„Wettbewerb der Narrative“: Offene Gesellschaft in Gefahr?

In einer ungewöhnlichen Allianz thematisieren das Goethe-Institut, die Heinrich-Böll-Stiftung, der BDI und das Käte Hamburger-Kolleg/Centre for Global Cooperation Research auf einer internationalen Tagung die gegenwärtige Krise freiheitlicher Erzählungen.

Die aktuellen Entwicklungen in den USA, das Verhältnis zwischen der Türkei und einzelnen EU-Staaten, die Rolle Chinas wie auch die innenpolitischen Turbulenzen in Frankreich und Deutschland im Wahljahr 2017 stellen die freien Gesellschaften und viele ihrer tragenden Akteure vor neue, gemeinsame Herausforderungen. Von zentraler Bedeutung ist dabei ein mittlerweile offener Wettbewerb zwischen liberalen Narrativen und illiberalen politischen Erzählungen, die das globale Machtgefüge und unsere Gesellschaften zum Teil mit unvorhersehbarer Wucht beeinflussen.

Zum Auftakt der gemeinsamen Tagung erklärte Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts: „Die aktuelle Krise liberaler Erzählungen ist gekennzeichnet durch eine weltweite Kritik am Ideal einer weltoffenen Gesellschaft. Tagtäglich werden wir mit Narrativen konfrontiert – in Debatten um internationale Handelsabkommen, im französischen Wahlkampf oder im Streit um das Präsidialsystem in der Türkei. Bei den Diskussionen heute und morgen möchten wir ein Schwarz-Weiß-Denken vermeiden und herausfinden, wie liberale und illiberale Erzählungen unserer Gesellschaften aussehen und wie diese Menschen und Staaten beeinflussen.“  

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Narrative sind ein zentrales Instrument dafür, dass Repressionen Erfolg haben: weltweit werden die Handlungsspielräume von Zivilgesellschaft eingeschränkt, Journalisten verfolgt, zivilgesellschaftliche Organisationen verboten und damit gerechtfertigt, dass die Menschenrechte relativiert und ihre Universalität in Frage gestellt wird. Narrative sind aber auch zentral dafür, illiberalen Trends entschieden entgegenzutreten und Rechte zu verteidigen. Wie wir konsequent den Narrativ der Universalität der Menschenrechte verteidigen können, wollen wir bei dieser Tagung diskutieren.“

Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie: „In einem immer gefährlicheren internationalen Umfeld muss die Politik in Deutschland und Europa die politische Freiheit fortwährend konsequent aufrechterhalten. Es geht darum, wirtschaftlichen Fortschritt stets aufs Neue zu erarbeiten. Dies gelingt nur in offenen Gesellschaften. Technischer Fortschritt durch digitale Transformation und radikale Innovationen in der Wissenschaft bietet die historisch einzigartige Gelegenheit, die wirtschaftliche und soziale Lage breiter Schichten der Bevölkerung zu verbessern, und zwar spürbar wie dauerhaft. Das Narrativ, das mich am meisten überzeugt, erklärt: Freiheit und Offenheit bringen Wohlstand und Arbeitsplätze, Teilhabe, Einkommens- und Aufstiegschancen – also: inklusives Wachstum.“