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Klimaschutzverträge: Hauptsache, es geht jetzt los!

Wenn die politisch gewünschte Transformation hin zur Klimaneutralität in so kurzer Zeit gelingen soll, ist umfangreiche staatliche Unterstützung nötig. Die Umsetzung ist politisch und regulatorisch komplex. Einfache Antworten gibt es nicht. Wichtig ist, dass die Unternehmen jetzt zügig mit ihren Dekarbonisierungsprojekten loslegen und dabei auf die Unterstützung durch die Politik zählen können.

Lange genug hat es gedauert vom vorsichtigen Statement der Bundesregierung, dass man Klimaschutzverträge (KSV) für ein hilfreiches und sinnvolles Instrument halte, um die Dekarbonisierung der Industrien in Deutschland voranzubringen, bis zu dem Tag, da die Europäische Kommission die Anwendung von KSV im Grundsatz genehmigt hat. Im Juni 2023 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) den Entwurf der Förderrichtlinie KSV vorgelegt. Das vorbereitende Verfahren, bei dem Unternehmen Pläne für transformative Vorhaben einreichen konnten, wurde im August 2023 abgeschlossen. Die erste Gebotsrunde konnte jedoch aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimatransformationsfonds („KTF-Urteil“) nicht mehr in 2023 stattfinden.

Die erste Ausschreibungsrunde startet in Kürze

Die Kommission hat nun Mitte Februar 2024 die Beihilfegenehmigung für die erste Ausschreibungsrunde erteilt, die noch im März beginnen soll. Die Höhe der Unterstützung wird dabei nicht mehr in einem beschwerlichen Prüfverfahren festgelegt, sondern durch ein Auktionsverfahren: Unternehmen bieten, wie viel an Förderung sie für die Vermeidung einer Tonne CO2 pro Tonne Produkt brauchen. Die kompetitivsten Angebote bekommen den Zuschlag. Danach müssen die Unternehmen nur noch darlegen, wie viel Produkt sie hergestellt und dabei CO2 vermieden haben – daran bemisst sich die Auszahlung, so die Vorstellung des BMWK. Im Gegenzug sollen die langwierigen Dokumentations- und Prüfverfahren der herkömmlichen Projektförderung entfallen, die die Angemessenheit jeder einzelnen Position ex-ante und die angekündigte Verwendung der Mittel ex-post prüfen.

Der politische Wunsch, gesetzlich geregelt im deutschen Klimaschutzgesetz und der europäischen Klimaschutzverordnung, bis 2045 beziehungsweise 2050 klimaneutral zu werden, bedingt einen sehr kurzen Zeitraum für die Einführung der neuen Pro­duktionsverfahren. In manchen Fällen müssen Unternehmen sogar Anlagen ersetzen, die das Ende ihrer Lebensdauer zum Teil noch lange nicht erreicht haben. Die Industrie braucht deshalb einen breiten Instrumentenmix mit sektorspezifischen Maßnahmen, der Investitionen in erneuerbare Technologien und die Nutzung dieser deut­lich günstiger macht als sie heute sind. Die Mehrkosten der Industrie für die Transformation in vergleichsweise sehr kurzer Zeit sind beträchtlich und begründen – da kein Level Playing Field existiert – den umfangreichen Bedarf an Unterstützung.

KSV als Anreiz für die Markttransformation

KSV gleichen dort, wo klimafreundliche Produktionsverfahren gegenwärtig noch nicht konkurrenzfähig möglich sind, die Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Verfahren aus – für eine Laufzeit von 15 Jahren. Dadurch werden unmittelbar große Mengen an Treibhausgasen vermieden. Ziel des Förderprogramms ist es laut BMWK, über die Laufzeit bis 2045 Emissionen in Höhe von rund 350 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. Vor allem sollen die KSV die dringend notwendige Markttransformation anstoßen: Sie setzen einen Anreiz, die erforderlichen neuen Technologien und dafür notwendige Infrastrukturen schon jetzt in Deutschland zu entwickeln und zu bauen etwa Produktionsanlagen und Pipelines für Wasserstoff. Der Anreiz besteht im Wesentlichen darin, dass das Risiko solch immenser Investitionen auf mehrere Schultern verteilt wird. Denn sowohl der Aufbau als auch der folgende Betrieb von Anlagen etwa zur Herstellung von grünem Stahl mit Wasserstoff sind zum Teil deutlich teurer als bei konventionellen Verfahren – und das werden sie auch eine Zeit lang noch bleiben. Die KSV sollen die Entwicklung von Know-how in der Finanzierung, beim Bau und beim Betrieb klimafreundlicher Anlagen sowie Märkte für klimafreundliche Endprodukte (grüne Leitmärkte) unterstützen und beschleunigen. Klimaschutzverträge sichern damit die Stärke des Industrie- und Innovationsstandorts Deutschland, so die Erwartung des Bundeswirtschafts- und Klimaministers.

Investitionen müssen sich betriebswirtschaftlich rechnen

Entscheidend wird sein, die Rahmenbedingun­gen so zu gestalten, dass sich die aus volkswirtschaftlicher Sicht geforderten enormen Investitionen für einzelne Investorinnen und Investoren (d. h. vor allem für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen) auch betriebswirtschaftlich rechnen. Der Infrastrukturaus- und -umbau muss schnell vorangehen, denn für Nullemissionen in 2045 müssen bereits heute die entscheidenden Weichen richtig gestellt werden. Unabhängig davon gilt weiter, dass die Politik zügig international wettbewerbsfähige Energiekosten sicherstellen muss. Hierzu zählen die vollumfängliche Beibehal­tung bestehender Entlastungsregelungen für die Industrie sowie eine Reduzierung perspektivisch steigender Kosten vor allem bei den Netzentgelten.

Der BDI begrüßt die Anstrengungen der Bundesregierung, jetzt rasch zielgerichtete und technologieoffene Förderinstrumente auf den Weg zu bringen, die die Transformation der Industrie hin zur Treibhausgasneutralität begünstigen. Klimaschutzverträge sind dabei ein Instrument, das Mehrkosten, die durch den Betrieb klimafreundlicher Anlagen entstehen, teilweise ausgleicht. Laut Wirtschaftsplan KTF (Haushaltsplan 2024 - Einzelplan (bundeshaushalt.de)) stehen für die Transformation der Industrie mittels KSV in diesem Jahr 200 MillionenEuro zur Verfügung. Das sindrund 40 Prozent weniger als die 343 Millionen Euro, die die Regierungspartien vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2023 für diesen Zweck veranschlagt hatten. Gleichwohl rechnet das BMWK weiter damit, dass für das „Förderprogramm Klimaschutzverträge“ insgesamt ein zweistelliger Milliardenbetrag zur Verfügung stehen wird. Garantieren lässt sich dies aber nicht: Der genaue Betrag wird letztlich das Ergebnis der künftigen politischen Haushaltsprozesse und -verhandlungen sein. Wichtig ist jetzt, dass es rasch vorwärts geht – die Zeit läuft uns sonst davon.