Geistiges Eigentum in Zeiten von Industrie 4.0

Deutsche Erfindungen sind weltweite Verkaufsschlager. Doch die Entwicklungen der digitalen Vernetzung stellen die bestehenden Regelungen zum geistigen Eigentum vor ungeahnte Herausforderungen, die es zu lösen gilt.

  • 1440: Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck. Nun ist Bildung nicht länger ein Privileg der Reichen.
  • 1859: Philipp Reis erfindet das Telefon. "Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" lautet der erste über 100 Meter telefonisch übermittelte Satz.
  • 1866: Werner von Siemens erfindet den Dynamo. Damit revolutionierte der Forscher die Stromerzeugung.
  • 1870: Robert Koch entdeckt die Existenz von Bakterien und gründet den Wissenschaftszweig der Bakteriologie.
  • 1873: Levi Strauss entwickelt die erste Jeans mit Kupfernieten.
  • 1876: Carl von Linde entwickelt den ersten Kühlschrank, in dem Ammoniak verwendet wurde.
  • 1879: Felix Hoffmann erfindet das Aspirin.
  • 1881: Werner von Siemens erfindet die Straßenbahn.
  • 1886: Karl Benz und Gottlieb Daimler erfinden das Automobil.
  • 1887: Emil Berliner erfindet den Plattenspieler.
  • 1890: Rudolf Diesel erfindet den Dieselmotor.
  • 1908: Melitta Bentz erfindet den Kaffeefilter.
  • 1922: Hans Riegel entwickelt das Gummibärchen.
  • 1931: Manfred von Ardenne erfindet das Fernsehen.
  • 1936: Konrad Zuse baut den ersten Computer.
  • 1936: Der Ingenieur Henrich Focke erfindet den Hubschrauber.
  • 1951: Der Elektrotechniker Rudolf Hell erfindet den Scanner.
  • 1958: Artur Fischer erfindet den Dübel.
  • 1961: Die Schering AG erfindet die Pille.
  • 1971: Mercedes Benz erfindet den Airbag.
  • 1987: Das Fraunhofer-Institut erfindet das MP3-Format.
  • 1997: Otto Bock erfindet mit dem C-Bein die erste durch einen Mikroprozessor gesteuerte Prothese, die durch die beste Simulation natürlicher Bewegungen alltägliche Aktivitäten wieder möglich macht.

Dies sind nur einige Beispiele deutschen Erfindergeists in der Vergangenheit. Auch heute wird in Deutschland vielfältig geforscht und erfunden. Im Jahr 2017 stieg die Zahl der Patentanmeldungen gegenüber dem Vorjahr beim Europäischen Patentamt um 3,9 %. Davon entfielen auf Deutschland 15 % der Anmeldungen. Damit ist Deutschland Europameister der Anmeldungen.

Es kommt also nicht von ungefähr, dass Deutschland als „Land der Dichter und Denker“ tituliert wird. Und das hat einen guten Grund: Erfindergeist und kreative Schaffenskraft sind für Deutschland als rohstoffarmes Land besonders wichtig. Und auch die Internationalisierung der Wertschöpfungsketten bewirkt, dass die Konkurrenzfähigkeit eines Landes wie Deutschland weniger vom Preis, sondern zunehmend von der Qualität seiner Produkte abhängt. Die Bedeutung geistigen Eigentums als Basis und Voraussetzung für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit kann für Deutschland daher nicht hoch genug bewertet werden. Nur wenn eine geistige Leistung durch ein Eigentumsrecht geschützt ist und der Eigentümer dieses Recht auch verteidigen kann, ist es ihm möglich, seine Leistung wirtschaftlich zu nutzen.

Die langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die einer Patentanmeldung vorangeht, die Schaffung eines Markennamens, der den Charakter der Ware wiedergibt und den Verbraucher über die Herkunft informiert, der kreative Prozess eines Autors: diese Prozesse sind in der Regel mit hohen Kosten und Aufwand verbunden und können in ihrem ökonomischen Wert nur abgebildet werden, wenn dem Ergebnis ein rechtlicher Schutz gewährt wird.

Patentrecht

Im Patentrecht stellt sich insbesondere die Frage nach dem Umgang mit den sogenannten standardessentiellen Patenten. Moderne technische Standards z.B. im Mobilfunkbereich werden durch hunderte einzelne Patente geschützt. Diese Standards sind für Anbieter unumgänglich, da sich z.B. der LTE-Standard für die Kommunikation zwischen Mobiltelefonen etabliert hat. Dies hat zwangsläufig Patentnutzungen in großer Menge zur Folge. Hierdurch entsteht ein Konflikt zwischen den Patentinhabern, die durch das Patent andere von der Nutzung ausschließen können und weiteren Anbietern im Mobilfunksektor, die sich der Patente für ihre Produkte bedienen müssen.

Urheberrecht

Ein Leben ohne Internet, Computer, Tablet und Smartphone können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Diese technischen Errungenschaften haben aber auch dazu geführt, dass urheberrechtlich geschützte Texte immer umfassender gelesen, verschickt, kopiert, also verwertet werden. Und mit dieser veränderten Nutzung stellen sich Fragen, die das vom Territorialitätsprinzip geprägte Urheberrecht nicht vollständig beantwortet.

Auch die technischen Fortschritte der Automobilindustrie fordern das Urheberrecht heraus. „Connected car“ bezeichnet beispielsweise ein Fahrzeug, das über WLAN oder andere Technologien eine Verbindung mit dem Internet eingeht. Sogenannte Event Data Recorder (EDR) zeichnen gleich einer Black-Box im Flugzeug relevante Daten wie Geschwindigkeit oder Bremsverhalten auf. Hier stellen sich vor allem Fragen bezüglich der in großer Menge anfallenden Daten. Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten sind auch urheberrechtliche Fragen zu klären, etwa ob die Datensammlungen Datenbanken darstellen können, die urheberrechtlichen Schutz genießen.

Markenrecht

Natürlich ist der Vertrieb von Produktplagiaten über das Internet ein seit Jahren (noch immer) aktuelles Thema. In letzter Zeit fordert aber auch der 3-D-Druck das bestehende Markenrecht heraus. Der 3-D-Druck hat sich in den letzten Jahren ganz erheblich weiterentwickelt und wird auch in der industriellen Produktion immer bedeutsamer. Insbesondere die industrielle Nutzung des 3-D-Drucks ist mit erheblichen rechtlichen Fallstricken behaftet. So kann durch Herstellung eines 3-D-Drucks ein Markenrecht verletzt werden, wenn die Modell-Datei entweder eine Marke beinhaltet oder selbst eine (dreidimensionale) Marke darstellt. Auch geschützte Designs können der Erstellung von 3-D-Modellen und 3-D-Ausdrucken entgegenstehen.

Geistiges Eigentum- quo vadis?

All diese Veränderungen in der digitalen Welt werfen Fragen auf. Ist das geistige Eigentum in der digitalen Welt völlig anders zu bewerten und zu behandeln als in der analogen Welt? Brauchen wir eine grundsätzliche Änderung der Systematik der bestehenden Rechte zur Ausgestaltung und zum Schutz des geistigen Eigentums? Oder muss die bestehende Systematik im Grundsatz vielmehr bestehen bleiben und einzelne Anpassungen vorgenommen werden, die den digitalen Herausforderungen Rechnung tragen?

Der BDI ist ein wichtiger Teilnehmer an dieser spannenden Diskussion über die Zukunft des geistigen Eigentums. Aber auch wenn die Diskussion in ihren vielfältigen Aspekten noch am Anfang steht, ist eines an dieser Stelle festzuhalten: Die Rechte des geistigen Eigentums haben - wenn auch in der analogen Welt erschaffen - auch in der digitalen Welt ihre Berechtigung. An der grundsätzlichen Systematik dieser Rechte sollten wir festhalten. Prinzipiell muss dem Schöpfer bzw. Erfinder das Recht zustehen, zu bestimmen, wie er sein Werk nutzt und was damit geschieht. Selbstverständlich müssen aber rechtliche Rahmenbedingungen die tatsächlichen Gegebenheiten abbilden und Neuerungen berücksichtigen. Anpassungen an die Herausforderungen der digitalen Welt sind daher durchaus sinnvoll und notwendig.