Joscha Ritz im Brüsseler „House of German Business – Industries and Employers“ © BDI

Joscha Ritz im Brüsseler „House of German Business – Industries and Employers“ © BDI

Interessenvertretung in Brüssel: Dialog und Transparenz

Der Dialog des BDI mit den EU-Institutionen ist offen, transparent und anspruchsvoll. Dunkle Hinterzimmer oder klirrende Sektgläser – Fehlanzeige, schreibt Joscha Ritz, Referent der BDI/BDA The German Business Representation.

Dienstag, 8. November, 23:15 Uhr: Ich steige in ein Taxi, das mich aus dem lebendigen Brüsseler Europaviertel in einen ruhigen flämischen Vorort bringt. Hinter mir liegt unser 38. Brüsseler Wirtschaftsgespräch, zu dem wir Jürgen Schachler, Vorstandsvorsitzenden der Aurubis AG, bitten konnten: eine eindrucksvolle Rede zur Bedeutung europäischer Regulierung in der betrieblichen Praxis, lebendige Diskussionen zwischen rund 130 hochrangigen Gästen aus EU-Institutionen und Wirtschaft, viele gute Gespräche am Rande. Ein typischer Brüsseler Arbeitstag klingt aus.

In Brüssel gilt Interessenvertretung als wichtiger Bestandteil des politischen Meinungsbildungsprozesses. In den EU-Institutionen herrscht die Überzeugung vor, dass qualitativ hochwertige Gesetzgebung einen offenen und transparenten Dialog mit allen betroffenen Stakeholdern erfordert. Als Interessenvertreter kann ich meine Anliegen via zahlreiche Konsultationen, Anhörungen, Veranstaltungen oder Gespräche in den Gesetzgebungsprozess einbringen.

Auf der Suche nach Informationen zu einem Gesetzgebungsverfahren werde ich häufig bereits auf den Internetseiten der EU-Institutionen, Twitter oder diversen Veranstaltungen fündig. Kleine Gesprächsrunden dienen dem Austausch politischer Bewertungen und der strategischen Abstimmung. Der Dialog mit politischen Entscheidungsträgern der Kommission und der Zugang zum Parlamentsgebäude gehen mit hohen Transparenzanforderungen einher – teilweise weit mehr, als eigentlich für einen transparenten Dialog notwendig wäre.

Interessenvertretung gegenüber den EU-Institutionen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wie soll Europa seine Wirtschaft vor Billigimporten aus Drittstaaten schützen? Welchen Beitrag kann die EU zur Digitalisierung der Wirtschaft leisten? Wie kann Europa kosteneffizient seine ambitionierten Klimaziele erreichen? Diese und weitere industriepolitisch entscheidende und hoch komplexe Themen werden aktuell in Brüssel verhandelt – der vielbeschriebenen „Krise der EU“ zum Trotz. Um Akzeptanz für die Anliegen der deutschen Industrie zu schaffen, müssen meine Kollegen und ich viel Zeit und Energie investieren: Nur wer früh über eine gut begründete Position verfügt, die Verfahren beherrscht, das politische Umfeld kennt und bereit ist, europäische Allianzen zu bilden, kann den politischen Meinungsbildungsprozess mitprägen.

Die Konkurrenz ist groß: 10.641 Organisationen sind aktuell im EU-Transparenzregister für Interessenvertreter registriert. Sie buhlen um die Aufmerksamkeit von Kommission, EU-Parlament und Rat.

Als Vertreter der deutschen Industrie stehen wir in Brüssel besonders im Fokus. Im kriselnden Europa wird das wirtschaftliche und politische Gewicht Deutschlands spürbar. Das Interesse an unseren Positionen ist groß, die Erwartungen an die europäische Gestaltungskraft Deutschlands sind hoch. Als Vertreter deutscher Interessen in Europa sind wir gut beraten, uns aktiv in Brüssel einzubringen, zuzuhören und europäische Allianzen zu schmieden – auch bis kurz vor und manchmal sogar nach Mitternacht.