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Auf Kosten der Industrie kann die Energiewende nicht gelingen

Sofortiger Kohleausstieg, höhere Industriestromkosten, verbindliche Zielvorgaben – die Forderungen in der Diskussion um mehr Klimaschutz gehen häufig zulasten der Industrie. Doch das ist kurzsichtig und kann leicht nach hinten los gehen: Schließlich ist es die Industrie, die Arbeitsplätze sichert und den Wohlstand schafft, der notwendig ist, um die Energiewende umzusetzen. Fünf Forderungen – und warum sie nicht funktionieren können.

Kohleausstieg jetzt?

So einfach ist das nicht. Aktuell stammt mehr als ein Drittel des Stroms in Deutschaland aus Kohle. Da erneuerbare Energien stark fluktuieren, könnte die Energieversorgung ohne Stromimporte aus dem Ausland zurzeit nicht dauerhaft sichergestellt werden. Zudem müssen zuerst Alternativen für die vom Kohleabbau besonders betroffenen Regionen geschaffen werden. Hinzu kommt, dass bei einem sofortigen Kohleausstieg eine starke Erhöhung der Strompreise zu erwarten ist. Das schadet nicht nur der Industrie, sondern gefährdet auch die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung.

Die Industrie muss für ihren CO2-Ausstoß stärker zur Verantwortung gezogen werden?

Um den CO2-Auszustoß zu reduzieren, werden immer wieder Forderungen nach einer nationalen CO2-Steuer laut. Doch schon jetzt sind die Industrie-Strompreise in Deutschland so hoch wie in keinem anderen EU-Land. Ein weiterer Anstieg träfe die Industrie in ihrer ganzen Breite. Deutsche Unternehmen hätten international einen Wettbewerbsnachteil und energieintensive Unternehmen könnten ihren Standort sogar ins Ausland verlagern. Dadurch ist dem Klima nicht geholfen. Um am Standort Deutschland Produktion zu sichern und Wohlstand zu schaffen, sind daher auf Dauer bezahlbare und wettbewerbsfähige Strompreise dringend erforderlich.

Die Industrie tut zu wenig für den Klimawandel?

Die deutsche Industrie ist beim Thema Energieeffizienz schon heute international führend. Der Energieeffizienz-Index EEI, mit dem halbjährlich aktuelle und geplante Aktivitäten der deutschen Industrie zur Energieeffizienz gemessen werden, war mit 2,24 Punkten zum Winter 2018/19 sogar so hoch wie noch nie zuvor. Das bedeutet, die im letzten Jahr erfolgten und für die nächsten zwölf Monate geplanten Investitionen sind stark angestiegen. Auch im Bereich der künstlichen Intelligenz hat die Industrie in den vergangenen Jahren große Fortschritte hin zu energieeffizienteren Systemen gemacht. Statt einer starren Begrenzung des Energieverbrauchs durch Obergrenzen sollte die Politik stärker in die Forschung effizienter und digitaler Technologien investieren.

Strom sollte rein regional erzeugt und verteilt werden?

Die starke Wetterabhängigkeit der Erzeugung von Solar- und Windenergie ist eine große Herausforderung für Stromversorgung und Netzstabilität. Aufgrund regional unterschiedlicher Wetterverläufe und Sonnenstände finden Einspeisespitzen von Windkraft und Photovoltaik jedoch in den verschiedenen Regionen Deutschlands und Europas meist zu unterschiedlichen Zeiten statt. Durch einen raschen Ausbau der Stromnetze innerhalb Deutschlands sowie einer Vollendung des europäischen Binnenmarktes, lassen sich Versorgungsspitzen und -engpässe überregional ausgleichen. Das senkt Kosten und stabilisiert die Stromsysteme in Europa.

Für das Gelingen der Verkehrswende braucht es verbindliche Ziele?

Einseitige Zielverschärfungen im Bereich der Mobilität schaden dem Industriestandort Deutschland und bringen wenig für den internationalen Klimaschutz. Ziel muss sein, einzelne Verkehrsträger stärker zu vernetzen, die Digitalisierung voranzutreiben und bedarfsgerechten Infrastrukturausbau zügig sicherzustellen. Anstatt Ziele und Grenzwerte zu setzen, sollte die Bundesregierung stärker die technologieoffene Forschung und Entwicklung fördern. Es gilt, klassische Antriebe und Kraftstoffe weiter zu optimieren und schrittweise durch CO2-arme – später CO2-freie – Energieträger zu ergänzen. Die Industrie forciert die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, forscht an alternativen Antrieben sowie flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen. Die Klimaziele für 2030 sind nur mit Brückentechnologien wie Diesel, Hybrid, nachhaltigen Biokraftstoffen und Erdgas erreichbar.