Christopher W. Grünewald

Christopher W. Grünewald © Christopher W. Grünewald

„In der jetzigen akuten Phase der Krise sehe ich andere Prioritäten als die Farbe des Neustarts“

Wie trifft die Wirtschaftskrise den Mittelstand? Christopher W. Grünewald, Geschäftsführer der Gebr. Grünewald GmbH & Co. KG, schildert die ganz unterschiedliche Betroffenheiten am Beispiel der Papierindustrie. Er erklärt, warum die Kostenentlastungen der energieintensiven Industrien wegen der Corona-Pandemie leerlaufen und weshalb staatliche Maßnahmen dringend notwendig sind. Zudem äußert er sich zu den Perspektiven für einen „grünen Neustart“ der Wirtschaft.

Wie wirkt sich die „Corona-Wirtschaftskrise“ auf Ihre Papierfabrik und auf die Papierbranche insgesamt aus? Haben Sie schon Anfragen zur Herstellung von Atemschutzmasken bekommen?

Die Papierfabriken sind sehr unterschiedlich von der Corona-Pandemie betroffen. Die Hygienepapierhersteller arbeiten unter Volllast. Gut beschäftigt sind auch die Hersteller von Verpackungspapieren für Lebensmittel, Pharmazieprodukte oder den Versandhandel. Auf der anderen Seite leiden viele Hersteller von Verpackungspapieren unter Ausfällen in der Industrie. Und der eingebrochene Werbemarkt trifft die Hersteller grafischer Papiere: Zeitungen haben an Umfang und Auflage verloren, Anzeigenblätter werden z. T. eingestellt. In der Werbung werden bestellte Papiermengen vereinzelt gar nicht mehr abgerufen. Zudem dürfte das Homeoffice den Trend zur digitalen Mediennutzung verstärken.

Unser Unternehmen beeinträchtigen aktuell vor allem die Ausgangssperren in Südeuropa, durch die der Absatz von Produkten für die Gastronomie wie z. B. Papiertischdecken eingebrochen ist. Andererseits profitieren wir mit unseren Versandtaschenpapieren von dem Wachstum des Versandhandels. Auf die Herstellung von Atemschutzmasken oder Filtern wurden wir tatsächlich mehrfach angesprochen, leider kann man eine hochspezialisierte Papiermaschine jedoch nicht „mal eben“ auf solche Qualitäten umstellen.

Die Politik möchte der Wirtschaft schnell und wirksam helfen. Erste finanzielle Zusagen und gesetzliche Erleichterungen sind gemacht oder auf dem Weg. Kommt das bei Ihnen an und reicht es aus? Was müsste die Politik anders und besser machen?

Aus der Sicht unseres Unternehmens begrüße ich die von Bund und Ländern getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise. Von günstigen Krediten bis hin zu Kurzarbeiterregelungen gibt es vieles, was mittelständischen Unternehmen wirklich hilft und diese hoffentlich bald auch wieder aus der Krise führt.

Für die Papierbranche als energieintensive Industrie ist aber noch etwas anderes wichtig: Im Zuge der ambitionierten Energie- und Klimapolitik der letzten Jahre ist ein komplexes Regelwerk aus Be- und Entlastungen der Wirtschaft entstanden. Darin müssen die Unternehmen eine Reihe von Fristen, Schwellenwerten und Bezugsjahren beachten, um die Entlastungen bei den Energiekosten zu erhalten, die sie zum Erhalt ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit dringend benötigen. Durch die Krise und die damit einhergehenden Absatzeinbrüche können viele Unternehmen jedoch die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, so dass ihnen neben den Marktschwierigkeiten auch plötzlich erhebliche Mehrkosten im Energie- und Klimabereich drohen. Hier müssen Behörden, Regierung und der Gesetzgeber rasch helfen. Auch dank der Unterstützung der Verbände, die schnell an die Politik herangetreten sind, sind inzwischen die ersten gesetzlichen Maßnahmen beschlossen oder in Vorbereitung. Das ist für uns tatsächlich überlebenswichtig. Stichworte sind die Besondere Ausgleichsregelung im EEG oder die Entlastungen bei den Netzentgelten.

Für den „Neustart“ der Wirtschaft nach dieser Krise gibt es die Forderung, dass die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen gezielt unter dem Aspekt des Klimaschutzes eingesetzt werden sollten. Haben Sie hierfür Verständnis und gäbe es in der Papierindustrie Ansatzpunkte für einen „grüneren Neustart“? Oder geht eine solche Debatte an den aktuellen Problemen vorbei?

Die aktuellen Probleme vieler Unternehmen bestehen darin, dass sie wegen der Corona-Wirtschaftskrise erhebliche Umsatzeinbußen verkraften und trotzdem mit den weiterlaufenden Kosten über die Runden kommen müssen. Somit stehen kurzfristig sicher nicht Investitionen und Innovationen im Vordergrund, sondern in der Tat die Bewältigung der Krise mit Blick auf die Belegschaften und die Geschäftspartner. Von daher sehe ich in der jetzigen Phase der Krise andere Prioritäten als über die Farbe des Neustarts nachzudenken.

Anders sieht es mittel- bis langfristig aus. Um nach der Krise neues Wachstum zu schaffen kann ich mir schon vorstellen, dass Investitionen gezielt auch in grüne Technologien gelenkt werden. Wobei dies im Falle unseres Unternehmens auch Grenzen hat. Unsere Papiermaschine hat eine Lebensdauer bzw. Abschreibungszeit, die unabhängig von der Krise ist. Wir denken in Investitionszyklen und sind immer mit kontinuierlichen Verbesserungen befasst. In Zukunft werden die Investitionen mit Blick auf Klimaschutz sicher weiter erhöht, wobei dies dann weniger an der Krise als an verbesserten marktlichen und politischen Rahmenbedingungen liegen wird.

Dr. Christopher W. Grünewald ist Geschäftsführender Gesellschafter der Gebr. Grünewald GmbH & Co. KG, einer mittelständischen Papierfabrik im Sauerland mit gut 100 Mitarbeitern, die hochwertige Spezialpapiere produziert. Die Jahreskapazität der fast fünf Meter breiten Papiermaschine liegt bei etwa 48.000 Tonnen. Mehr als die Hälfte des Absatzes geht ins europäische Ausland. Grünewald ist Vizepräsident des Verbandes Deutscher Papierfabriken und Vorsitzender des BDI-Ausschusses Energie- und Klimapolitik.