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Konferenz zur Zukunft Europas

Die Konferenz zur Zukunft Europas tritt in die entscheidende Phase ein. Bis Mai soll ein Bericht mit Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Europäischen Union an die Präsidenten der EU-Institutionen überreicht werden. Der BDI stellt Kernforderungen für die Bereiche vor, in denen die Konferenz Impulse geben sollte.

Die Zukunftskonferenz kam auf Initiative des französischen Präsidenten Emanuel Macron zustande. Das Konferenzziel besteht darin, einen Dialog zur Zukunft Europas zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie politischen Entscheidungsträgern zu initiieren – jenseits der Europawahlen. Der Start gestaltete sich holprig: Auf ein zähes Kompetenzgerangel zwischen den EU-Institutionen folgte die COVID-19-Pandemie, sodass der Dialogprozess erst im Frühjahr 2021 starten konnte. Da die Konferenzempfehlungen pünktlich zu Frankreichs Ratspräsidentschaft und zum französischen Präsidentschaftswahlkampf vorliegen sollten, blieb nur ein Jahr, um Impulse für die EU zu erarbeiten.

Handlungsfähigkeit der EU stärken und zukunftsfähig machen

Die deutsche Industrie unterstützt das Ziel der Konferenz, die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken und sie zukunftsfähig zu machen. Entscheidend für die europäische Souveränität und die zukünftige Rolle der EU in der Welt ist ihre innere Stärke auf der Basis sozialer Marktwirtschaft und des europäischen Modells. Ferner kommt es auf die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und eine wachsende außenpolitische Handlungsfähigkeit an.

An Vorschlägen zur Zukunft Europas besteht kein Mangel. In drei Foren werden aktuell Ideen auch zu industrierelevanten Themen wie Klima und Umwelt, Gesundheit, eine stärkere Wirtschaft, Europas Rolle in der Welt, Rechtsstaatlichkeit oder digitale Transformation gesammelt: In europäischen und nationalen Bürgerpanels diskutieren zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger; Sie beraten in neun Arbeitsgruppen gemeinsam mit Vertretern nationaler Parlamente und Regierungen, des Europaparlaments, der EU-Kommission, der Regionen, der europäischen Sozialpartner und vielen mehr. Auf einer mehrsprachigen Online-Plattform haben interessierte Bürgerinnen und Bürger bereits über 13.000 Ideen eingestellt.

Tausende Zukunftsideen – was nun?

Unklar bleibt, wie die EU-Institutionen mit den zahlreichen Zukunftsideen umgehen wollen. Da wäre zum einen die Frage, welche Ideen in den Abschlussbericht aufgenommen werden sollen. Aktuell wird ein sinnvolles Ampelsystem diskutiert, das bei der Auswahl helfen könnte: rot für alle Ideen, die nicht in den Kompetenzbereich der EU fallen; orange für solche Empfehlungen, zu denen bereits EU-Gesetzesvorschläge vorliegen und grün für neue und auf europäischer Ebene realisierbare Vorschläge. Nur die mit grün markierten Ideen würden Eingang in den Abschlussbericht der Konferenz finden.

Zum anderen ist offen, welche Bedeutung die Konferenzempfehlungen für die politische Agenda der EU haben sollen. Die EU-Institutionen haben nur allgemein zugesichert, die Empfehlungen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten weiterzuverfolgen. Zwischen den EU-Institutionen bestehen jedoch deutliche Meinungsunterschiede zum weiteren Vorgehen: Zahlreiche Europaparlamentarier haben die Konferenz enthusiastisch begrüßt. Sie wären bereit, Ideen auch durch eine Änderung der EU-Verträge umzusetzen. Die meisten Mitgliedstaaten stehen der Konferenz hingegen reserviert gegenüber und sehen langwierige und risikobehaftete Vertragsänderungen grundsätzlich skeptisch. Sie wollen möglichst viele Ressourcen in die laufenden wichtigen Gesetzgebungsprozesse zur Bekämpfung des Klimawandels, Digitalisierung und Stärkung der Souveränität Europas investieren.

Koalitionsvertrag: Unterstützung der Bundesregierung für Macrons Reformideen

Die neue Bundesregierung misst der Zukunftskonferenz große Bedeutung bei. Im Koalitionsvertrag bekräftigen SPD, Grüne und FDP, Empfehlungen erforderlichenfalls durch Vertragsänderungen umzusetzen. Sie fordern die Einsetzung eines verfassungsgebenden Konvents, um die EU zu einem föderalen europäischen Bundesstaat weiterzuentwickeln. Somit ist davon auszugehen, dass Frankreich und Deutschland im Anschluss an die Konferenz gemeinsam Reformen vorantreiben werden – beispielsweise die Einführung eines Initiativrechts für das Europäische Parlament im europäischen Gesetzgebungsverfahren.

Es ist noch nicht abzusehen, inwiefern die Konferenz die Zukunft Europas prägen wird. Die EU-Institutionen haben bei vielen engagierten Europäerinnen und Europäern hohe Erwartungen geweckt. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass ausgewählte Zukunftsideen zumindest Eingang in die Wahlprogramme der Parteien für den Europawahlkampf 2024 finden werden.