„Ich will die Digitalisierung
in die Köpfe der Menschen bringen”

Die Mission Possible
der Andrea Pfundmeier

Sicherheit im Internet war früher ein Thema für Nerds. Die Zeiten haben sich geändert. Bestes Beispiel: Andrea Pfundmeier, Gründerin und Geschäftsführerin des Start-up Secomba aus Augsburg.
Freundlich, offen und redegewandt empfängt uns die 28-Jährige in der Werner-von-Siemens-Straße. Wo früher Deutschlands größter Elektrokonzern zu Hause war, steht heute unter anderem ein Gründerzentrum. Hier entwickeln und verkaufen Andrea Pfundmeier und ihr Team Software, mit der Daten verschlüsselt werden, noch bevor sie in der Cloud landen. Damit, falls die Daten gestohlen werden, der Dieb damit nichts anfangen kann. Aber der Unternehmenserfolg ist nur die eine Mission von Andrea Pfundmeier. Mindestens genauso wichtig ist ihr, das Wissen über die Vorteile und Gefahren eben dieser Digitalisierung in die Köpfe der Menschen zu bekommen. Am besten aller Menschen. Je früher, je besser. Andrea Pfundmeier hat dafür einen Plan.
BDI: Frau Pfundmeier, sind Sie bei Facebook?
Andrea Pfundmeier: Ja, bin ich. Ich habe da kein Problem mit. Facebook ist keine wirkliche Bedrohung für den Datenschutz.
Nein?
Bei Facebook steht mir frei, reinzuschreiben, was ich will. Ich entscheide selbst, ob ich mitteilen möchte, was ich gestern gegessen habe oder wann ich geboren wurde. Die wirkliche Bedrohung liegt in den Daten, die unbewusst im Netz landen und bei denen ich keine Wahl habe. Eine Steuererklärung, die ich elektronisch abgebe, bei der kann ich nicht sicher sein, dass das Finanzamt diese Daten auch schützt.
Es wird viel über die Schattenseiten gesprochen, was sind auf der anderen Seite die größten Vorteile der Digitalisierung?
Die Digitalisierung macht unser Leben besser. Auch in der Arbeitswelt: Wir integrieren neue Technologien und machen vieles, was früher kompliziert war, einfacher. Musste man sich vor ein paar Jahren noch mit Kunden oder Geschäftspartnern im Büro vor Ort treffen, geht jetzt alles auch digital. Außerdem haben wir mittlerweile so viele intelligente Helfer im Alltag – und damit meine ich nicht nur den Laptop und das Smartphone. Denken Sie nur an das Potenzial im Internet der Dinge! Was wir dort sehen, ist der Anfang einer Entwicklung, die ganz bestimmt viele Arbeitsprozesse revolutionieren wird.

Das Internet der Dinge:
Gelebte Industrie 4.0

mehr Industrie 4.0
Industrie 4.0 ist keine Utopie mehr. Es zeichnet sich bereits deutlich ein Bild ab: Die komplette digitale Vernetzung komplexer Produktionsprozesse und kleiner Alltagsverrichtungen – zwischen Dingen, Dienstleistungen und Menschen – führt unweigerlich zu einer neuen industriellen Revolution. Im Mittelpunkt von Industrie 4.0 steht das intelligente Produkt: das Internet der Dinge – und nicht zu vergessen – der Dienstleistungen. Bisher ist das Produkt „dumm und passiv“, wie es der frühere SAP-Chef Henning Kagermann einmal ausgedrückt hatte. Der Produktionsprozess ist bislang darauf angewiesen, dass Mensch und Maschine über das Produkt hinweg miteinander kommunizieren. Künftig wird das Produkt selbst alle Informationen in sich tragen, wird damit aktiv und intelligent. Mittels eines Chips ist es in der Lage, selbstständig mit den Herstellungsmaschinen zu kommunizieren. Damit steuert das digitalisierte Produkt die Maschine und optimiert den Logistik- und Produktionsprozess selbst. Die Wertschöpfungskette verläuft auch nicht mehr zeitversetzt und starr zwischen Lieferanten, Herstellern und Kunden, sondern findet zwischen vielen eng vernetzten, in Echtzeit kommunizierenden Akteuren statt. Das viel beschworene Internet der Dinge wird mit dem intelligenten Objekt Realität.
Die Veränderungen betreffen also die reale Warenwelt genauso wie Dienstleistungen?
Genau. Früher musste man sprichwörtlich in den Keller gehen, um an Firmen-Dateien zu gelangen. Und bevor man auf Geschäftsreise ging, mussten alle Informationen abschließend eingesammelt sein. Mittlerweile entscheiden wir von unterwegs, auf welche Dateien wir zugreifen wollen. Der Vorteil ist riesengroß, aber auch dieser Fortschritt hat eine Schattenseite, nämlich die Gefahr, dass die Daten in falsche Hände geraten.
Das macht gerade kleinen Unternehmen Sorge, weil die sich keine IT-Abteilung leisten können.
Verständlicherweise. Wir müssen heute Vertrauen in Technologien stecken, die wir gar nicht verstehen. Und wenn man bedenkt, dass die Kronjuwelen der meisten Unternehmen Daten sind, dann ist die Suche nach vertrauensvollen Technologien mehr als berechtigt. Wer seine Daten aus der Hand gibt, muss die Sicherheit haben, dass sie nicht in falsche Hände gelangen. Dafür fehlt es noch an Bewusstsein.
Vielleicht weil die Gefahren so wenig greifbar sind.
Sicherlich. Wenn mir mein Auto geklaut wird, merke ich das umgehend. Wenn meine Daten gestohlen werden, entdecke ich im schlimmsten Fall erst einmal gar nichts. Ein Datenverlust fällt manchem erst nach zehn Jahren auf die Füße.
Einige versuchen deshalb, von der Digitalisierung die Finger zu lassen.
Das kann sich praktisch keiner mehr leisten. Und zwar in keinem Bereich der Wirtschaft. Beim Thema Sicherheit lautet die Frage der Zukunft: Wie kann ich meine Daten schützen, ohne auf die Vorteile der Digitalisierung, also etwa den schnellen und ortsungebundenen Zugriff, verzichten zu müssen?
Sie sind nicht nur unternehmerisch, sondern auch politisch aktiv, zum Beispiel im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Was treibt Sie an?
Ich will die Digitalisierung in die Köpfe der Menschen bringen. Am besten schon während der Schule. Ich bin der Meinung, dass das Fach “Digitalkunde“ fehlt, welches den Schülern beibringen würde, wie die digitale Welt funktioniert. Dabei geht es nicht darum, programmieren zu lernen, sondern Zusammenhänge zu verstehen. Also zum Beispiel Antworten auf die Frage zu finden, was mit Daten passiert, wenn sie in der Cloud gespeichert werden.
Warum ist es so wichtig, dass es Ihrer Meinung nach in den Lehrplan gehört?
Weil es die Menschen kompetent macht, die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Wer nicht weiß, wie die Cloud funktioniert, kann die Risiken nicht abschätzen. Umgekehrt verhindert dieses Wissen auch, sich unnötig Sorgen machen zu müssen. Und bedenken Sie: Es gibt in der Zukunft praktisch keinen Beruf mehr, in dem man der Digitalisierung aus dem Weg gehen kann.
Haben Sie Hoffnung, dass die Schule dieses Wissen in Zukunft vermitteln wird?
Das Schulsystem ist schwierig zu ändern, das ist mir bewusst. Es zählt noch immer die schöne Schreibschrift, auch wenn wir die in zehn Jahren gar nicht mehr brauchen. Wir haben deshalb eine Initiative gestartet, wo Unternehmer aus dem Digitalbereich an Schulen gehen und Vorträge halten, um die Schüler zu sensibilisieren.
Und was kann die Politik dazu beitragen?
Gesetzgebungsverfahren brauchen meistens sehr lange. Ist ein Gesetz beschlossen, ist die digitale Entwicklung oft schon an einer ganz anderen Stelle. Wir müssen deshalb vor allem Kompetenzen vermitteln, damit jeder für sich selbst die richtigen Entscheidungen treffen kann. Ich bin mir sicher: Wer diese Kompetenz erlangt, bekommt ein positiveres Verhältnis zur digitalen Technik. Und das ist entscheidend. Denn schon heute führt eine gewisse Technikfeindlichkeit in Deutschland an manchen Stellen zu Fachkräftemangel. Mangelnde Datensicherheit bestärkt die Menschen in ihrer Haltung. Wer dagegen Technik kompetent anwenden kann, der wird sich keine Sorgen machen.