Europa wächst, aber ohne dringend nötige Reformen

Die EU-Wirtschaft wird dieses Jahr um rund zwei Prozent wachsen. Nach 2,4 Prozent im vergangenen Jahr ist damit der Konjunkturhöhepunkt überschritten. Auch wenn sich weiterhin moderates Wachstum abzeichnet, fehlt es an Reformen. Die Frage, welches Land aktuell Strukturreformen durchführe, stand deshalb im Fokus des Brüsseler Econ Jour Fixe, einem regelmäßigen Treffen von EU-Ökonomen der Verbände, Gewerkschaften, europäischen und internationalen Institutionen sowie Think Tanks.

Die Industrieproduktion der Europäischen Union liegt noch ein knappes Prozent über dem Vorjahreswert. Seit Juni ist die Produktion jedoch rückläufig und gedämpfte Exporterwartungen werden weiter bremsen. Die Arbeitslosenrate in der EU liegt mit 6,8 Prozent erfreulicherweise erstmals unter dem Vorkrisenwert. Der Euroraum liegt mit 8,1 Prozent noch etwas darüber. Der Fachkräftemangel spitzt sich damit zu und wird zu einem Hindernis für die Expansionspläne der Unternehmen. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt der aktuelle BDI-Wachstumsausblick für Europa.

EU-Strukturreformen dringend erforderlich

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt ein Bericht des Think Tanks Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln), der die bisherigen Konjunkturprognosen leicht nach unten korrigiert. Die wirtschaftspolitischen Expertinnen und Experten des Econ Jour Fixe identifizierten zahlreiche Herausforderungen, vor denen die europäische Wirtschaft steht. Darunter fallen die Instabilität in Schwellenländern wie der Türkei und Argentinien, ein ungeordneter Brexit, das Risiko einer Staatsschuldenkrise in Italien sowie die Handelspolitik des US-Präsidenten. Auch die finanzielle Situation Griechenlands ist weiterhin problematisch. Angesichts dieser Herausforderungen stimmten die Teilnehmer darin überein, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU insgesamt Reformen angehen müssten, um mögliche Schocks besser abzufedern. Der Reformeifer hält sich allerdings in Grenzen.

Weiterhin wurde die geringe Arbeitnehmermobilität thematisiert. Im Vergleich zu den USA besteht hier großer Nachholbedarf. Letztlich muss auch auf europäischer Ebene ein Abfederungsmechanismus etabliert werden. Hierzu zählt insbesondere die Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, auf die der BDI bereits seit langem pocht.

Europawahlen 2019 werden richtungsweisend sein

Die Europawahlen im Mai 2019 waren der letzte Punkt auf der Agenda des Econ Jour Fixe. Dabei wird es zu einer Richtungsentscheidung kommen: Eine souveräne und starke EU oder schwache Nationalstaaten, die zwischen den USA und China in Unbedeutsamkeit untergehen. Die europäische Wirtschaft ist gut beraten, sich proaktiv für Europa, Multilateralismus und eine offene Welthandelsordnung einzusetzen. Dazu müssen sich Unternehmen auch verstärkt in der öffentlichen Debatte für Offenheit und internationale Zusammenarbeit einsetzen.