Fatih Birol, Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA), ist hoffnungsvoll, dass die deutsche Industrie bei klimafreundlichen Technologien weltweit als Pionierin vorangeht und die Energiewende mitgestaltet.

Von fossil zu erneuerbar: Energiemärkte im Umbruch

Die Energiemärkte stehen unter Druck. Die Abkehr von fossiler Energie, der schleppende Ausbau der Erneuerbaren und Turbulenzen auf den Energiemärkten sorgen für Unsicherheit. Damit die Energiewende international gelingt, sind gewaltige Investitionen nötig. Gemeinsam mit Fatih Birol, Vorsitzender der Internationalen Energieagentur, blicken wir auf die Zukunft unserer Energieversorgung.

Der jüngste Bericht der Internationalen Energieagentur macht deutlich, dass bis 2030 weltweit umfassende Maßnahmen für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels nötig sind. Insbesondere in den vier Schlüsselbereichen Elektrifizierung, Energieeffizienz, technischer Betrieb fossiler Brennstoffe und Innovationen bei erneuerbaren Energien braucht es schnell große Fortschritte.

Richtungsweisend für zukünftige politische und Invesitionsentscheidungen können wissenschaftliche Szenarien und Prognosen sein. Das gilt insbesondere für die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Die Internationale Energieeagentur (International Energy Agency – IEA) berät Regierungen in Fragen der Energiepolitik. Das sie selbst im Wandel steht, verdeutlicht insbesondere der Spezialbericht „Net Zero by 2050“, der erstmals den vollständigen Ausstieg aus fossilen Energien skizziert. 

In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Weltenergierat Deutschland luden der BDI und die Internationale Energieagentur am 16.11.21 zur Veranstaltung „Pathways to Net Zero: Challenges and Opportunities“ ein. Mit dabei: Holger Lösch und Carsten Rolle (BDI), Andreas Feicht und Stephanie von Ahlefeldt (BMWi), Fatih Birol und Timur Gül (IEA), Gregor Pett (Uniper)

Neben dem Erstellen von Prognosen und Szenarien positioniert sich die IEA zunehmend politisch mit Handlungsempfehlungen und eindringlichen Appellen. Ihr Vorsitzender, Fatih Birol, hat vor der Weltklimakonferenz in Glasgow eindringlich an die internationale Gemeinschaft appelliert, endlich die Lücke zwischen eingebrachten Verpflichtungen und realem Handeln zu schließen.

Paris Promised, Glasgow delivered?

Wo stehen wir nach Glasgow und welche Auswirkungen haben die aktuell turbulenten Energiemärkte und hohen Energiepreise auf die Klimapolitik? Es gab an einigen Stellen Bewegung: Ein „Herunterfahren“ der Nutzung von Kohle, ein genereller Stopp der Subventionen für fossile Energieträger, ein Vermindern von Methanemissionen und ein verbesserter Schutz der Wälder. Deutlich wird erneut: Es ist nicht einfach, wenn 197 Parteien an einem Tisch sitzen. Was die Wirtschaft aber dringend braucht, um diese nie dagewesene Transformation zu meistern, ist die verbindliche internationale Kooperation über Klimaschutzziele und konkrete Maßnahmen.

Fatih Birol schätzt die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Glasgow gemischt ein.

Der BDI hat in seiner Studie „Klimapfade 2.0“ umfassend analysiert, wie die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Deutschland bis 2045 gelingen kann. Dafür braucht es einen breiten Instrumentenmix. Alle verfügbaren Hebel müssen in Gang gesetzt werden. Es geht um massive Investitionen: Rund 860 Mrd. Euro wird uns die Transformation zur Klimaneutralität bis 2030 kosten. Das sind etwa 100 Mrd. Euro pro Jahr – nur in Deutschland. Der Löwenanteil muss aus der Privatwirtschaft kommen. Auch die IEA fordert in ihrem Bericht eine Verdreifachung der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien. Um den weltweit steigenden Energiebedarf zu decken, müssen rund 27 Billionen US-Dollar in erneuerbare Energien und Infrastruktur investiert werden.

Sauberer Energiemix – mit Erdgas als Brückentechnologie

Deutlich geworden ist auch: wir müssen die Transformationspfade klarer aufzeichnen. Es genügt nicht, einfach Kraftwerke auszuschalten und vom Netz zu nehmen. Auf dem Weg zu einem sauberen Energiemix geht es auch darum, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Versorgungslücke können flexible Gaskraftwerke schließen, die als Rückgrat und Komplement zu den schwankenden Erneuerbaren fungieren. Die BDI-Klimapfade-Studie zeigt, dass bis 2030 rund 43 GW Kapazität an Gaskraftwerken ausgebaut werden müssen. Natürlich werden perspektivisch auch die Moleküle klimaneutral werden. Die Diskussion um eine Wasserstoffwirtschaft hat bereits an Dynamik aufgenommen. Ohne klimaneutrale Brennstoffe wie Wasserstoff wird die Energiewende nicht gelingen.

Akzeptanz der Energiewende sicherstellen

Die neuen Rekordpreise beim Gas sorgen in der Bevölkerung für große Verunsicherung. Klar ist: Bei steigenden CO2-Preisen werden auch die fossilen Energieträger noch teurer. Was heißt es für die Akzeptanz der Energiewende, wenn die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen jetzt schon so groß ist? Werden sich die Märkt wieder beruhigen? Andere europäische reagieren schon mit staatlichen Eingriffen. Es wäre schädlich, wenn die Errungenschaften unserer liberalisierten Energiemärkte zurückgedreht würden. 

Die gute Nachricht ist: Die Welt glaubt an den deutschen Weg der Energiewende – das zeigt zumindest eine Umfrage des Weltenergierats. Demnach finden 82 Prozent der weltweit Befragten, dass die deutsche Energiewende als Beispiel für die Welt gelten könnte. Es liegt an uns zu beweisen, dass wir mit einer klugen Politik und innovativen Technologien diesem Anspruch gerecht werden.