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Globale Lieferketten unter Druck

Noch nie war die Welt so vernetzt wie heute – gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich. Globale Wirtschaftskreisläufe sorgen für ein größeres Warenangebot und günstige Preise, stellen aber auch hohe Anforderungen an Logistik und funktionierende Lieferketten. Ob Handelskonflikte, Pandemien, Rohstoffknappheit oder die Havarie eines Containerschiffes: Unternehmen müssen lernen, mit diesen Risiken umzugehen.

Der Kaffee kommt aus Brasilien, der Pullover aus Italien und das Handy aus China. Produkte, die wir täglich konsumieren, durchlaufen häufig Herstellungsprozesse, die sich über den gesamten Erdball erstrecken. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2020 in Deutschland Waren im Wert von über einer Billiarde Euro importiert. Weltweite Lieferketten sind fester Bestandteil wirtschaftlicher Verflechtung auf globaler Ebene.

Als Lieferkette wird der gesamte Wertschöpfungsprozess von Produkten oder Dienstleistungen von der Bestellung über die Produktion bis zur Lieferung bezeichnet. Sie umfasst das Netzwerk aller Organisationen, die am Prozess beteiligt sind. Dazu gehören die Bestellung, Produktion und Lieferung genauso wie die Bezahlung. Oft finden die einzelnen Produktionsschritte an verschiedenen Orten auf der gesamten Welt statt. Ein durchschnittlicher Pkw besteht zum Beispiel aus bis zu 10.000 Einzelteilen. Der Automobilhersteller Volkswagen arbeitet weltweit mit mehr als 40.000 Lieferanten und Dienstleistern zusammen; hinzu kommen außerdem mehrere hundert Spediteure. Die zunehmende Globalisierung und das globale Konsumentenverhalten führen dazu, dass Lieferketten lang und komplex werden können.

Unternehmen in schwierigem Fahrwasser

Rund 90 Prozent aller Waren und Güter weltweit werden auf See transportiert. Die fast einwöchige Blockade des Suezkanals durch den verunglückten Containerfrachter „Ever Given“ im März 2021 hat gezeigt, wie wichtig die Seefracht für weltweite Lieferketten ist – und wie schnell der globale Warenverkehr ins Stocken gerät, wenn ein Nadelöhr des Welthandels verstopft ist. Hunderte Containerschiffe stauten sich entlang der wichtigsten Wasserstraße zwischen Asien und Europa. Maritime Lieferketten sind die Blutbahnen der Weltwirtschaft. Gerade für eine Exportnation wie Deutschland ist die maritime Wirtschaft ein wichtiges Tor zur Welt. Rund ein Drittel des deutschen Außenhandels läuft über Seehäfen. Aus diesem Grund ist es notwendig, die entsprechende Infrastruktur so auszubauen, dass das System von Seehäfen, Binnenhäfen und Wasserstraßen gut vernetzt ist. Nur dann können Industrie-, Handels- und Logistikstandorte effizient und global wettbewerbsfähig sein.

Auch heute bleibt die Situation im Container-Seeverkehr angespannt. Vor allem auf den Seerouten zwischen Asien und Europa beeinflussen die mangelnde Verfügbarkeit von Containern, fehlende Transportkapazitäten, unpünktliche Schiffe sowie Qualitätsdefizite bei steigenden Transportkosten die Lieferketten und Produktionsabläufe. Unkalkulierbare Frachtkosten für die Containertransporte erschweren die Planbarkeit von Logistikprozessen und haben erheblichen Auswirkungen auf die Produktpreise.

Massive Investitionen in Klimaschutz nötig

Globale Lieferketten und lange Transportwege stellen eine zentrale Herausforderung für den Klimaschutz dar. Deshalb arbeiten Unternehmen intensiv an einer „Grünen Logistik“, d.h. der schrittweisen, aber umfassenden Transformation hin zu klimaschonenden, umweltgerechten und ressourceneffizienten Logistikprozessen. Doch klar ist auch: Klimaschutz kostet Geld. Um hierzulande bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, sind bis 2030 rund 860 Milliarden Euro Investitionen notwendig, von denen 220 Milliarden Euro nur im Bereich Verkehr geplant sind [BDI Studie „Klimapfade 2.0“ aus 2021]. Der Einsatz von innovativen Technologien und der Wechsel zu nachhaltigen Kraftstoffen, die CO2-neutral sind, sind Voraussetzungen, um an den Klimazielen festhalten zu können.

Die deutsche Industrie ist sich ihrer Verantwortung für klimaschonende Lieferketten und Logistikprozesse bewusst. Auch Produktions- und Lieferengpässe werden in Zukunft noch stärker von klimabedingten Extremereignissen beeinflusst. Es gilt, diesen aktiv entgegenzuwirken und mithilfe genauer Planung besser standhalten zu können. Der Bau von Vorratslagern hilft Unternehmen bereits jetzt, wenn Rohstoffe und Materialen knapp werden, aber auch das Ausweichen auf alternative Lieferanten unterstützt bei Lieferengpässen.

Handelskonflikte und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

Da das Netz an Akteuren in globalen Lieferketten beinahe die gesamte Welt umspannt, schlagen auch politische Konflikte und Interessen auf die Lieferkette durch. Ungeklärte Handelskonflikte und die politischen Agenden nationaler Regierungen stellen enorme Herausforderungen dar. Diversifizierte Lieferketten und verringerte Abhängigkeiten sind deshalb von hoher strategischer Bedeutung für Deutschland und Europa.

Mit der Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der Initiative für ein europäisches Lieferkettengesetz greift der Gesetzgeber immer stärker in den unternehmerischen Alltag ein. Die Achtung von Menschenrechten in globalen Lieferketten ist für die deutsche Wirtschaft selbstverständlich. Ein gesetzlicher Kriterienkatalog muss klar definieren, was Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten konkret zu tun haben, ohne deutschen Unternehmen ihre Aktivität auf Auslandsmärkten unmöglich zu machen. Sonst droht der Rückzug aus Ländern, in denen europäische Unternehmen durch ihr Engagement heute schon zu höheren Standards, besserer Bildung und damit zu Wachstum und Wohlstand lokal beitragen.