Europas Unabhängigkeit stärken

Angesichts der Herausforderungen im transatlantischen Verhältnis und der Krise der internationalen Zusammenarbeit muss Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik enger zusammenstehen als je zuvor. Doch der Weg zu mehr strategischer Autonomie ist umstritten.

In einem sich wandelnden strategischen Umfeld sind alle Akteure der Weltpolitik gefordert, entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die Erosion der liberalen regelbasierten Weltordnung und der sich wandelnde Fokus der Vereinigten Staaten von Amerika haben gravierende Auswirkungen, insbesondere auf Europa. Bisher war die Sicherheit unseres Kontinents durch eine Schutzmacht garantiert. Während die NATO nach wie vor das stärkste Militärbündnis der Welt darstellt, lassen Aussagen des amerikanischen Präsidenten Zweifel an der absoluten Zuverlässigkeit des Verbündeten USA im Krisenfall aufkommen.

Da sich die Lage zwischen den mächtigsten Nationen der Welt zuspitzt, ist Europa gefordert in der Außen- und Sicherheitspolitik noch enger zusammenzurücken und die europäische Säule der NATO glaubhaft zu stärken. Eine enge politische Abstimmung ist dafür unverzichtbar. Auch industriell gibt es großen Handlungsbedarf.

Einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie der Münchner Sicherheitskonferenz (Munich Security Conference, MSC) in Kooperation mit der Unternehmensberatung McKinsey zur Folge verfügen die Streitkräfte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) über deutlich zu wenig verfügbare Fähigkeiten. Die Entwicklung, Beschaffung und Wartung einer Vielzahl unterschiedlicher Systeme wird als ineffizient und als Hemmnis für eine starke EU gesehen. Darüber hinaus können die Nationalstaaten die immer komplexeren Systeme kaum mehr alleine entwickeln bzw. finanzieren. Zusammenarbeit wird zur Grundvoraussetzung für modern ausgestattete Streitkräfte in Europa.

Konkrete Projekte stärken

Während bi- und multilaterale Kooperationsprojekte bereits heute Realität sind, hat die Europäische Union mit der Etablierung des European Defence Industrial Development Programme (EDIDP), dem Europäischen Verteidigungsfonds (European Defence Fund, EDF) sowie der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO) Möglichkeiten geschaffen, eine Konsolidierung der europäischen Waffensysteme voranzutreiben.

Gemeinsame Projekte im Bereich Sicherheit und Verteidigung sind Voraussetzung für eine verstärkte Industriekooperation in Europa. Eine politisch verordnete Konsolidierung von oben wäre hingegen zum Scheitern verurteilt.

Deutsch-Französische Zusammenarbeit als Treiber für Integration

Wie in der Vergangenheit wird es bei der konkreten Umsetzung auf den deutsch-französischen Motor ankommen. Mit dem Future Combat Air System (FCAS, Kampfflugzeug) sowie dem Main Ground Combat System (MGCS, Kampfpanzer) haben die Regierungen beider Länder bereits wichtige Projekte initiiert.

Es liegt an den europäischen Staats- und Regierungschefs zu entscheiden, inwiefern eine bessere Verzahnung der nationalen Industrien Realität werden kann. Aus Sicht des BDI wäre dies eine wünschenswerte Entwicklung.

Darüber hinaus ist die Politik gefordert, auch politisch die Weichen für eine starke Stimme Europas in der Welt zu stellen und die nationalen Egoismen für dieses übergeordnete Ziel unterzuordnen. Die internationale Ordnung darf nicht an europäischer Passivität scheitern.