Fehlende Abstimmung: EU setzt neue Gefahrenklassen in Kraft

Vier neue Gefahrenklassen wurden im April 2023 durch die EU-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen eingeführt. Der BDI befürchtet einseitige europäische Beschränkungen und eine Schwächung der Globalisierungsbestrebungen, da das internationale GHS-System die neuen Gefahrenklassen nicht übernommen hat.

Ende März 2023 hat die Europäische Union mit der Verordnung 2023/707 bereits einen Tag nach Ablauf der Kommentierungsfrist vier neue Gefahrenklassen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen eingeführt, ohne die eingegangenen Stellungnahmen zu berücksichtigen. Folgende Eigenschaften setzt die delegierte Verordnung mit Wirkung zu Mitte April 2023 fest:

  • Endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit
  • Endokrine Disruption mit Wirkung auf die Umwelt
  • Persistente, bioakkumulierbare und toxische Eigenschaften oder sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Eigenschaften (PBT, vPvB)
  • Persistente, mobile und toxische Eigenschaften oder sehr persistente, sehr mobile Eigenschaften (PMT, vPvM)

Uneinheitliche Standards, mangelnde Verständlichkeit

Da die EU die neuen Gefahrenklassen nicht in Übereinstimmung mit dem global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN-GHS) festgesetzt hat, gelten sie bis auf weiteres ausschließlich in der Europäischen Union. Nach derzeitigem Stand der Beratung in den zuständigen Gremien der UNO ist nicht ausgeschlossen, dass es zu deutlichen Differenzen auf GHS-Ebene kommen wird.

Die EU hat die seit Jahren vorgetragenen, ausführlich begründeten Einwände der Industrie vollkommen ignoriert. Eine fachliche Notwendigkeit für das einseitige Vorpreschen der EU ist darüber hinaus nicht erkennbar. Der BDI bezweifelt zudem, dass die breite Öffentlichkeit die neuen Gefahrenklassen und EUH-Sätze versteht. Der Verzicht auf unverständliche Anglizismen wäre wünschenswert gewesen.

Eine Übersicht der Gefahrenklassen und Fristen

Die Einstufung und Kennzeichnung nach den neuen Gefahrenklassen ist für neue Stoffe ab Anfang Mai 2025 verbindlich, bis Anfang November 2026 gilt eine Übergangsfrist für Stoffe, die vor Mai 2025 in Verkehr gebracht wurden. Neu in Verkehr gebrachte Gemische müssen ab Mai 2026 entsprechend eingestuft und gekennzeichnet werden, bereits vor diesem Stichtag in Verkehr gebrachte Gemische ab Mai 2028.

Die Verordnung unterteilt die endokrinen Gefahrenklassen in zwei Kategorien, die sich im EUH-Satz und im Signalwort unterscheiden. Bei den persistenten Gefahrenklassen erfolgt keine Unterteilung in Kategorien. Allen Gefahrenklassen ist gemein, dass sie nicht mit einem GHS-Piktogramm gekennzeichnet werden müssen. Tabelle 1 und 2 führen die zugeordneten EUH-Sätze und die P-Sätze auf.

Die Einstufung von Gemischen erfolgt, wenn ein Inhaltsstoff in einer Konzentration größer/gleich 0,1 Prozent enthalten ist, bei Kategorie 2 Endokrin größer/gleich 1 Prozent.

Die Gefahrenklassen im Überblick

EUH380: Kann beim Menschen endokrine Störungen verursachen

EUH381: Steht in dem Verdacht, beim Menschen endokrine Störungen zu verursachen

EUH430: Kann endokrine Störungen in der Umwelt verursachen

EUH431: Steht in dem Verdacht , endokrine Störungen in der Umwelt zu verursachen

EUH440: Anreicherung in der Umwelt und in lebenden Organismen einschließlich Menschen

EUH441:  Starke Anreicherung in der Umwelt und in lebenden Organismen einschließlich Menschen

EUH450: Kann lang anhaltende und diffuse Verschmutzungen von Wasserressourcen verursachen

EUH451: Kann sehr lang anhaltende und diffuse Verschmutzungen von Wasserressourcen verursachen