Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, auf der Veranstaltung „Expertise bündeln, Politik gestalten – Energiewende jetzt!“ © Christian Kruppa

Ohne synthetische Energieträger kein ambitionierter Klimaschutz

Eine sichere Stromversorgung braucht auch im Jahr 2050 noch regelbare Kraftwerke in heutigem Umfang. Und Carbon Capture and Storage (CCS) ist eine notwendige Ergänzung – Diese klaren Botschaften leiten der BDI, die Deutsche Energie-Agentur (dena) und die Wissenschaftsinitiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) als Handlungsempfehlungen in einer gemeinsamen Synopse ihrer Grundsatzstudien ab. Sieben Handlungsempfehlungen richten sich an die Politik.

Energiesystempolitik und Klimapolitik sind nicht immer direkt greifbar und für viele Bürger weiter entfernt als die Fidschi-Inseln. Übrigens: Ein Flug von Deutschland auf die Fidschi-Inseln bedeutet rund 12 Tonnen CO2 pro Reisenden. Im Durchschnitt verbrauchen Deutsche rund 8 Tonnen CO2 pro Jahr. Die Emissionen fallen bei jedem Bundesbürger in den unterschiedlichsten Lebensbereichen an.

Um eine erfolgreiche Klimapolitik in die Tat umzusetzen, braucht es daher Anstrengungen auf allen Ebenen. Das bedeutet Investitionen zu Hause, Investitionen im öffentlichen Raum und Investitionen in den Unternehmen. Maßgeblich sind hierbei klare und langfristige Rahmenbedingungen für den privaten Verbraucher und die Wirtschaft.

Effizienter Klimaschutz statt Sektorkorsett

Erfolgreiche Energiesystempolitik und Klimapolitik geben technologieoffen Anreize für klimaschonende energieeffiziente Technologien. Sie nutzen sektorübergreifende Instrumente, die das gesamte Energiesystem in den Blick nehmen, und stärken lokale, europäische sowie internationale Kooperationen. Die Energiewende wird nur erfolgreich sein, wenn alle Sektoren einen ambitionierten Beitrag leisten. Die drei Grundsatzstudien von BDI, dena und ESYS zeigen allerdings, dass die bestmöglichen Pfade bis zum Jahr 2050 nicht unbedingt entlang starrer Sektorziele verlaufen. Diesen Widerspruch offen und flexibel anzugehen, ist eine der politischen Aufgaben für eine integrierte Energie- und Klimapolitik.

Sieben auf einen Streich

Klimaschutz ist kein Selbstläufer, bietet aber klug gestaltet Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Thorsten Herdan (BMWi) stellte bei der Vorstellung der Synopse der drei Grundsatzstudien im Februar 2019 klar, dass die Wirtschaft aus der Deckung kommen solle, indem sie benennt, was sie wolle und wie sie sich die Energiewende vorstellt. BDI, dena und ESYS greifen dies in ihrem gemeinsamen Studienvergleich auf und benennen sieben Handlungsfelder für die weitere politische Debatte:

  1. Erneuerbare Energien schneller ausbauen und integrieren
  2. Versorgung sichern: Verbrauch flexibilisieren, regelbare Kraftwerke bereitstellen
  3. Markt und Technologien für erneuerbare synthetische Energieträger aufbauen
  4. Auf neuen Technologiemix im Verkehr umstellen
  5. Gebäude stärker und schneller energetisch sanieren
  6. Industrieemissionen vermeiden – mit Effizienz, erneuerbaren Energien und neuen Verfahren
  7. Ganzheitliche Steuerung der Energiewende, um Investitionen zu ermöglichen.

Herausforderungen benennen und anpacken

Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, benannte auf der gemeinsamen Veranstaltung zum Studienvergleich Herausforderungen bei der Umsetzung von Klimaschutz, die die Bundesregierung adressieren muss: „Aufgrund des Billionenbedarfs an Mehrinvestitionen kommt es für einen erfolgreichen und effizienten Klimaschutz jetzt auf passgenaue Lösungen für die unterschiedlichen Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie an. Im Verkehrssektor werden Wirtschaft und Gesellschaft an die Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit stoßen. Wir wollen individuelle Mobilität erhalten, dafür braucht es technologieoffene Lösungen. Im Gebäudesektor muss die energetische Sanierung schneller, umfangreicher und besser vorankommen. Dafür ist eine attraktive steuerliche Förderung der zentral benötigte Impuls. Die Industrie muss bei Lösungen von heute noch nicht vermeidbaren Prozessemissionen unterstützt werden. Neue Verfahren müssen ab 2030 einsatzbereit sein, und Carbon Capture Storage (CCS) wird aus heutiger Sicht für die Erreichung der ambitionierten Klimaziele eine erforderliche Ergänzung darstellen.“

CO2 speichern, wo es nicht anders geht

Die Autoren der drei Grundsatzstudien erläuterten auf der Veranstaltung, dass in ganz Europa alle Stahlwerke bis 2050 mit neuen Verfahren neu gebaut werden müssten, wenn Deutschland auf CCS verzichten würde. Solche neuen Verfahren seien aber erst frühestens Anfang der 40er Jahre einsatzfähig. Die Nutzung von CCS könnte hingegen durch eine Umrüstung bestehender Stahlwerke erfolgen. Die Kostenersparnisse wären immens, und dies sei auch schneller umzusetzen. Auf die Entwicklung neuer Verfahren sollte dennoch nicht verzichtet werden, da diese in der langen Frist Teil einer gesamtheitlichen Lösung seien.

Mit Ehrlichkeit für Zustimmung werben

Zur Wahrheit gehört auch, dass die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung einen enormen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt bedeuten. Es braucht daher eine ehrliche Debatte, was die Umsetzung ganz konkret für Bürgerinnen und Bürger bedeutet, und welche Chancen und Herausforderungen das für die Wirtschaft mit sich bringt. Das geht von der neuen Stromleitung bis zur effizienten kostengünstigen Nutzung von Energie. Die Politik muss sicherstellen, dass es eine langfristige Zustimmung für einen solchen Wandel in Deutschland gibt.