Die Industrie macht Wertschöpfung möglich
Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland bilden die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Nur dort, wo industrielles Handeln gefördert und nicht behindert oder stigmatisiert wird, kann die Industrie florieren und Innovationschancen nutzen. Bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für die Industrie muss auch immer das Verhältnis zu Rechtsordnungen anderer Staaten mitbedacht werden. Ansonsten droht das Traditionssiegel „Made in Germany“ auf lange Sicht zu verschwinden, weil die Industrie aus Deutschland abwandert. Dies hätte zur Folge, dass die hohen Produktions- und Entwicklungsstandards Deutschlands international an Bedeutung verlieren. Wird der deutschen Industrie hingegen der richtige Rechtsrahmen gewährt, kann sie erfolgreich die deutschen Werte und Standards international hervorheben und so für einen internationalen Standard am Vorbild Deutschlands werben.
Für einen verlässlichen Rechtsrahmen braucht die deutsche Industrie…
Verbraucherschutz nicht einseitig überregulieren
Der Schutz von Verbrauchern ist wichtig und wird von der Industrie unterstützt. Es darf aber zugunsten des Verbraucherschutzes keine einseitige Überregulierung zulasten des Schutzes der wirtschaftlichen Freiheit stattfinden. Vielmehr sollte ein gerechter Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen erfolgen, sowie ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten von Unternehmen und Verbrauchern gewährleistet sein. „Doppel- und Dreifachregulierungen“ dienen nur der Optik, nicht dem effektiven Verbraucherschutz.
Zivilrecht kohärent fortentwickeln
Deutsche Unternehmen sind auf ein verlässliches und ausgewogenes Zivilrecht als Grundlage für Verträge im In- und Ausland angewiesen. Neue Regelungen, z. B. im Digitalbereich, müssen so ausgestaltet sein, dass Unternehmen nicht unangemessen belastet werden. Es bedarf allenfalls punktueller Anpassungen in rechtsklarer und kohärenter Weise, ohne Innovationshemmnisse zu schaffen. Insbesondere beim Haftungsrecht ist eine angemessene Risikoverteilung unerlässlich.
Entwicklung der Sammelklage als Geschäftsmodell vermeiden
Die deutsche Zivilrechtsordnung ist ein Exportschlager Deutschlands und basiert auf der Würdigung der konkreten Einzelfallumstände, denn nur auf den konkreten Sachverhalt zugeschnittene Entscheidungen können Gerechtigkeit fördern. Kollektivklagen müssen daher die Ausnahme bleiben und dürfen nicht Dritten dienen. Dazu gehört auch, nur tatsächlich entstandene Schäden zu ersetzen. Zivilrecht darf nicht zu einem Bereicherungsinstrument werden.
„One in, one out!“ – Für jede zusätzliche Belastung, Unternehmen an anderer Stelle entlasten
Durch immer mehr Berichts- und Prüfpflichten werden erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen der Unternehmen gebunden. In der Summe wird ein Maß erreicht, das insbesondere für den Mittelstand kaum noch leistbar ist. Auch mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie sowie vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine müssen Unternehmensanforderungen wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Für jede neue ist mindestens eine bestehende Belastung aufzuheben.
Einheitliche internationale Standards setzen, anstatt „Goldplating“ zu betreiben
Globale Herausforderungen und Probleme können effektiv nur durch einheitliche und grenzüberschreitend gültige internationale Lösungen adressiert werden. Internationale Vorgaben sind 1:1 umzusetzen. Einzelstaatliche überschießende Umsetzungen internationaler Vorgaben („Goldplating“) oder exterritoriale Anwendung deutschen Rechts sind keine Lösung, sondern verursachen nur zusätzliche Probleme für Unternehmen und Behörden.
Unternehmerische Tätigkeit nicht stigmatisieren und pönalisieren
Unrechtsbewusstsein ist rechtsstaatliche Voraussetzung für Bestrafungen, aber Menschen und nicht Unternehmen können dieses überhaupt entwickeln. Erfüllen Unternehmen ihre Pflichten nicht, sieht vor allem das Ordnungswidrigkeitenrecht bereits erhebliche Sanktionen vor. Es bedarf keiner Kollektivstrafen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter, Kunden und Shareholder bei Verstößen Einzelner und keiner Verantwortlichkeit durch Sonderkonstruktionen.
Politische Ziele im Klimaschutz nicht zu rechtlichen Anspruchsgrundlagen machen
Die Herausforderungen des Klimawandels in der Energie- und Umweltpolitik sind Gegenstand aufwendiger politischer Prozesse. Zielvorgaben indizieren aber nicht ohne Weiteres Rechtsansprüche. „Klimaklagen“ auf Schadensersatz dürfen individualrechtlich nicht auf abstrakte und allgemein gehaltene politische Aussagen abstellen und daraus Anspruchsgrundlagen ableiten, die gesetzlich gar nicht fixiert sind. Das gilt insbesondere für Zeiten des Neustarts und Folgenbewältigung einer bislang ökonomisch nicht abschätzbaren Krise.
Grenzüberschreitende Unternehmensaktivitäten fördern
Unternehmen brauchen Flexibilität und Mobilität, um grenzüberschreitend tätig und dadurch europa- und weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Eine praxistaugliche europäische Rechtsform für mittelständische Unternehmen, eine sog. „Europa-GmbH“, könnte dazu beitragen.
Neue grenzüberschreitende Umstrukturierungsverfahren effizient umsetzen
Im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie (EU 2019/2121) sollte die von der Industrie geforderte Rechtssicherheit und Beschleunigung gewährleistet werden. Die neuen Regelungen zur Missbrauchsüberprüfung und die zahlreichen Schutzmechanismen für Arbeitnehmer, Gesellschafter und Gläubiger sollten so gestaltet werden, dass die Verfahren nicht noch komplexer ausgerichtet werden.
Unternehmerische Freiheit gewährleisten
Unternehmen muss bei der Ausübung der Geschäftstätigkeit und bei der Ausgestaltung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien ausreichende Freiheit und ein Ermessensspielraum gewährt werden. Alle Details der Unternehmensführung und -struktur europaweit einheitlich durch den Gesetzgeber regeln zu wollen, würde zu stark in die Privatautonomie der Unternehmen eingreifen.
Lieferkettenregulierung an Praktikabilität statt Wettbewerbsbenachteiligung ausrichten
Unternehmen brauchen praxistaugliche und mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen. Bei Regelungen zu Sorgfaltspflichten gilt es, Komplexität und Grenzen gesetzlicher Maßnahmen anzuerkennen. Auch eine europäische Regelung sollte in ihrer Wirkung auf effektiven Menschenrechtsschutz vor Ort, zumal im internationalen Wettbewerb, nicht überschätzt werden. Die Politik darf daher Unternehmen nicht Pflichten auferlegen, die selbst Staaten nicht durchzusetzen vermögen.
Verantwortungseigentum weiter denken
Die Schaffung einer neuen Rechtsform wie der „GmbH mit gebundenem Vermögen“ ist für ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Unternehmertum weder geeignet noch erforderlich. Statt der Schaffung einer neuen Rechtsform könnte dem Ziel eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmertums durch ein Zertifizierungsregime Rechnung getragen werden, das jeder Rechtsform zur Verfügung steht. Die Ausrichtung als besonders nachhaltig und gemeinwohlverträglich agierendes Unternehmen könnte gegenüber der Öffentlichkeit durch ein Branding kenntlich gemacht werden.
Moderne und attraktive Hauptversammlung bei Aktiengesellschaften
EineReform des Beschlussmängelrechts ist für eine moderne und attraktive Hauptversammlung unerlässlich.
Ziel der Reform
Die Reform sollte zum Ziel haben, das rechtliche Risiko der Unternehmen für die Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Die allseits geforderte offene und lebendige Debattenkultur in deutschen Hauptversammlungen ist nicht realistisch, wenn den Unternehmen bei der Auskunftserteilung weiterhin umfängliche prozessuale und haftungsrechtliche Risiken auferlegt werden.
Auslegung und Verwaltungspraxis der Datenschutzaufsicht stärker harmonisieren
Obwohl die DSGVO einen EU-einheitlichen Rechtsrahmen schaffen soll, sehen sich die Unternehmen in der Praxis divergierenden Auslegungen und Anwendungen des Datenschutzrechts durch Aufsichtsbehörden ausgesetzt. Um Wachstum und Innovationen nicht zu hemmen, ist eine stärkere Vereinheitlichung der Auslegung und Anwendung der Datenschutzregeln auf europäischer Ebene und bei nationalen Sachverhalten erforderlich.
Entwicklung und Umsetzung rechtssicherer Standards für Datenanonymisierung fördern
Unternehmen brauchen einheitliche Standards für die Anonymisierung personenbezogener Daten. Die rechtssichere Anonymisierung personenbezogener Daten ist eine Kernvoraussetzung für branchenübergreifende, datengetriebene Geschäftsmodelle und für die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Daten. Zugleich werden hierdurch ein hohes Datenschutzniveau und das Vertrauen der Betroffenen gewährleistet.
Rechtssicherheit für internationalen Datentransfer schaffen
Ein rechtssicherer internationaler Transfer von Daten ist für die global vernetzten deutschen Unternehmen von überragender Bedeutung. Mit dem „Schrems II“-Urteil des EuGHs ist das rechtliche Fundament für Übertragungen personenbezogener Daten in die USA erodiert. Die politische Verständigung auf eine neue Rechtsgrundlage in Form des „Trans-Atlantic Data Privacy Framework“ muss zügig umgesetzt werden. Die Industrie braucht dringend zeitnahe verlässliche politische Lösungen.