Gesetz das 'reusing', 'repairing' und 'recycling' attraktiver zu machen."
Benjamin Mandos, Co-Founder & CEO - GOT BAG GmbH:
„Mit unserer Arbeit folgen wir der Überzeugung, dass ökologische Probleme nur gesamtgesellschaftlich und global gelöst werden können. Deshalb entwickeln wir unsere Lieferkette Schritt für Schritt weiter. Ausdruck dessen sind die zahlreichen Zertifizierungen der einzelnen Produktionsschritte, die wir bereits nutzen oder anstreben. Dabei setzen wir stark auf kooperatives Handeln, sowohl in der Rohstoff-Beschaffung, im Produktionsprozess als auch in aufmerksamkeitsstarken Gemeinschaftsprojekten. Dazu zählen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Forschungseinrichtungen, nachhaltigen Zertifizierungsanbietern und Behörden vor Ort. Grundsätzlich hat unsere Arbeit aber nur dann einen Effekt, wenn Müllexporte künftig stärker kontrolliert werden und Müll kein Handelsgut wird. Es ist wichtig, mit verschärften Verpackungsgesetze und der Förderung alternativer Verpackungsmethoden mehr Verbindlichkeit in die Problembekämpfung zu bringen. Politische Unterstützung benötigen wir, um Nachweise zu vereinfachen und Anforderungen an die Supply Chain nachhaltiger Produkte klarer zu machen."
Auf die Frage, welche Weichen gestellt werden müssen, sodass vor allem zirkuläre Startups profitieren, antwortet Miki Yokoyama: „Wir sehen die Pläne der Ampel-Regierung für die Startup-Szene in erster Linie positiv. Der Plan, Gründungen schnell und unkompliziert innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen und digitale Schlüsseltechnologien zu fördern ist auch aus Sicht der UnternehmerTUM ein richtiger Schritt. Damit zirkuläre Startups aber auch langfristig durchstarten, muss ihre Rolle von der Regierung als wichtiges Querschnittsthema begriffen werden, auch für Circular Economy.
Eine Stärkung zirkulärer Startups kommt auch unserer gesamten Industrie zugute. Nur durch ein cross-sektorales und vertikales Zusammenspiel aller Akteure – von Politik, Wissenschaft, Gesellschaft, bis hin zur etablierten Industrie und den Startups – gewinnt zirkuläre Innovation erst wirklich an Dynamik. Studien zufolge fokussieren aktuell 10-20 Prozent aller ‘purpose-driven’-Startups in Europa zirkuläre Verfahren. Das spiegelt sich in einem sich wandelnden Ökosystem wider.“
Die BDI-Initiative Circular Economy freut sich, auch weiterhin gemeinsam mit der UnternehmerTUM im Rahmen der Initiative den Weg für zirkuläre Innovationen zu ebnen.