Industrie fordert progressive Wirtschaftspolitik von der Regierung

Wirtschaftspolitische Strategien statt sozialer Umverteilung fordert Dieter Kempf, Präsident des BDI. Im Interview der Woche mit dem Südwestrundfunk äußert Kempf sich zum Zuwanderungsgesetz, der Dieseldebatte und handelspolitischen Erwartungen. Drohungen von den USA und China sowie der Brexit forderten einen stärkeren Zusammenhalt der EU.

Im Interview der Woche mit dem Südwestrundfunk zieht Dieter Kempf, Präsident des BDI, Bilanz mit der Arbeit der Regierung im ersten Jahr. Soziale Umverteilung möge man gut oder weniger gut finden, aber die Wirtschaft erwarte natürlich, dass eine Regierung auch Wirtschaftspolitik mache, progressive Politik, wirtschaftspolitische Strategien und da sei im letzten halben Jahr nicht viel passiert. „Das kann uns nicht zufrieden stellen und deswegen der Appell: Das muss klar besser werden“, fordert Kempf.

Die Schwelle für qualifizierte Zuwanderung müsse gesenkt werden. Migration und das Fachkräftezuwanderungsgesetz seien zwei verschiedene Themen und dürften nicht in einen Topf geworfen werden. „Wir werden dieses Land nicht attraktiv machen für qualifizierte Zuwanderer, wenn die Angst haben müssen, dass sie in diesem Land nicht hinreichend willkommen sind oder nicht hinreichend anerkannt werden“, sagt Herr Kempf. Zur Dieseldebatte meint Kempf, dass die Hardwarenachrüstung kurzfristig nicht helfe und bei vielen Modellen nicht funktionieren würde: „Das hat nichts damit zu tun, einen Schutzschirm über die Automobilhersteller spannen zu wollen, sondern es ist einfach technisch bedingt.“

Die Konjunktur sei gut und die Wirtschaft wachse, doch Unsicherheit sei Gift für die Wirtschaft. „Ich halte nichts von den Drohungen, mit denen China und die USA sich jetzt gegenseitig überziehen, aber wir müssen auch klar sehen, wir in Deutschland werden es allein nicht richten“, mahnt Kempf. Europa müsse sich enger zusammenbringen – auch im Hinblick auf den Brexit. „Wir sind der festen Überzeugung, dass ein Brexit allen schadet: Der EU, genauso wie Großbritannien“, stellt Kempf fest. Wenn er sich nicht vermeiden lasse, dann müsse man die Folgen lindern durch ein Handels- und Investitionsschutzabkommen. „Und dann müssen wir natürlich darauf achten, und das muss auch das Vereinte Königreich verstehen, dass jedem der 27 Mitgliedsländer der EU die 27 wichtiger sind als das Verhältnis zum ehemalig 28igsten.“

Wirtschaft und Politik seien gefragt, über Maßnahmen der Unterstützung der Türkei nachzudenken. Kempf erinnert daran, dass die Türkei ein Land am östlichen Ende des Kontinents sei, welches die EU in vielen Themen, zum Beispiel bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, auch helfe und unterstütze. „Allerdings nicht, ohne nicht auch an der einen oder anderen Stelle eine Rückkehr zu den gewohnten, demokratischen Systemen einzufordern.“