zerstörtes Gebäude

Folgen von Krieg © Pexels/Ales Uscinau

Krieg in der Ukraine und seine ökonomischen Folgen

Seit Februar haben sich die Sanktionsmaßnahmen gegen die Russische Föderation dynamisch entwickelt. Weite Teile der russischen Volkswirtschaft spüren die Auswirkungen. Selbst wo dieser rechtlich möglich wäre, ist der Verbleib deutscher Unternehmen in Russland zunehmend unrentabel. Politik und Wirtschaft sollten sich darauf vorbereiten, dass das EU-Russlandembargo über Jahrzehnte in Kraft bleibt.

Noch im Juli hat die EU mit dem „maintenance and alignment package“ ihr Embargo gegen Russland verstärkt und an einigen Stellen präzisiert. Die neuen Maßnahmen nehmen weiterhin Russlands Nahrungsmittel-, Getreide- oder Düngemittelausfuhren aus. Hierzu enthält die Präambel der Verordnung (EU) 833/2014 nunmehr eine explizite Klarstellung.

EU-Russland-Embargo

Bisher kann das EU-Russland-Embargo – ohne die Sanktionsmaßnahmen gegen Weißrussland zu berücksichtigen – grob in fünf Kategorien unterteilt werden:

  • Personenbezogene Sanktionen gegen natürliche und juristische Personen. Bisher sind knapp 1250 Personen und über 100 Entitäten sanktioniert worden;
  • Ausfuhrverbote zum Beispiel gegen Güter mit doppeltem Verwendungszweck (dual-use) und weitere Technologie sowie u.a. Industriegütertechnik mit Relevanz für den Rohstoffabbau in Russland, für die Seeschifffahrt sowie eine Vielzahl an Luxusgütern;
  • Einfuhrverbote unter anderem gegen Gold, Eisen- und Stahlprodukte, Kohle und Mineralölprodukte. Letztere dürfen wiederum nicht ausgeführt werden, wenn gesonderte Einfuhrgenehmigungen bestehen.
  • Diverse Beschränkungen beim Zugang zum Binnenmarkt, wie beispielsweise der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, Zugangsverbot zu Häfen oder Schleusen, Sperrung des europäischen Luftraums;
  • Finanzsanktionen bilden das Rückgrat des EU-Russland Embargos, da hier die Lebensader der russischen Realwirtschaft getroffen wird. Besonders hervorzuheben sind hier
    • Sanktionierung der russischen Zentralbank und ihrer Devisen im Ausland;
    • Verbot für Ratingagenturen, die Risiken im Geschäft mit Russland zu beziffern;
    • Bereitstellungsverbot für Rechnungslegung, Wirtschafts-, Bilanz- und Rechnungsprüfung, Buchhaltungs- oder Steuerberatungsdienstleistungen;
    • Abkopplung von insgesamt zehn russischen Banken von Finanznachrichtendienst SWIFT.

Besonders die Abkopplung von SWIFT muss sanktionspraktisch eingeordnet werden. Denn eine Abkopplung unterbindet nicht die Transaktionsmöglichkeiten von Banken. Sie erschwert Transaktionen lediglich signifikant und erhöht die damit verbundenen Kosten für Finanzinstitutionen. Ein Ausschluss des russischen Bankensektors von westlichen Währungsräumen ist bislang noch nicht erwogen worden. Ein solches Clearingverbot, durch welches Banken, die Geschäfte mit Russland betreiben, der Zugriff auf die transatlantischen Währungsmärkte untersagt würde, würde die russische Volkswirtschaft über Nacht international isolieren.

Risiken der Sanktionen

Die Stärkung des seit der Annexion der Krim geltenden EU-Russland-Embargos bestehend aus  Verordnung (EU) 833/2014 und Verordnung (EU) 269/2014 ist seit Ende Februar 2022 in einer enormen Geschwindigkeit vorangebracht worden. Hier bestehen für die Unternehmen Unsicherheiten bei Anwendbarkeit und Betroffenheit. Diese bewirken wiederum eine enorme Arbeitsbelastung – auch und besonders beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen (BAFA), der zuständigen Genehmigungsbehörde. Wirtschaftsbeteiligte müssen mit längeren Bearbeitungszeiten beim BAFA rechnen.

Herausforderungen und Handlungsoptionen

Bis Ende des Jahres 2022 erwarten einige Kernindustrien, sich mit bis zu 90 Prozent aus dem Russlandgeschäft zurückgezogen zu haben. Bei der Anwendung des EU-Russland-Embargos bleibt jedoch der Einsatz von Zolltarifnummern aus Sicht des BDI problematisch. Als Mittel der tarifären Einordnung nehmen diese Bezug auf ganze Gütergruppen und erlauben keinen präzisen Rückschluss auf individuelle Ausfuhrbeschränkungen. Diese wurden mit Russlands letztmaliger militärischer Aggression gegen die Ukraine im Jahre 2014 eingeführt. Hier ist eine sorgfältige Nachbereitung des Embargos wünschenswert, um Rechtssicherheit überall dort herzustellen, wo die Wirtschaftsbeteiligten durch bestehende Verträge weiterhin zur Aufrechterhaltung eines Russlandgeschäfts vertraglich verpflichtet sind.

Verordnung (EU) 833/ 2014 und Verordnung (EU) 269/2014 werden in zwei Jahren zehn Jahre in Kraft sein. Die deutsche Industrie muss sich daher darauf einrichten, dass auch die neuen Sanktionsmaßnahmen für einen äußerst langen Zeitraum in Kraft sein werden. Eine Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Beziehungen ist kaum plausibel, da hierzu notwendige Konzessionen – Überstellung mutmaßlicher Kriegsverbrecher, Rückzug aus dem Gebiet der Ukraine, Wiedergutmachung und Wiederaufbau in der Ukraine – des Kreml ausgeschlossen werden können. Zudem ist notwendige Einstimmigkeit im Europäischen Rat für einen Rückbau der Maßnahmen auch langfristig nicht absehbar. Dennoch sollten sich Politik und Wirtschaft auf eine vorsichtige Wiederaufnahme möglicher Beziehungen strukturell vorbereiten. Da eine solche Wiederaufnahme durch zahlreiche politische Unsicherheiten gezeichnet wäre, sind die oben genannten Nachbesserungen und Präzisierungen im EU-Russland Embargo notwendig. Nur so könnte ein schrittweiser und an messbare russische Zugeständnisse gebundener Rückbau einzelner Sanktionsmaßnahmen außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitisch sinnvoll durchgeführt werden.