Hagen W. Lippe-Weißenfeld, Kaufmännischer Direktor/Vorstand der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen steht auf der Treppe der Kunstsammlung. ©Sebastian Drüen

Hagen W. Lippe-Weißenfeld, Kaufmännischer Direktor/Vorstand der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen © Sebastian Drüen

Mittelstand für Kunst und Kultur begeistern

Hagen W. Lippe-Weißenfeld, Kaufmännischer Direktor und Vorstand der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, spricht im Interview über Kulturprojekte, die mittelständische Unternehmen möglich machen. Davon profitiert auch der Wirtschaftsstandort Deutschland.

Spielen mittelständische Unternehmen für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und ihre Ausstellungshäuser eine Rolle und wenn ja welche?
Oh ja, sogar in zunehmendem Maße! Mittelständler entscheiden autark und sind nicht von Vorstandsentscheidungen abhängig, die bei großen Gesellschaften nicht selten sogar im Ausland getroffen werden. Hinzu kommt die Ortsbezogenheit mittelständischer Unternehmer, die in Ihrer Heimat Verantwortung für Arbeitsplätze und Beschäftigte mit ihren Familien tragen und sich daher ganz anders mit lokalen oder überregionalen Kultureinrichtungen identifizieren. Schließlich zählen nicht wenige Mittelständler international zu den Hidden Champions und sind in ihrem Produktsegment oft an der Weltspitze. Da ist viel Bewußtsein für Kunst vorhanden, die ja gleichermaßen weltumspannend agiert! Das schafft eine gute Ausgangsbasis für eine Kooperation auf Augenhöhe!

Welche Formen privater Unterstützung erfährt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen? Gibt es Kulturförderformate, die mittelständischen Unternehmen besondere Möglichkeiten bieten?
Wir haben grundsätzlich sehr verschiedene Förderformate, die allerdings zunächst immer nur einen Rahmen bieten, der durch die Partnerschaft konkret und individuell anzupassen bzw. auszuformen ist. Ein Beispiel: Als der Stuttgarter Modekonzert Breuninger seine Düsseldorfer Filiale öffnete, waren wir der erste Partner vor Ort, der mit einer ungewöhnlichen Kooperationsidee parat stand. Wir haben als Gegenleistung für ein generöses Sponsoring über mehrere Jahre in jedem Jahr zwei große Schaufenster des Breuninger-Kaufhauses an der Kö von ausgesuchten Künstlern gestalten lassen. Das waren spektakuläre Kunstaktionen, die viel Aufmerksamkeit für die Modemarke generiert haben und zugleich eine Form der Kunst, die Schaufensterkunst, die es schon vor vielen Jahrzehnten gab, wieder aufleben gelassen hat.

Wie und wodurch sind mittelständische Unternehmen für Kunst und Kultur zu begeistern oder anders: wie und wodurch begeistern Sie Unternehmen für „ihre“ Aktivitäten?
Wir schaffen konkrete Bezüge zur Kunst und binden die Unternehmen und ihre Produkte ganz natürlich und ungezwungen ein. Partnerschaften mit Mittelständlern sind deshalb so attraktiv für uns, weil dahinter dynamische, erfolgreiche und sehr häufig auch kunstinteressierte Unternehmer stehen, die Lust haben, gemeinsam auf Entdeckertour zu gehen. Wir lernen in diesen oft langjährigen Partnerschaften sehr viel von- und übereinander. Das ist spannend und gewinnbringend für beide Seiten! Nehmen Sie z. B. die seit über 12 Jahren existierenden KPMG-Kunstabende, die als Format jeden ersten Mittwoch im Monat von 18-22 Uhr freien Eintritt für tausende Besucher unserer drei Häuser ermöglichen. Dieses Kooperationsformat ist bereits ein „Exportschlager“, den KPMG nun auch in anderen Städten erfolgreich etabliert hat. Oder Mercedes-Benz stellt uns z. B. Kleinbusse als kostenlose Shuttle zwischen unseren großen Häusern K20 und K21 zur Verfügung. Das schafft Mehrwert für die Besucher und eine Win-Win-Situation sowie Strahlkraft für beide Marken, für das Museum wie den Sponsor.

Was lernt eine Kulturinstitution in der – im besten Sinne – Auseinandersetzung mit Mittelständlern?
Wir lernen von Menschen, die Geld hart verdienen müssen und im täglichen Wettbewerb stehen, wie man Ressourcen optimal einsetzt oder Marken professionell führt und Mehrwert für Kunden schafft. Kurzum: Wir lernen Dinge, die uns sonst im Umfeld des öffentlichen Dienstes nicht unbedingt als erstes begegnen, die aber zweifelsohne unseren Institutionen und den darin arbeitenden Menschen gut tun. Wir lernen durch die Diskussionen mit den Unternehmern aber auch, uns und unser Tun, die Kunst und Ihre Themen, kritisch zu hinterfragen. Das hilft ungemein und bringt uns selbst enorm weiter. Dafür sind wir richtig dankbar.

Bei der öffentlichen Hand droht die „Schuldenbremse“. Richten sich mit Blick auf den „Kulturstandort“ daher Hoffnungen an, nicht zuletzt mittelständische, Unternehmen?
Ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft mehr denn je Verantwortungsgemeinschaften gebildet werden müssen, die sicherstellen, dass unserer Gesellschaft ein wesentlicher Kern, die Kultur, nicht verloren geht. Kulturpolitik ist daher Gesellschaftspolitik, in Zeiten immenser Migrationsströme mehr denn je Demokratiepolitik! Wer also die Kunst und Kultur fördert, übernimmt automatisch gesellschaftliche Verantwortung. Und der Mittelstand als traditionelles Rückgrat unserer Wirtschaft ist hier seit jeher ganz vorne mit dabei. Wenn der Staat die Basisfinanzierung sicherstellt und sich mittelständische Unternehmen die Ermöglichung besonderer Projekte auf die Fahnen schreiben, ist mir nicht bange um den Kulturstandort Deutschland – Schuldenbremse hin oder her.

Wirtschaft und Kultur erscheinen oft als getrennte Welten. Nur manchmal wächst zusammen, was zusammengehört. Haben Sie dafür passenden Dünger? Bringen Sie das zusammen in Ihrem Alltag als kaufmännischer Direktor einer bemerkenswerten Sammlung?
Ja, unbedingt! Ich bin ein großer Fan davon, Brücken zu bauen zwischen Wirtschaft und Kultur, weil ich vollkommen überzeugt davon bin, dass beide dieser Welten eine viel größere Schnittmenge haben, als häufig angenommen wird. Das erwähnte Lernpotential voneinander ist groß, die Nutznießer beider Welten sind häufig identisch, die Kreativität von Unternehmern und Künstlern gar nicht so unterschiedlich und der Wille, Dinge zu verändern und die Welt zum Guten zu gestalten, eint beide Akteure. Ich gebe mir daher nach Kräften Mühe, Verbündete für dieses Anliegen zu finden und beide Welten miteinander sprachfähig zu machen und Vorurteile abzubauen. Wer einmal gute Erfahrungen mit der „anderen Welt“ gemacht hat, wird zu deren Fan und damit selbst zum Brückenbauer. Das ist ein Weg, der Zeit braucht, aber sehr lohnend ist!

Ein Besuch der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen lohnt immer. Welche Arbeit in „ihrem“ Haus schätzen Sie besonders?
Das ist schwer zu sagen, die Sammlung als Ganzes! Sie ist eine einmalige Komposition von erlesenen Pretiosen, die jede für sich großartige Geschichten erzählt und damit knapp 100 Jahre künstlerischen Schaffens vor dem Betrachter ausbreiten.