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Vermögensteuer ist verfassungsrechtlich zweifelhaft

Eine Vermögensteuer kann zu einer unzulässigen Übermaßbesteuerung des Steuerpflichtigen durch den Staat führen, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) widerspricht. Obwohl die Karlsruher Richter das Übermaßverbot nicht in Form einer allgemeinen Obergrenze konkretisiert haben, sind der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Grenzen gesetzt.

Das BVerfG hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass „die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen [darf], dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt.“ (BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99). Die Ertragsteuern und eine gegebenenfalls erhobene Vermögensteuer als Soll-Ertragsteuer sind dabei in ihrer parallel belastenden Wirkung gemeinsam zu betrachten. Dies zeigen die zwei nachfolgenden Beispiele.

Übermaßbesteuerung durch Vermögensteuer und Ertragsbesteuerung

Beispiel anhand einer Personengesellschaft: Vermögensteuersatz ein Prozent, persönlicher Freibetrag zwei Millionen Euro, Bewertung nach Verkehrswert.

Betriebsvermögen (Verkehrswert) 100 Mio. Euro 100 Mio. Euro
Rendite des Betriebsvermögens 5 % 3 %
Gewinn vor Steuern 5 Mio. Euro 3 Mio. Euro
Persönlicher Freibetrag für Vermögensteuer 2 Mio. Euro 2 Mio. Euro
Vermögensteuerpflichtiger Unternehmenswert 98 Mio Euro 98 Mio. Euro
Vermögensteuer (1 %) 0,98 Mio. Euro 0,98 Mio. Euro
Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2,35 Mio. Euro 1,4 Mio. Euro
Gesamtsteuerbelastung 3,3 Mio. Euro 2,4 Mio. Euro
Gesamtsteuerbelastung 66 % 79 %

Beispiel anhand einer Kapitalgesellschaft: Vermögensteuersatz ein Prozent (hälftige Belastung von Kapitalgesellschaft und Anteilseignern), Freigrenze annahmegemäß überschritten, Bewertung nach Verkehrswert.

Betriebsvermögen (Verkehrswert) 100 Mio. Euro 100 Mio. Euro
Rendite des Betriebsvermögens 5% 3%
Gewinn vor Steuern 5 Mio. Euro 3 Mio. Euro
Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag (31,3 %) 1,56 Mio. Euro 0,94 Mio. Euro
Vermögensteuer auf Ebene der Kapitalgesellschaft (0,5 %) 0,5 Mio. Euro 0,5 Mio. Euro
Ausschüttung an Anteilseigner 2,94 Mio. Euro 1,56 Mio. Euro
Abgeltungsteuer (25 %) und Solidaritätszuschlag auf Ebene der Anteilseigner 0,77 Mio. Euro 0,41 Mio. Euro
Vermögensteuer auf Ebene der Anteilseigner (0,5 %) 0,5 Mio. Euro 0,5 Mio. Euro
Gesamtsteuerbelastung 3,3 Mio. Euro 2,4 Mio. Euro
Gesamtsteuerbelastung 66 % 79 %
Quelle: BDI (eigene Berechnung und Darstellung), Abweichungen sind rundungsbedingt

 

Die Beispiele zeigen:

  • Die Vermögensteuer kann im Zusammenwirken mit der Ertragsbesteuerung zu einer unzulässigen und verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung führen.
  • Bei Einführung einer Vermögensteuer fällt die Gesamtsteuerbelastung bei weniger erfolgreichen Unternehmen sogar höher aus als bei vergleichbaren Betriebe mit höherer Rendite.
  • Die Vermögensteuer trifft weniger erfolgreiche Unternehmen besonders hart, weil sie die jeweilige Ertragslage nicht berücksichtigt.
  • Wird die Vermögensteuer darüber hinaus sogar im Verlustfall erhoben, greift sie unmittelbar in die Substanz des Unternehmens ein. Ein solcher Substanzverzehr ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
  • Die Vermögensteuer nimmt den Unternehmen den finanziellen Spielraum für Investitionen und schwächt damit nachhaltig Innovationskraft.

Einmalige Vermögensabgabe verfassungsrechtlich unzulässig 

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine einmalige Vermögensabgabe sind ebenfalls nicht erfüllt. Zwar belastet die Corona-Pandemie die Staatfinanzen erheblich. Doch dies begründet nach derzeitigen Kenntnisstand keine staatliche Ausnahmesituation mit einem so außerordentlichen Finanzbedarf, der eine Vermögensabgabe rechtfertigen würde. Vor allem ist die Belastung durch die Corona-Pandemie mit den exorbitanten Lasten, denen sich Deutschland in der Nachkriegszeit mit der Schaffung von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 Grundgesetz (Lastenausgleich 1952) gegenübersah, nicht zu vergleichen.

Hinzu kommt, dass der Staat heute über finanzpolitische Alternativen zu einer Vermögensabgabe verfügt:

  • In den Jahren 2014 bis 2019 erzielte die öffentliche Hand gesamtstaatliche Überschüsse. Der Bundeshaushalt war im gleichen Zeitraum stets ausgeglichen („Schwarze Null“).
  • Die gesamtstaatliche Verschuldung konnte im Jahr 2019 unter die Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent des BIP gesenkt werden.
  • Deutschland verfügt als eines der wenigen Länder weltweit unverändert über ein AAA-Rating.

Zum Vergleich: Nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010 lag die Verschuldung deutlich über 80 Prozent des BIP – und damit zehn Prozentpunkte über dem Niveau des vergangenen Jahres. 2020. Die Verschuldung konnte durch wirtschaftliches Wachstum kontinuierlich reduziert werden. Somit bestehen Spielräume für eine vorübergehend höhere Verschuldung. Zudem kann sich die öffentliche Hand derzeit zu sehr günstigen Konditionen auf dem Kapitalmarkt finanzieren.

Finanzlage des Staates rechtfertigt keine Vermögensabgabe

gesamtstaatliche Verschuldung in Prozent des BIP

Quelle: Deutsche Bundesbank, 2021; Eurostat, 2021