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Vorschläge zur Reform des Aufsichtsratsrechts

Mit den in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Anforderungen an die Arbeit der Aufsichtsräte und ihre Professionalisierung hat das geschriebene Aktienrecht nicht Schritt gehalten. Im „Arbeitskreis Recht des Aufsichtsrats“ haben sich daher Hochschullehrer und Anwälte mit Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern zusammengeschlossen, um Eckpunkte für eine Reform des Aufsichtsratsrechts zu erarbeiten. Der BDI hält einen Großteil der Eckpunkte für sinnvoll.

Zur Begründung für die Initiative führt der Arbeitskreis im Wesentlichen an, dass die Herausforderungen, mit denen Aufsichtsräte konfrontiert sind, in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hätten. Ursache seien die zunehmende Komplexität der Geschäftstätigkeit sowie die vielfältigen zusätzlichen Aufgaben, die der deutsche und der europäische Gesetzgeber dem Aufsichtsrat nach und nach zugewiesen haben.

Auch in der Wahrnehmung des BDI hat sich die Rolle und Tätigkeit des Aufsichtsrats insbesondere bei größeren börsennotierten Unternehmen durch eine zunehmende Professionalisierung der Kontrollfunktion und eine größere Außenwirkung deutlich gewandelt. Trotz dieser Entwicklung sind die gesetzlichen Vorschriften über den Aufsichtsrat seit Inkrafttreten des Aktiengesetzes nur vereinzelt überarbeitet worden. Aktuelle und anerkannte Standards für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung enthält hingegen der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) in Form von Empfehlungen und Anregungen.

Worum geht es bei der Reform im Einzelnen?

Die Eckpunkte des Arbeitskreises (vgl. NZG 2021, 477 ff.) betreffen im Wesentlichen:

  • die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats,
  • die persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und die Höchstzahl Ihrer Mandate,
  • die Größe und Ausstattung des Aufsichtsrats,
  • den Umgang mit Interessenkonflikten im Aufsichtsrat,
  • den Handlungsrahmen des Aufsichtsratsvorsitzenden und
  • Aufsichtsratsausschüsse.

Reformbedarf wird auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung sowie hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlage und Reichweite der Kodexempfehlungen gesehen.

Positive Bewertung der Initiative aus Sicht des BDI

Der BDI hält einen Großteil der Vorschläge zur Reform des Aufsichtsratsrechts für sachlich richtig oder zumindest für sinnvoll zur Erhöhung der Rechtssicherheit. Insbesondere die Eckpunkte zur Größe des Aufsichtsrats werden aus Gründen der Effizienzsteigerung der Aufsichtsratsarbeit begrüßt. Auch die Vorschläge zum Umgang mit Interessenkonflikten im Aufsichtsrat sind zur Herstellung von Rechtssicherheit grundsätzlich sinnvoll. Bei einer eventuellen Konkretisierung des Handlungsrahmens des Aufsichtsratsvorsitzenden sollte der Gesetzgeber jedoch generell berücksichtigen, dass je nach Unternehmens- und Eigentümerstruktur die Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden unterschiedlich geprägt sein kann. Eine evtl. gesetzliche Regelung sollte sich daher auf allgemeine Grundsätze beschränken, um den Unternehmen die notwendige Flexibilität zu belassen. Vor dem Hintergrund, dass die Bildung von Aufsichtsratsausschüssen in den vergangenen Jahren wesentlich zur Steigerung der Effektivität und Verbesserung der Qualität der Aufsichtsratsarbeit beigetragen hat, begrüßt der BDI auch die Eckpunkte zu den Aufsichtsratsausschüssen. Schließlich ist auch die gesetzliche Verankerung der wesentlichen Fragen des DCGK im Grunde sinnvoll. Insbesondere für Randbereiche des Aktienrechts oder bei nicht gefestigten Auffassungen ist der DCGK hingegen in der Praxis sehr wertvoll.

Einzelne Eckpunkte kritisch zu bewerten

Einzelne Eckpunkte sind aus Sicht des BDI hingegen eher kritisch zu bewerten, da sie in sachlicher Hinsicht nicht für zielführend erachtet werden oder Details einzelner Sachverhalte besser dem Markt überlassen oder im Kodex geregelt werden sollten.

So wird im Hinblick auf die Konkretisierung der Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats eine Klarstellung, dass sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nur auf Geschäftsführungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung und grundlegende Fragen der Unternehmensorganisation bezieht (statt wie bisher pauschal auf „die Geschäftsführung“) für nicht zielführend erachtet. Dadurch könnten vielmehr neue Abgrenzungsfragen und Aufsichtslücken entstehen. Auch der Vorschlag zur gesetzlichen Regelung eines Direktinformationsrechts des Aufsichtsrats gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern wird unter den BDI-Mitgliedern weitgehend abgelehnt, da das Vertrauensverhältnis zum Vorstand und der „Betriebsfrieden“ Schaden nehmen könnten.

Aus Sicht des BDI besteht beispielsweise hinsichtlich der persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder kein zwingendes gesetzliches Regelungsbedürfnis. Die entsprechenden Vorschläge sollten allenfalls im Kodex festgehalten werden.

Reform des Aufsichtsratsrechts nicht im Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag enthält keine Vorgaben zur Reform des Aufsichtsratsrechts. Der BDI wird sich dafür einsetzen, dass die Reform – zumindest auf lange Sicht – trotzdem angegangen wird.