Lieferketten © Unsplash/Reproductive Health Coalition

EU-Kommission will Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten

Das Thema Nachhaltigkeit soll nach den Plänen der EU-Kommission entsprechend dem europäischen Grünen Deal stärker in den Corporate-Governance-Rahmen integriert werden. Im Oktober wird ein Legislativvorschlag zu nachhaltiger Unternehmensführung erwartet. Das Ziel: Betriebe sollen gesetzlich zu einer langfristig ausgerichteten Unternehmensführung und messbaren Nachhaltigkeitszielen verpflichtet werden. Zudem sollen künftig EU-weite unternehmerische Sorgfaltspflichten für Lieferketten gelten.

Die Notwendigkeit eines legislativen Eingriffs begründet die EU-Kommission mit unregulierten Lieferketten und der kurzfristigen Gewinnorientierung zur Maximierung des Shareholder-Values. Beides würde die nachhaltige Entwicklung europäischer Unternehmen verhindern. Den Beweis für diese These sieht die EU-Kommission u.a. in gestiegenen Ausschüttungsquoten. Dass Ausschüttungen jedoch nicht zuletzt im Interesse des wirtschaftlichen Strukturwandels in andere Unternehmen reinvestiert werden können und sollten, ist offenbar von untergeordneter Bedeutung. 

EU-Kommission erwägt Neuausrichtung des Unternehmensinteresses 

Die EU-Kommission erwägt u. a. Änderungen im Gesellschaftsrecht vorzunehmen. Konkret soll es darum gehen, das Unternehmensinteresse europarechtlich unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu definieren. Vorstand und Aufsichtsrat sollen demnach verpflichtet werden, die Interessen aller Stakeholder des Unternehmens, inklusive der Anteilseigner auszubalancieren. Einhergehen soll damit eine verpflichtende Nachhaltigkeitsstrategie als Teil der allgemeinen Geschäftsstrategie, die messbare und wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsziele enthält. Der BDI hat Anfang 2021 seine Kritik gegenüber diesen Plänen im Rahmen der Konsultation der EU-Kommission zum Ausdruck gebracht. Eine derartige „Kodifikation“ des Unternehmensinteresses würde dem Prinzip der freien unternehmerischen Entscheidung entgegenstehen und letztlich eine effiziente Entscheidungsfindung zum langfristigen Wohle des Unternehmens behindern. Dem Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften, dem mit der Initiative verfolgten Ziel, ist damit nicht gedient. 

Auf dem Weg zu einem europäischen Lieferkettengesetz 

Ein weiterer Schwerpunkt der Initiative bildet die Implementierung unternehmerischer Due-Diligence-Pflichten in globalen Lieferketten. EU-Justizkommissar Didier Reynders hat bereits mehrfach öffentlich angekündigt, sektorübergreifende Regeln vorzuschlagen, die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren globalen Lieferketten verpflichten sollen. Klare Durchsetzungsmechanismen und ein Sanktionssystem müssten zudem sicherstellen, dass die Standards auch eingehalten werden. Das deutsche Lieferkettengesetz geht Reynders nicht weit genug. Er drängt auf ein noch härteres Lieferkettengesetz. Auch das Europäische Parlament begrüßt diese Pläne. Dessen Abgeordneten haben sich bereits Anfang März 2021 mit großer Mehrheit für sehr ambitionierte Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette ausgesprochen und fordern die EU-Kommission zu einem entsprechenden Richtlinienvorschlag auf. Für Oktober wird der offizielle Richtlinienentwurf erwartet. Es bleibt abzuwarten, was konkret im Legislativtext der EU-Kommission stehen wird.

Unternehmen brauchen praktikable Rahmenbedingungen

Das europäische Lieferkettengesetz wird kommen. Nun muss es darum gehen, angemessene, praxistaugliche und mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen für international tätige Unternehmen zu schaffen: Ein gesetzlicher Kriterienkatalog muss klar definieren, was Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten konkret zu tun haben. Sonst droht der Rückzug aus Ländern, in denen europäische Unternehmen bereits durch ihr Engagement zu höheren Standards, besserer Bildung und damit zu Wachstum und Wohlstand vor Ort beitragen.