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GWB-Novellen: Zwischen Fehlentwicklungen und Wunschkonzert

In der aktuellen Legislaturperiode sind zwei Novellen des Gesetzes gegen Wettbewerbsrecht (GWB-Novellen) geplant. Die 11. GWB-Novelle (2023) bedeutet einen Paradigmenwechsel im Wettbewerbsrecht und hat das Potential, den Standort zu schwächen und Investitionen und Innovationen auszubremsen. Kaum wurde diese Novelle im November 2023 verkündet, startete schon die Konsultation für die nächste Novelle für die verbleibende Regierungshalbzeit.

Die 11. GWB-Novelle überträgt dem Bundeskartellamt deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten als bislang – auch dann, wenn einem Unternehmen kein Kartellrechtsverstoß nachgewiesen werden kann. Das ist ein Paradigmenwechsel. Die Folgen für Unternehmen sind erheblich. Es droht eine staatliche Marktgestaltung. Die Novelle könnte dringend notwendige Investitionen und Innovationen ausbremsen. Das Bundeskartellamt kann in Zukunft viel früher in Unternehmen eingreifen – bereits dann, wenn es eine Störung des Wettbewerbs auf einem Markt feststellt, ohne einen Rechtsverstoß nachweisen zu können. Bisher erstrebenswerte Ziele wie Wachstum, Effizienz und wirtschaftlicher Erfolg etwa wegen eines innovativen Produkts könnten also künftig das Kartellamt auf den Plan rufen.

Der Maßnahmenkatalog reicht von Datenanforderungen über Vertragspflichten bis hin zur Trennung von Geschäftsbereichen. Sogar eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Unternehmen wäre möglich. Das heißt, marktbeherrschende Unternehmen und solche mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung sollen zerschlagen werden können. Und das alles auch dann, wenn ihnen das Kartellamt kein missbräuchliches Verhalten nachweisen kann. Bislang konnte die Behörde nur durchgreifen, wenn sie beispielsweise illegale Kartellabsprachen feststellte.

Ein solcher nationaler Alleingang schadet dem Wirtschaftsstandort, schwächt uns im europäischen Vergleich und macht Deutschland unattraktiv für Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen. Ähnliche Überlegungen in der EU für ein „New Competition Tool“ wurden im Jahr 2020 über Bord geworfen wegen massiver Kritik. Gerade angesichts der aktuellen Energiekrise, einem rauen Investitionsklima und geopolitischer Spannungen braucht Deutschland aber Unternehmensgrößen, die für Investitionen, Innovationen und Wachstum sorgen. Es sollte nicht die Aufgabe einer Aufsichtsbehörde sein, Märkte neu zu strukturieren. Rechtmäßiges internes Wachstum sollte der Staat fördern und nicht mit noch schärferen Eingriffsinstrumenten bestrafen.

BMWK überprüft bestehenden Regelkanon im Wettbewerbsrecht

Anfang November 2023 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine offene Online-Konsultation zur weiteren Umsetzung seiner wettbewerbspolitischen Agenda gestartet (diese wird Eingang in die bereits angekündigte 12. GWB-Novelle finden). Bis Anfang Dezember 2023 konnten die Interessenten an einer Online-Befragung zu aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nehmen und Vorschläge zur Anpassung des deutschen Kartellrechts einbringen. Das BMWK möchte dadurch ein breites Meinungsbild erhalten, das es bei der weiteren Umsetzung der wettbewerbspolitischen Agenda berücksichtigen wird. Der BDI hat sich an dieser Umfrage beteiligt.

Anlass der beabsichtigen Novelle ist, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, das Bundeskartellamt bei der Durchsetzung des Verbraucherschutzes zu stärken und die Ministererlaubnis kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Es stellt sich zudem die Frage, wie die bürokratischen Anforderungen bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln reduziert werden können, mit dem Ziel, wettbewerbspolitische Entscheidungen schneller und effizienter zu erreichen. Geprüft werden soll dies insbesondere für die Fusionskontrolle und die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung privater Kartellschadensersatzklagen. Die grüne Transformation wirft zudem die Problematik auf, ob für Unternehmenskooperationen, die dazu dienen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ausreichende Rechtssicherheit besteht.

Avisierte GWB-Novelle (2024) birgt Chancen für Bürokratieabbau

Die Industrie wünscht sich weiteren Bürokratieabbau. Sie wünscht sich ebenfalls einen stärkeren Gleichlauf zwischen deutscher und EU-Fusionskontrolle; es sollte erneut über eine Anhebung der Aufgreifschwellen nachgedacht werden. Es bedarf keiner öffentlich-rechtlichen Durchsetzung von Verbraucherrechten. Die privaten Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten reichen aus, um den Verbraucherbedürfnissen Rechnung zu tragen. Dort, wo Unternehmen über die staatlichen Vorgaben hinaus gemeinsam Nachhaltigkeitsziele (schneller oder in größerem Umfang) erreichen wollen, sollte größere Rechtssicherheit vorherrschen, wie dies kartellrechtskonform erfolgen kann. Dabei können Signale des nationalen Gesetzgebers hilfreich sein, bei Nachhaltigkeitskooperationen auf regionaler Ebene größere Freiheiten zu erlauben (z. B. unter Einbeziehung von „out-of market“-effiencies), sofern dafür tatsächlich ein (regionaler) Bedarf besteht. Nach wie vor bedarf es einer besseren Verzahnung von öffentlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung. Gewichtige Gründe sprechen auch für die Übernahme des weiten europäischen Anwaltsprivilegs im Rahmen kartellbehördlicher Ermittlungen.