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Europäische Industrie- und Binnenmarktpolitik

Der Binnenmarkt ist das Herzstück der europäischen Integration und bildet das Fundament von Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Europa. Gleichzeitig bleibt er eine der größten Baustellen der EU. Nur durch kontinuierliche Vertiefung des Binnenmarkts in allen Bereichen lässt sich die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und der Einfluss der EU in der Welt langfristig sicherstellen.

Der Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Markt der Welt. Er beheimatet rund 450 Millionen Bürger und 21 Millionen Unternehmen und trägt 8,5 Prozent zur europäischen Wirtschaftsleistung bei. Dank der vier Grundfreiheiten können Unternehmen aller Größen in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsverbünden kooperieren und innovative Lösungen entwickeln, die global überzeugen und Arbeitsplätze am Standort Europa schaffen.

Binnenmarktpolitik ist europäische Standortpolitik

Allerdings bleibt das volle Potential des gemeinsamen Markts nach wie vor unerschlossen. Dabei könnte ein wirklich vollendeter Binnenmarkt zusätzlich bis zu 1,1 Billionen Euro oder bis zu 8,6 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts generieren. Alleine der Abbau von Barrieren im Dienstleistungssektor brächte der EU jährlich zusätzliche 338 Milliarden Euro oder 2,4 Prozent an Wirtschaftsleistung. Doch statt vertiefter Integration dominieren oft nationale Alleingänge und Protektionismus die Binnenmarktpolitik vieler EU-Staaten.

Um dieses unerschlossene Potential zu mobilisieren, müssen die EU-Staaten mit der Unterstützung der EU-Institutionen endlich die notwendigen Reformen zur weiteren Öffnung ihrer Märkte forcieren. Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten muss die Vollendung des Binnenmarkts zentrales Ziel nationaler und europäischer Wachstumspolitik werden.

Industrie- und Binnenmarktpolitik gehen Hand-in-Hand

Die Unternehmen der europäischen Industrie – vom mittelständischen Familienunternehmen bis hin zum börsenorientierten Konzern – sind das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die europäische Industrie ist für rund zwei Fünftel der internationalen Warenexporte verantwortlich, hat einen Weltmarktanteil von gut einem Fünftel und trägt mehr als 20 Prozent zur EU-Wirtschaftsleistung bei. Begünstigt durch den europäischen Wirtschaftsraum garantiert sie insgesamt fast 62 Millionen Arbeitsplätze in Europa.

Global wettbewerbsfähige europäische Wertschöpfungsketten werden für industrielles Wachstum und Beschäftigung immer wichtiger. Unternehmen schauen bei der Suche nach Partnern zunehmend über Grenzen hinweg. Ein gut funktionierender Binnenmarkt ist für den Erfolg der Industrie unerlässlich. EU-Binnenmarkt- und Industriepolitik müssen daher stets als zwei Seiten der gleichen wirtschaftspolitischen Medaille betrachtet werden.

Das Politikfeld der Industriepolitik ist seit jeher in den europäischen Verträgen verankert. Dennoch haben die EU-Institutionen und EU-Staaten in der Vergangenheit häufig anderen Prioritäten Vorrang eingeräumt. Dabei ist ein gesamteuropäischer industriepolitischer Ansatz angesichts der tiefgreifenden sozioökonomischen und geopolitischen Transformationen unserer Zeit wie Klimawandel, Digitalisierung und globale Machtverschiebungen notwendiger denn je. Die Industrie benötigt die richtigen Rahmenbedingungen, um die Herausforderungen dieser Transformation in Chancen umzuwandeln. Das kann nur gelingen, wenn die Stärkung der Industrie und der Wettbewerbsfähigkeit insgesamt wieder ein gleichrangiges Politikziel neben anderen Zielen wie Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz wird.