Heißer Kopf und weiches Herz

Der Brexit führt zu massiven Problemen im Unternehmenssteuerrecht, schätzt BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber in einem Gastkommentar für die Börsen-Zeitung. Es brauche eine angemessene Übergangsphase und keinesfalls dürfe emotionale Verärgerung über den Brexit die Verhandlungen leiten.

Viele Fragestellungen bei den Austrittsverhandlungen des Vereinigten Königreichs aus der EU seien so komplex, dass niemand mit einer zeitnahen und einfachen Lösung rechnen könne. Umso mehr brauche es eine Übergangszeit, um sachgerechte steuerpolitische Verhandlungen mit der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten zu ermöglichen. 

Wie stark die deutsche und britische Volkswirtschaft miteinander verwoben seien, zeige die Datenlage. Deutschland sei für das Vereinigte Königreich mit Abstand das größte Lieferland. Über 15 Prozent der Warenimporte stammten im vergangenen Jahr aus Deutschland. Auch umgekehrt spiele Deutschland eine gewichtige Rolle für das Vereinigte Königreich.

Doch die volkswirtschaftlichen Daten würden nur ein abstraktes Bild der drohenden Verwerfungen im Falle eines Brexit zeigen. Konkreter ließen sich die Folgen anhand einer steuerrechtlichen Analyse veranschaulichen, die ganz wesentlich vom zukünftigen Abkommensstatus des Vereinigten Königreichs abhänge. Vornehmlich sei die Frage zu beantworten, ob durch den Brexit eine sofortige Wegzugsbesteuerung anfiele.

Nach hiesiger Regelung gelte ein Unternehmen als aufgelöst und unterliege der Liquidationsbesteuerung, wenn der Unternehmenssitz oder die Geschäftsleitung aus der EU heraus verlegt werde. Diese Fiktion der Liquidationsbesteuerung führe dazu, dass der Fiskus die stillen Reserven sofort besteuere, erklärte der BDI-Hauptgeschäftsführer. Ebenfalls werde der Unternehmer sofort zur Kasse gebeten, wenn er aus Deutschland in ein Land außerhalb der EU ziehe oder gegebenenfalls bereits nach Großbritannien als vermeintliches Drittland verzogen sei. Diese Wirkung sei fatal und würde innerhalb der EU abgemildert – jedoch nur bei EU-Mitgliedern. Deshalb drohen im Falle des Brexits rechtliche Unsicherheiten und Steuerbelastungen.

Gleichwohl seien die Warnungen vor den wirtschaftlichen Konsequenzen für den Ausgang des Referendums mehrheitlich nicht ausschlaggebend gewesen. Schon im Wahlkampf dominierten gesellschaftspolitische Themen.

Diese Themenschwerpunkte setzen für die Austrittsverhandlungen des Vereinigten Königreichs folgenschwere Vorzeichen: Der Verhandlungsspielraum in der Europäischen Freihandelsassoziation scheine der britischen Regierung nahezu verwehrt. Ein Drittstaatenstatus mit zahlreichen Sonderregelungen sei wahrscheinlich.

Keinesfalls dürfe die emotionale Verärgerung über den Brexit die Verhandlungen leiten. Stattdessen verwies Kerber auf den Rat des legendären früheren General-Electric-Chefs Jack Welch, der sagte: "Der gute Manager braucht einen heißen Kopf und ein weiches Herz."   

 

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