Schaffner steht im Zug

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Zero-Covid und kein Ende

China kennt nach wie vor nur eine Antwort auf die Corona-Pandemie: Zero-Covid. Mit der Ausbreitung der Omikron-Variante in vielen Teilen des Landes wird diese Null-Toleranz-Politik auf eine harte Probe gestellt. Einem zaghaften lokalen Experiment in Schanghai mit einem flexibleren Ansatz hat die Zentralregierung eine endgültige Absage erteilt: Seit 28. März 2022 befindet sich die 25-Millionen-Stadt im unbefristeten Lockdown.

Produktion und Lieferketten sind extrem belastet. Die Effekte bekommen nicht nur deutsche Unternehmen in China, sondern auch die Industrie in Europa zu spüren. Mittlerweile hat Omikron auch die Hauptstadt Peking erreicht.

Seit März wird das ganze Land von Norden nach Süden mit Lockdowns überzogen. Von der Stadt Changchun in der an Russland angrenzenden Provinz Jilin bis nach Shenzhen im Perlflussdelta werden die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit für Tage oder Wochen eingeschränkt oder gar in Quarantänezentren verfrachtet. Anfang April verzeichneten 87 der 100 wirtschaftsstärksten Städte Chinas Covid-Einschränkungen – angefangen von örtlichen Restriktionen bis hin zu flächendeckenden Lockdowns. Von Letzteren waren zu diesem Zeitpunkt zehn Städte betroffen.

In Schanghai steht nach wie vor in weiten Teilen die Produktion still. Der Umschlag am größten Hafen der Welt ist erheblich reduziert, da der Lastwagenverkehr in der ganzen Stadt stark eingeschränkt ist. Für die deutsche Wirtschaft ist das ein schwerer Schlag: Mit rund 2100 Unternehmen sind 40 Prozent der deutschen Anbieter in China im Raum Shanghai konzentriert. Wenige Tage vor dem Beginn des Lockdowns dort veröffentlichte die AHK China eine Blitzumfrage: Schon zu diesem Zeitpunkt waren im Bereich Logistik 51 Prozent und in den Lieferketten 46 Prozent ihrer Mitglieder von Störungen betroffen.

Zudem zerrt das rücksichtslose Vorgehen der Behörden an den Nerven der Expatriates, die schon seit zwei Jahren unter Reisebeschränkungen leiden. Ein Großteil plant, das Land möglichst bald zu verlassen. Die Kontakte zwischen Europa und China werden dadurch noch spärlicher werden.

Eine Abkehr von der Zero-Covid-Strategie ist derzeit nicht in Sicht. Mit den strengen Abschottungsmaßnahmen war es China bis zur jüngsten Omikron-Welle gelungen, Corona weitgehend unter Kontrolle zu halten. Diesen Erfolg hat die Partei- und Staatsführung als Beleg für die angebliche Überlegenheit des eigenen Systems ausgeschlachtet – insbesondere vor dem 20. Parteitag im Herbst, an dem Xi Jinping für eine dritte Amtszeit als Parteivorsitzender wiedergewählt werden will.

Ein praktisches Argument für ein Festhalten an Zero-Covid ist indes die relativ niedrige Impfquote unter der älteren Bevölkerung. Überdies kommen nur heimisch entwickelte klassische Impfstoffe auf Basis abgetöteter Erreger zum Einsatz. Wirkungsvollere moderne mRNA-Impfstoffe aus dem Ausland sind nicht zugelassen. Auch hier verhindern offensichtlich politische Interessen eine pragmatischere Lösung.

In der letzten Aprilwoche ist Omikron auch in Peking angekommen: Zwar werden nur wenige Dutzend Fälle pro Tag und auch nur in einigen Bezirken der Metropole mit ihren 21 Millionen Einwohnern gemeldet, doch die Behörden gehen kein Risiko ein. So sind in Chaoyang, einem zentralen Stadtteil, in dem rund 3,4 Millionen Menschen leben, Massentests eingeleitet worden. Die Pekinger reagierten sogleich mit Panikkäufen. Angesichts eines drohenden Lockdowns schweben die Einwohner der Hauptstadt derzeit zwischen Bangen und Hoffen.